von Kemal Bölge
Am kommenden Sonntag finden in der Türkei die Stichwahlen um das Präsidentenamt statt. Gestern hatte der oppositionelle Präsidentschaftskandidat der Ata-Allianz, Dr. Sinan Oğan, bei einer Pressekonferenz seine Zustimmung zur Unterstützung von Präsident Recep Tayyip Erdoğan mitgeteilt und seine Wählerinnen und Wähler gebeten, ihre Stimme für Erdoğan abzugeben.
Eines ist klar: Die Wahl um das Präsidentenamt ist eine Richtungswahl und daher von großer Bedeutung. Unabhängig von der hohen Inflation und wirtschaftlichen Schwierigkeiten stellt sich folgende Frage: Wird die Türkei weiterhin eine Außenpolitik betreiben, die ihre eigenen Interessen mit berücksichtigt oder wird sie ihren Fokus auf Washington und Brüssel legen, die dann, wie in der Vergangenheit geschehen, über
die Zukunft des Landes entscheidet.
Waffenstillstand von Moudros besiegelte das Schicksal des Osmanischen Reiches
Schauen wir zurück ins Jahr 1918. Auf dem britischen Kriegsschiff HMS Agamemnon unterzeichnete am 30. Oktober 1918 in Anwesenheit des britischen Admirals Somerset Gough-Calthorpe der türkische Marineminister Rauf Orbay den für einen Außenstehenden harmlos klingenden Waffenstillstand von Moudros, der in Wirklichkeit das Schicksal des Osmanischen Reiches endgültig besiegelte. Was folgte, war der am 10. August 1920 unterzeichnete Sèvres-Vertrag, der die Zerschlagung Anatoliens vorsah. Die türkische Unabhängigkeitsbewegung unter General Mustafa Kemal Pascha (der spätere Atatürk) und seine Kameraden stemmten sich mit der Unabhängigkeitsbewegung gegen den Sèvres-Vertrag und lehnten diese ab.
Einstige Kriegsgegner sind heute auf dem Papier „Verbündete der Türkei“
Die Invasoren wurden im türkischen Unabhängigkeitskrieg („Kurtuluş Savaşı“) geschlagen und mussten die Türkei verlassen. Der 1923 unterzeichnete internationale Vertrag von Lausanne stellte einen Wendepunkt dar und war die Geburtsstunde der heutigen Türkei.
Was haben die Ereignisse vor über 100 Jahren mit unserer heutigen Zeit zu tun? Sehr viel, denn einige der damaligen Kriegsgegner des Osmanischen Reiches sind heute auf dem Papier „Verbündete der Türkei“. Es ist sicherlich kein Zufall, dass eine Terrororganisation wie die PKK/YPG von einigen „Verbündeten“ in einem „proxy war“ gegen die Türkei unterstützt wird, um Revanche an dem vor 100 Jahren geschlossenen Vertrag von Lausanne zu nehmen.
Unabhängige Außenpolitik der Türkei sollte fortgesetzt werden
Wie sagte doch der preußische Generalmajor Carl von Clausewitz in seinem Buch „Vom Kriege“: „Der Krieg ist eine bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln.“ Nur unterscheiden sich die heutigen Stellvertreterkriege vom herkömmlichen Krieg dadurch, dass die eigentlichen Strippenzieher nicht offen sichtbar sind. Stellvertreterkriege gibt es auch in anderen Regionen der Welt. Was auf dem Kriegsschauplatz nicht erreicht werden kann, soll im Falle der Türkei über einen Regierungswechsel in die Tat umgesetzt werden.
Kemal Kılıçdaroğlu hat zwar im Gespräch mit dem Vorsitzenden der Zafer-Partei, Ümit Özdağ beteuert, dass er der HDP/YSP keine Zugeständnisse machen wird, aber er hatte zuvor auch zugesichert, sich mit Vertretern der PKK/YSP nicht treffen zu wollen, was er dann doch tat. Es bleibt zu hoffen, dass die Türkei ihre unter Präsident Erdoğan vollzogene, unabhängige Außenpolitik beibehält.
Gastbeiträge geben die Meinung der Autoren wieder und stellen nicht zwingenderweise den Standpunkt von NEX24 dar.
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