Start Politik Ausland Gastkommentar Abbas wirft Israel „Holocaust“ an Palästinensern vor

Gastkommentar
Abbas wirft Israel „Holocaust“ an Palästinensern vor

Palästinenserpräsident Abbas verglich die Folgen der 50-jährigen israelischen Besatzung während einer Pressekonferenz in Berlin mit dem „Holocaust“.

(Foto: dts)
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Ein Gastbeitrag von Nabi Yücel

Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas verglich die Folgen der 50-jährigen israelischen Besatzung während einer Pressekonferenz in Berlin in Anwesenheit von Olaf Scholz mit dem „Holocaust“. Hat Abbas damit Berlin einen Gefallen getan? Hat sich eigentlich Annalena Baerbock in die Debatte eingeschaltet – in Anlehnung an ihre „Klartext“-Rede in der Türkei als Expertin im Völkerrecht?

Scholz, die deutsche Politik, Gesellschaft und Medienlandschaft dürfen sich freuen

Eigentlich kann sich Berlin für den unsäglichen Vergleich des Palästinenserpräsidenten Mahmoud Abbas freuen. Hat doch Abbas nach einer langen und überaus wichtigen Rede über die Besatzungsmacht Israel, der Gewaltanwendung Israels und den Folgen für die Palästinenser, der israelischen Unterdrückung und Politik der Apartheid sowie dem Leiden der Palästinenser, mit nur einem kurzen Satz einen Vorwand geliefert.

Die 2-minütige Rede von Abbas in Berlin

Nun zerreißt man sich Landauf, Landab das Maul, über gerade mal 2 Minuten der Abbas-Rede, der insgesamt 25-minütigen Pressekonferenz, in der Abbas „Klartext“ sprach. Die 2-minütige Schlussrede des Palästinenserpräsidenten Mahmoud Abbas hat also gereicht, damit der Diskurs in Deutschland über die Besatzungsmacht Israel und den Folgen für die Palästinenser, hin zur Relativierung, ja sogar Leugnung des Holocaust verschoben wird.

Hätte Abbas sich den 2-minütigen Fehltritt erspart, wäre dann in Deutschland der Diskurs über die Besatzung Palästinas samt Ost-Jerusalem in die Gänge gekommen? Hätte es irgendetwas geändert, wenn Abbas es bei der Aussage „Israel hat seit 1947 in 50 Jahren 50 Massaker in palästinensischen Dörfern und Städten verübt“ belassen hätte?

Abbas hat ohne Grund einen Vorwand geliefert

Man hätte dennoch einen Vorwand gefunden, um Kritik an der israelischen Besatzungsmacht erst gar nicht aufkommen zu lassen. Denn, Bundeskanzler Olaf Scholz erklärte nach der Pressekonferenz zudem: „Das Wort Apartheid halte ich nicht für richtig für die Beschreibung der Situation.“

Man sollte Scholz daran erinnern, dass sein SPD-Parteigenosse, der frühere Bundesaußenminister Sigmar Gabriel, diesen Begriff ebenfalls schon verwendet hat. Und bei näherer Betrachtung ist es keineswegs so, dass es sich dabei um eine unangebrachte polemische Zuspitzung handelt.

Mit der jetzt aufkeimenden moralischen Empörung über unsägliche Vergleiche von Abbas hat man wieder einmal einen Vorwand, sich die relevanten Fragen vom Leibe zu halten; nämlich wie Deutschland mit systematischer Staats- und Siedlergewalt seitens Israels umzugehen hat.

Israel muss sich den Vorwurf gefallen lassen – auch von einem „Freund“

Israel muss als Folge seiner völkerrechtswidrigen Siedlungspolitik in den besetzten Gebieten tatsächlich eine administrative, juristische und infrastrukturelle Praxis betreiben, die mit dem Begriff der Apartheid ziemlich genau erfasst wird.

Man muss zwischen zwei Aussagen von Mahmoud Abbas unterscheiden: Die Aussage „Israel ist ein Apartheidstaat“ und die Aussage „Israel betreibt eine Politik der Apartheid [in den besetzten Gebieten]“, sind zwei völlig verschiedene Paar Schuhe. Israel selbst ist (noch) kein Apartheidstaat. Sehr wohl aber betreibt Israel ein Apartheidsystem in den besetzen Gebieten.

Israelische Besatzung ist ein Verstoß gegen Konventionen

Es ist eine Folge der Siedlungs- und Kolonialisierungspolitik Israels, die übrigens nicht nur einen Verstoß gegen die IV. Genfer Konvention darstellt, sondern gemäß dem Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofes in die Kategorie der Kriegsverbrechen fällt. Das verbrecherische Apartheidsystem wird also durch eine verbrecherische Siedlungspolitik bedingt.

Annalena Baerbock nach „Klartext“-Rede in der Türkei abgetaucht

Hat eigentlich irgendjemand Annalena Baerbock schon zum Thema gehört? In der Türkei betonte Baerbock Ende August während des Antrittsbesuchs noch fesch, man müsse das Völkerrecht beachten. Und gegenüber dem türkischen Amtskollegen erklärte Baerbock noch, Deutschland werde Maßnahmen ergreifen, falls die Gefahr vom völkerrechtswidrigen Einsätzen [die der Türkei in Nordsyrien] bestehe.

Heuchelei par excellence

Wie sehen denn solche „Maßnahmen“ aus, die einem Land von Deutschland drohen, wenn sie das Völkerrecht brechen? Blicken wir auf die Ukraine: Wladimir Putin führt derzeit einen Eroberungskrieg, um die staatliche Existenz der Ukraine zu beenden, ukrainisches Territorium zu annektieren und die Demographie der Gebiete zu russifizieren. Das ist zumindest das Narrativ, mit dem der Westen und Deutschland, Russlands Krieg gegen die Ukraine erläutert. Mag sein. Ist eine These, die ihr Für und Wider hat.

Folgendes hingegen ist Fakt: Israel hat in Kriegen Gebiete erobert, die es zum Teil auch annektiert hat und in weiten Teilen nach wie vor besetzt hält. Israel verhindert die staatliche Existenz Palästinas, betreibt in den noch nicht annektierten, besetzten Gebieten eine Siedlungs-Politik, die auf eine Judaisierung abzielt, die einheimische palästinensische Bevölkerung enteignet, vertreibt und in einem Homeland-artigen territorialen Flickenteppich-System einhegt.


Gastbeiträge geben die Meinung der Autoren wieder und stellen nicht zwingenderweise den Standpunkt von NEX24 dar. 


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