Start Politik Ausland Gastkommentar Jüdischer Antizionist Erich Fried: 36. Todestag

Gastkommentar
Jüdischer Antizionist Erich Fried: 36. Todestag

Inam: Am 22. November jährt sich zum 36. Mal der Todestag von Erich Fried. Ein Dichter jüdischer Herkunft, dem ich persönlich zu großem Dank verpflichtet bin.

(Foto: Screenshot/youtube)
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Ein Gastbeitrag von Ahmet Inam

„Ich kann auch verstehen, dass jeder Vergleich der Untaten des Zionismus mit denen des Nationalsozialismus Empörung auslösen wird. Auch in mir empört sich einiges, wenn ich solche Vergleiche ziehe. Israel hat keine Gaskammern gebaut; auch die Entstehung des Konflikts und die Zahl der bisherigen Opfer entziehen sich dem Vergleich. Aber weil viele Israelis, von einzelnen bis zu Regierungsstellen und militärischen Führungsgremien, deutliche Zeichen des Übernehmens und Weitergebens von Verhaltensmustern ihrer Todfeinde von gestern zeigen, drängt sich dieser hässliche Vergleich manchmal auf und kann auch in den Gedichten nicht ganz fehlen, gerade weil sie verhindern helfen wollen, dass er in der Wirklichkeit immer gültiger und zwingender wird.1

Das sind die Worte des Wieners Erich Fried. Des Dichters jüdischer Herkunft, der 1938 vor den Nazis nach England fliehen musste. Ein Dichter, dem ich persönlich zu großem Dank verpflichtet bin.

Als unsere Schule in Erich-Fried-Gesamtschule umbenannt wurde, waren wir – wie Kinder/Jugendliche so sind – zuerst dagegen und genervt. Nach einiger Zeit tauchten Frieds Gedichte im Deutschunterricht auf und sein Gedicht „Was es ist“ öffnete mir damals eine Tür, die sich im Laufe meines Lebens zu literarisch weit geöffneten Toren entwickelte.

Von den klassisch-romantischen Gedichten Goethes oder Schillers bis hin zu muslimischen Formen der Poesie – gerade der moderne Dichter Fried vermochte es, mich für die Welt der Poesie zu faszinieren, was bis heute anhält. Einige Jahre später erfuhr ich, dass Fried nicht nur ein Dichter, sondern auch ein unermüdlicher Kämpfer für Gerechtigkeit war.

Sein besonderer Kampf galt dem Zionismus und der Ungerechtigkeit gegenüber den Palästinensern. Dazu schrieb er den Gedichtband „Höre Israel“ und wurde (schon) damals nicht nur wegen dieses Buches als „selbsthassender Jude“ angegriffen. So wie heute – geist- und skrupellos – jede Kritik an der zionistischen Barbarei (anders kann man es nicht mehr nennen) als Antisemitismus erstickt werden soll, versuchten „Deutsche, die sich jüdischer gaben als Juden“, ihn zum Schweigen zu bringen. Doch Fried ist ein überzeugter Friedenskämpfer und schreibt zum Thema „Selbst- und Israelkritik“:

«Zugegeben
Was Begin und Sharon
Getan haben
Das ist ganz furchtbar
Aber als Juden sollten wir unsere Kritik
Nur unter uns anwenden
Und nicht nach aussen tragen»

«Das kann ich gut verstehen»
Erwiderte ich
«Und ich will es befolgen
Wenn sie ihre Splitterbomben
Und Artilleriegeschosse
Und ihren brennenden Phosphor
Nur unter sich anwenden
Und nicht nach aussen tragen».

Der Gedichtband wurde erstmals 1974 veröffentlicht. Schon vor 1974 setzte Israel Phosphorbomben ein. Der Einsatz dieser schrecklichen Bombe verstößt gegen das humanitäre Völkerrecht. Im Gegensatz zu dem, was die Palästinenser in Gaza heute erleben, ist der Einsatz dieser Bomben – so zynisch es klingen mag – das kleinere Übel.

Der Tod von Tausenden von Kindern und Tausenden von Frauen. Das perfide Spiel, Menschen in Schutzzonen zu schicken, um sie dann mit tonnenschweren Bomben in Stücke zu reißen. Die Zerstörung weiterer „Schutzzonen“ wie Krankenhäuser, Schulen oder als heilig angesehener Schutzräume wie Moscheen und Kirchen.

Die öffentliche Zurschaustellung der Perversität israelischer Soldaten, die sich daran ergötzen, die Unterwäsche ihrer Opfer zu tragen, mit dem Spielzeug der Opfer-Kinder zu spielen, ihre Opfer in Hunderten von Videos satirisch zu verhöhnen und in den sozialen Medien zu präsentieren. Die mit rassistischen bis barbarischen Äußerungen israelischer Politiker von Netanjahu (Stichwort: Amalek) bis Smotrich (Aushungern der Palästinenser findet dieser Barbar gut) keinen Hehl aus ihrer offenen Genozidabsicht machen.

Das alles mag heute auf die Spitze getrieben sein, die Intentionen sind nicht neu, wenn man Frieds Gedichte liest. Wenn wieder jüdische Intellektuelle herangezogen werden, die sich unermüdlich für den Frieden eingesetzt und entsprechende Schriften verfasst haben.

