Ankara (nex) – Die von Deutschen und Türken gleichermaßen voller Hoffnung erwartete EU-Reisefreiheit für türkische Staatsbürger rückt mit jedem Tag näher. Wie türkische Medien berichten, reist eine EU-Delegation am kommenden Donnerstag nach Ankara, um die letzten noch benötigten Schritte zur Erfüllung der 72 Kriterien – von denen die Türkei bereits 67 erfüllt hat – zu besprechen.
Vorsitzender der Delegation ist Vize-Generaldirektor für Migration und Innere Angelegenheiten, Simon Mordue. Auch die Arbeiten für die übrigen fünf Kriterien seien inzwischen erledigt und das entsprechende Positions-Dokument bereits am 7. Februar Brüssel überreicht worden.
Bei den Gesprächen am Donnerstag werde es insbesondere um die Themen Antiterrorkampf und Schutz persönlicher Daten gehen. Wie der türkische Nachrichtensender TRT berichtet, hatte Ankara eine Überprüfung und nötigenfalls Änderung des Gesetzes zum Schutz persönlicher Daten im Rahmen der EU-Normen angekündigt. Die EU erwartet von der Türkei entsprechende Schritte.
Reisefreiheit nicht für jedermann?
Cem Davsan, Mitarbeiter einer privaten Visabeschaffungsfirma in Istanbul, sagt, er denke, die Änderungen bei den Visaregelungen würden lediglich bestimmte soziale Klassen in der Türkei betreffen.
„Wenn die Visafreiheit durchgesetzt wird, denke ich, dass das nur für Menschen gelten wird, die in großen Unternehmen arbeiten“, erklärte er der gegenüber der Nachrichtenagentur Anadolu.
„Ich glaube nicht, dass normale Bürger mit Mindestlohn Visafreiheit erhalten werden. Das wird nur für eine bestimmte soziale Schicht geschehen.“ Davsan, dessen Unternehmen Reisewilligen bei der Erledigung der bürokratischen Hürden im Zusammenhang mit der Erteilung von EU-Visa hilft, erklärte, die beliebtesten Reiseländer von Türken, die Urlaub in Europa machen wollten, seien Italien, Griechenland und Spanien. Auch Deutschland sei ein beliebtes Reiseziel auf Grund der großen türkischen Bevölkerung in dem Land und familiären Bindungen.
Ayla Karamate, Mitte 60 und Rentnerin, erklärt, sie warte seit den 1980ern auf die Visaliberalisierung. Sie habe kürzlich 135 Euro an ein privates Unternehmen bezahlt, das ihren Antrag zur Erledigung bringen soll.
„Ich sage mir immer und immer wieder, ich werde kein Geld mehr dafür ausgeben, aber ich mache es immer wieder.“ Neben den Visaerleichterungen hat sich die Türkei im Gegenzug zur Rücknahme von Asylbewerbern, die Beschleunigung der Beitrittsverhandlungen und einen Kostenbeitrag von sechs Milliarden Euro zur Flüchtlingshilfe durch die EU zusichern lassen.
„Ich stehe hier zusammen mit 100 anderen Leuten, die alle ein Visum wollen, das ist lächerlich“, so Ekrem Durmaz, der am Ende einer langen Schlange außerhalb des Büros eines Unternehmens in Istanbul wartet, das sich auf die Erledigung von Visaangelegenheiten in die EU spezialisiert hat und äußert den Frust, den auch so viele um ihn herum empfinden.
Durmaz, der regelmäßig nach Dänemark reist, um seine Familie zu besuchen, ist einer von vielen Türken, die mit Genugtuung auf die Aussicht reagieren, nach Europa reisen zu können, ohne jedes Mal, wenn sie in die EU einreisen möchten, die zeitraubende und teure Prozedur des Erhalts eines Visums auf sich nehmen zu müssen.
Wird der Deal umgesetzt, den die Türkei und der 28-Nationen-Block im Angesicht der Flüchtlingskrise abgeschlossen haben, muss er sich nie wieder in einer Schlange anstellen, um eine Einreiseerlaubnis zu erlangen.