Den Haag (nex) – Seit Jahren treibt der rechtsextreme Geert Wilders die niederländische Politik vor sich her und führt die etablierten Parteien gleichsam am Nasenring durch die politische Manege. Immer mehr Positionen der extremen Rechten wurden in den letzten Jahren von den traditionellen Parteien übernommen in der Hoffnung, die Abwanderung von Wählern damit stoppen zu können.
Am Ende wurden auch in linken Parteien Politiker aus der muslimischen oder der Einwanderer-Community massiv unter Druck gesetzt, Kritik an ihrer Religion zu üben und einseitige Beschuldigungen gegen Regierungen von Herkunftsländern der Einwanderer zu reproduzieren.
So auch in der sozialdemokratischen Arbeitspartei (PvdA), wo die Abgeordneten Tunahan Kuzu und Selçuk Öztürk eine gegenüber Einwanderern schulmeisternde und diese unter Pauschalverdacht setzende Integrationspolitik mittragen sollten. Die Abgeordneten weigerten sich jedoch, die ihnen vorgesetzten Gesslerhüte zu grüßen, traten aus der Fraktion aus und gründeten unter dem Namen „Denk!“ eine neue politische Bewegung.
Seither ist es dieser gelungen, ihre Strukturen auszubauen und vor allem die Aufmerksamkeit junger Menschen aus Einwandererfamilien auf sich zu ziehen. Dies weckt nun Hoffnungen, dass sich die „Einwandererpartei“ auch dauerhaft etablieren kann, zumal mittlerweile selbst prominente Persönlichkeiten zu „Denk!“ stießen.
So wurde im letzten November die ehemalige Miss Niederlande, die aus einer osteuropäischen Einwandererfamilie stammende Tatjana Maul, Sprecherin der Fraktion. Vor einer Woche kündigte dann auch die bekannte Fernsehmoderatorin Sylvana Simons, deren Familie aus Surinam stammt, ihre Kandidatur bei den Wahlen im nächsten Jahr an.
„Denk!“ scheint vor allem dadurch im Unterschied zu früheren Projekten dieser Art eine bessere Ausgangsposition zu haben, dass es der Bewegung bisher gelingt, übergreifend Menschen aus Einwanderercommunitys für sich zu begeistern und nicht vorwiegend nur aus bestimmten Einwanderergruppen.
Menschen mit osteuropäischen Wurzeln und solche mit türkischen und marokkanischen zeigen sich einig gegen Rassismus und Diskriminierung, gleichzeitig bieten sie auch religiösen Menschen und Aufsteigern mit Migrationshintergrund eine politische Vertretung, ohne sie zur Adaption sozialistischer Ideologieelemente zu zwingen, wie man dies zuvor von linken Parteien kannte.
„Denk!“ will die Stimme der Ungehörten sein, die ihrer Hautfarbe oder ihres Namens wegen in weiten Teilen der europäischen Gesellschaft zu Menschen zweiter Klasse abgestempelt werden. Gleichzeitig respektiert „Denk!“ die Wurzeln der Einwanderer und will diese im Unterschied zu etablierten politischen Kräften nicht zur Assimilation zwingen.
Auch ist es bei „Denk!“ keine Karrierevoraussetzung, sich europäischen Narrativen über die Geschichte und Regierungen der Herkunftsländer zu unterwerfen, etwa im Zusammenhang mit Forderungen an die Türkei, die Ereignisse von 1915 als „Armenier-Genozid“ anzuerkennen oder von Europa aus moralinsaure Belehrungen an die türkische oder russische Regierung zu richten.
Man ist nicht „Charlie“ und distanziert sich von Politikern mit Einwanderungshintergrund wie der mittlerweile aus der Politik ausgeschiedenen Ayaan Hirsi Ali, die sich mit „Islamkritik“ den westlichen politischen Eliten anbiedern. Innerhalb eines Jahres hat „Denk!“ mehr als 2000 Mitglieder geworben. Bei den Wahlen im nächsten Jahr peilt man fünf Sitze im niederländischen Parlament an.