Doch diese und andere Kriegsverbrechen werden heute nicht nur toleriert, sondern von Zionisten in Israel und den USA immer wieder zur Sprache gebracht. Der in den USA bekannte Rechtsanwalt und Juraprofessor an der Harvard University, Alan Dershowitz, gab z.B. in einem Vortrag in Israel folgende Vernichtungsempfehlungen:

„Der Vorteil der gezielten Liquidierung… liegt in ebendieser Gezieltheit, die Kollateralschäden und Kollektivstrafen im allgemeinen ausschließt“ Die heutige Zielgerichtetheit bedeutet allerdings, dass mit der Tötung eines(!) Hamas-Aktivisten mehrere Dutzend(!) Unschuldige mit getötet werden müssen. Außerdem findet dieser Dershowitz: „…die Zerstörung von [Wohnhäusern]… durch und durch moralisch“, sie „gehört zu den moralischsten und abgewogendsten Reaktionen auf den Terrorismus überhaupt.“

Und als Fan der Folter findet er es gut, Verdächtigen „Nadel unter die Fingernägel zu schieben…“, denn so der Sadist Dershowitz „… ich bin für den größtmöglichen Schmerz, … den schrecklichsten, intensivsten, am schnellsten wirksamen Schmerz.“ Er hat auch keine Skrupel, ethnische Säuberungen vorzuschlagen: „Politische Lösungen erfordern oftmals die Umsiedlung von Menschen, und solche Bevölkerungsbewegungen sind nicht immer freiwillig.“

Diese Zitate finden sich in dem bemerkenswerten Buch „Antisemitismus als politische Waffe“2 von Norman G. Finkelstein, das mit vielen zionistischen Mythen und Absichten abrechnet und die Doppelmoral des israelischen Staates und der westlichen Länder aufzeigt, wenn Israel Unrecht geschieht, mit den Worten von Dershowitz: „[Wenn Palästinenser israelische Zivilisten angreifen, ist dies]… niemals zu tolerieren… Es verstößt gegen die Genfer Konventionen, es verstößt gegen internationales Kriegsrecht, es verstößt gegen sämtliche moralische Grundsätze.“

Kommt uns das nicht bekannt vor? Aber was passiert in Deutschland? Ein Beispiel: Vor kurzem hat Israel – wieder einmal völkerrechtswidrig – Pager und Walkie-Talkies in die Luft sprengen lassen. Wie reagierten führende deutsche Israelfreunde? Sie haben sich über die Opfer und ihre Religion lustig gemacht. Das ist der geistlose Wahnsinn, dem sich Deutschland derzeit hingibt.

Wenn Deutschland nicht anfängt, diesen gegenwärtigen Wahnsinn der „bedingungslosen Unterstützung Israels“ zu beenden, und wenn Deutschland nicht anfängt, wieder auf vernünftige und intellektuelle Juden wie Fried, Arendt, Stein oder Chomsky zu hören und sie zu unterstützen, anstatt weiterhin barbarische (jüdische und christliche) Zionisten zu unterstützen, wird Deutschland für lange Zeit nicht mehr das Land sein, das international als Land der Dichter und Denker geschätzt wird, sondern als Handlanger der barbarischen Zionisten.

Diese Tat wird auch den Juden in keiner Weise helfen, wenn dies die „Staatsräson“ sein sollte, sie wird dazu führen, dass – wie es sich perfide Antisemiten wie die Israel unterstützenden Rechtspopulisten und Rechtsradikalen wünschen – Judenfeindschaft und Judenhass weltweit verbreitet werden.

Auch dem jüdischen Volk wird diese geistlose Aktion nicht helfen, denn so Fried:

„Ich hoffe sogar, auch ohne jüdisches Volksbewusstsein oder israelisches Nationalgefühl, sozusagen nebenher, ein besserer Jude zu sein als jene Chauvinisten und Zionisten, die, was immer ihre Absicht sein mag, in Wirklichkeit ihr Volk immer tiefer in eine Lage hineintreiben, die schließlich zu einer Katastrophe für die Juden im heutigen Israel führen könnte. Auch dagegen möchten – durch Warnung vor dem Irrweg und durch allerlei Informationen – diese Gedichte kämpfen.“3

Am 22. November jährt sich zum 36. Mal der Todestag von Erich Fried.

1 Erich Fried: Höre Israel. Gedichte gegen das Unrecht. TuP- Verlag, Hamburg 2021, S. 14
2 N. G. Finkelstein: „Antisemitismus als politische Waffe – Israel, Amerika und der Mißbrauch der Geschichte“, Piper Verlag, München 2006.
3 Erich Fried: Höre Israel. Gedichte gegen das Unrecht. TuP- Verlag, Hamburg 2021, S. 14.


Gastbeiträge geben die Meinung der Autoren wieder und stellen nicht zwingenderweise den Standpunkt von NEX24 dar.


Zum Autor

Dr. Ahmet Inam ist Islam- und Religionswissenschaftler. Er promovierte 2015 an der Frankfurter Goethe-Universität am „Institut für Studien der Kultur und Religion des Islam“ mit dem Titel „Die theologischen, juristischen und sozialen Dimensionen der Sünde im Koran“. Er ist Autor des Buchs „Der Islam – Eine Binnenperspektive“ (Ditibverlag, 2020).


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