Osnabrück – Kassenärztechef Andreas Gassen wirft Bund und Ländern vor, keine Lehren aus der Corona-Pandemie gezogen zu haben: „Die Liste der Versäumnisse ist lang“, sagte der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) im Interview mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (NOZ).
„Der öffentliche Gesundheitsdienst wurde bisher nicht restrukturiert und ausreichend gestärkt. Ich sehe auch keine echten Fortschritte in der Digitalisierung oder eine Garantie für bessere Datenlagen. Und ich sehe auch nicht, dass sich die für den Katastrophenschutz zuständigen Bundesländer neu aufgestellt hätten, außer dass sie die Nummer eines Virologen haben, um ihn um Rat zu fragen, wenn etwas auftaucht, was aussieht wie ein Virus.“
Die Chance, Corona als Anlass für eine bessere Krisenprävention zu nutzen, sei vertan worden, so der KBV-Chef in der „NOZ“. „Das teilweise zu beobachtende Staatsversagen, das wir in der überstandenen Pandemie erlebt haben, das kann sich beim nächsten Mal leider wiederholen“, sagte er in dem Interview und forderte eine „ehrliche Bilanz, was richtig war und was falsch, wo desaströse Fehler gemacht worden sind. Das wäre wichtig, um Schäden zu reparieren und für die Zukunft zu lernen“.
Am 7. April laufen die letzten bundesweiten Corona-Maßnahmen aus. „Wir haben seit vielen Monaten keine bedrohliche Situation mehr, und das war abzusehen“, kommentierte Gassen den nahenden „Freedom Day“. Es sei zu lange an einer „übertriebenen Eindämmungspolitik“ festgehalten worden, „weil es irgendwann einen zu engen Zirkel an Beratern gab, die irgendwann in einer Blase festsaßen und unbedingt recht behalten wollten“.
So seien auch immer wieder wissenschaftliche Erkenntnisse missachtet worden. „Am verheerendsten war das wohl bei den schier ewigen Schulschließungen“, sagte Gassen. „Heute weinen alle Krokodilstränen über die Schäden, die bei den Kindern und jungen Leuten dadurch entstanden sind, dabei haben die Fachgesellschaften früh vor den Folgen gewarnt.“