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Warum tun sich deutsche Modemarken so schwer?

Der Aufstieg des E-Commerce hat die Modeindustrie völlig umgekrempelt. Marken, die sich schnell adaptiert haben, florieren.

(Symbolfoto: MKai)
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In der Modebranche haben deutsche Marken längst einen festen Platz. Internationale Marken wie Hugo Boss, Strenesse, Escada oder Jil Sander haben sich mit zeitlosem Stil, hochwertiger Verarbeitung und exklusiven Materialien einen Namen gemacht. In den letzten Jahren sahen sich viele deutsche Modemarken jedoch mit erheblichen Herausforderungen konfrontiert.

Dies spiegelt sich unter anderem in der Insolvenzwelle wider, die derzeit die deutsche Modebranche erfasst. Namhafte Designer deutscher Modehäuser wie Peek und Cloppenburg sowie eine der größten Warenhausketten Europas: Galeria Karstadt Kaufhof und Signa Sports United haben Insolvenz angemeldet. Was sind die Gründe dafür, dass deutsche Modemarken es schwer haben?

Fast Fashion – Wegwerfmode

Einer der Hauptgründe für die Schwierigkeiten der deutschen Modemarken liegt in den sich schnell ändernden Vorlieben der Verbraucher. In der internationalen Modeszene gibt es einen deutlichen Trend zu Fast Fashion, angeführt von Marken wie Zara, H&M und Shein. Diese Unternehmen bieten modische Kleidung zu niedrigen Preisen an. Sie reagieren schnell, indem sie die Trends der Laufstege kopieren und vor allem billig produzieren.

Auf faire Löhne oder Arbeitsbedingungen wird weniger Wert gelegt als auf die Konsumbefriedigung der großen Masse. Dabei sind deutsche Marken traditionell für Qualität und Langlebigkeit bekannt – das Gegenteil von Fast Fashion.

Nachhaltigkeit auch für die Mode

Es gibt einen ständig wachsenden Trend zu Nachhaltigkeit und ethischer Mode. Die Konsumenten fordern zunehmend Transparenz über Herkunft und Herstellungsprozesse. Deutsche Marken, obwohl oft qualitativ hochwertig, waren nicht an der Spitze dieser Bewegung, sodass Marken, die diesen Trend rechtzeitig erkannten und Nachhaltigkeit in den Vordergrund stellten, erfolgreicher waren.

Im Gegensatz zur Fast Fashion, die auf schnellen und häufigen Konsum abzielt, investieren viele Verbraucher heute lieber in langlebige Mode oder recyceln ausrangierte Modelle. Ein guter Tipp ist, ein altes, langweiliges T-Shirt selbst zu gestalten und mit attraktiven neuen Prints zu bedrucken. Anstatt in der Tonne zu landen, wird es wieder tragbar.

Ein wachsendes Bewusstsein für Nachhaltigkeit in allen Lebensbereichen führt dazu, dass Verbraucher lieber mehr Geld in hochwertige und langlebige Modelle investieren, als auf häufigen einmaligen Konsum zu setzen. Hier könnten sich deutsche Marken langfristig wieder durchsetzen.

E-Commerce löst den Handel ab

Der Aufstieg des E-Commerce hat die Modeindustrie völlig umgekrempelt. Marken, die sich schnell adaptiert haben, florieren. Während Marken, die sich langsamer angepasst haben, zu kämpfen haben. Deutsche Modemarken mit ihren oft konservativen Ansätzen haben sich bei der Einführung digitaler Strategien zurückgehalten, weiterhin auf den klassischen Handel gesetzt und damit ein kleineres Publikum erreicht.

Das Fehlen einer starken Online-Präsenz hat es ihnen erschwert, ein breiteres und jüngeres Publikum zu erreichen, das eher online einkauft. Dennoch hat die deutsche Modewelt auch einige der erfolgreichsten Online-Modemarken wie Zalando, Bonprix und About You hervorgebracht.

Streetwear

Der Aufstieg von Streetwear hat die Modelandschaft verändert. Es dominieren internationale Marken wie Supreme und Superdry oder sogar Giganten wie Nike die Szene. Traditionelle deutsche Modemarken setzen eher auf Klassik und Stil als auf Street oder Loungewear, was bei vielen den aktuellen Zeitgeist möglicherweise nicht mehr so gut trifft.

Allerdings haben es in diesem Bereich einige deutsche Modemarken geschafft, sich ihren Marktanteil zu sichern, wie es Birkenstock oder auch Adidas mit dem Relaunch der klassischen Modelle Adidas Gazelle und Samba erfolgreich gelungen ist.

Klassische Zielgruppe

Das Branding spielt in der Modeindustrie eine entscheidende Rolle. Es gibt viele innovative deutsche Designerlabels wie Acronym oder 44 LABEL GROUP, die alles andere als klassische Designs präsentieren und in der deutschen Modeszene bekannt sind. Sie sind auf internationalen Fashion-Shows präsent, haben bei einer internationalen breiten Bevölkerung aber noch keinen hohen Bekanntheitsgrad erreicht.

Wie geht es weiter für deutsche Modemarken?

Das Image deutscher Modemarken als klassisch und hochwertig ist ein zweischneidiges Schwert, da es die Zielgruppe der Konsumenten einschränkt und eine bestimmte Bevölkerungsgruppe anspricht. Für jüngere Konsumenten, die auf der Suche nach preiswertem und trendigem Design sind, ist dies weniger attraktiv.

Die Insolvenzwelle im klassischen Handel ist nicht nur auf den deutschen Markt beschränkt. Mit der Nachfrage nach langlebigen Design und Nachhaltigkeit haben sie gute Chancen, in Zukunft erfolgreich zu sein.

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