Edirne (nex) – Eine einfache Hochzeit eines jüdischen Paares in der nordwesttürkischen Stadt Edirne sollte am Sonntag zu einem historischen Ereignis werden. Die Feierlichkeiten fanden in einer altehrwürdigen Synagoge statt, die als Signal an die jüdische Gemeinde des Landes durch den Staat von Grund auf restauriert wurde und heute in altem Glanz erstrahlt.
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In der Großen Synagoge von Edirne wurde am Sonntag die erste Hochzeitsfeier seit mehr als vier Jahrzehnten abgehalten. Obwohl sie sich von anderen traditionellen jüdischen Hochzeiten nicht unterschied, war das Ereignis von großer symbolischer Wichtigkeit für die jüdische Gemeinde in der Türkei.
Vor allem für Rufat Mitrani, den Patriarchen der einzigen in Edirne lebenden jüdischen Familie, war es ein unvergesslicher Moment. Er war zuvor der Letzte, der vor mehr als 40 Jahren seine Frau Sara dort geheiratet hatte. In weiterer Folge verwaiste der Tempel und war dem Verfall preisgegeben, da es zu wenige Gemeindemitglieder gab.
Nun heiratet seine Tochter Günes ihren Verlobten Harun Erentürk aus der jüdischen Gemeinde in Istanbul. Etwa 1000 Gäste, die Mehrheit davon Mitglieder der jüdischen Gemeinde in Istanbul sowie aus anderen Städten und dem Ausland, füllten die Synagoge. Die Zeremonie begann mit dem Lied „Boi Kala“, mit dem die Braut im prächtigen Tempel besungen wurde. Zwei Kantoren rezitierten ein Anoten, ein traditionelles Gebet, das auf die Zeit zurückdatiert, als die sephardischen Juden im 15. Jahrhundert aus Spanien nach Istanbul geflohen waren. Das Gebet stellte ursprünglich eine Dankesäußerung an den osmanischen Sultan dar, der der jüdischen Gemeinde damals Schutz gewährte. Am Sonntag wurde es zu Ehren des derzeitigen politischen Führers der Türkei, Präsident Recep Tayyip Erdogan, vorgetragen.
Der Bürgermeister von Edirne, Recep Gürkan, stand der Hochzeit formal vor, Gouverneur Mehmet Tekinarslan und der örtliche Leiter des Direktorats staatlicher Fördervereinigungen, Osman Güneren, das die Aufsicht über die Restauration der Synagoge geführt hatte, waren als Trauzeugen zugegen. Gürkan zeigte sich erfreut darüber, eine „spezielle, einzigartige Hochzeit“ leiten zu können, während Tekinarslan seiner Hoffnung Ausdruck verlieh, dass auch die Nachkommen des Paares Edirne künftig ihre Heimat nennen werden.
Die Restauration der Synagoge war eines der zahlreichen ambitionierten Projekte der Regierung, die sich für eine Wiederherstellung der Rechte oft vernachlässigter Minderheiten einsetzt und nach Jahrzehnten einer Minderheiten benachteiligenden Politik Koexistenz fördern möchte.
Unbestätigten Angaben zufolge umfasst die jüdische Bevölkerung in der Türkei derzeit 20 000 Menschen. Im Osmanischen Reich hatte die jüdische Gemeinde nach der Eroberung byzantinischer Städte durch die Osmanen über Jahrhunderte hinweg einen Hort der Toleranz vorgefunden. Vor allem das sephardische Judentum erlebte eine Blütezeit, nachdem sie sich infolge ihrer Vertreibung aus Spanien während der Reconquista im Laufe des 15. Jahrhunderts in Istanbul angesiedelt hatten.
Viele Mitglieder der heutigen jüdischen Gemeinde in der Türkei können auf Wurzeln zurückblicken, die in diese Zeit und die der damaligen Neu-Siedler zurückreichen.