Brüssel – In einem Interview mit dem Deutschlandfunk (DLF) erklärte Europarechtler Franz Mayer, dass er einen Austritt Polens aus der EU für möglich halte.
In der europäischen Integration gehe es darum, Vielfalt unter einen Hut zu bringen. Unterschiede dürfe es zwar geben, in Grundfragen müsse man sich jedoch einig sein. Dazu gehöre, dass man sich an das Recht halte. Polen baue Rechtsstaatlichkeit zurück und bewege sich in Richtung eines autoritären Regimes. So könne man nicht in der EU verbleiben, zitiert DLF Mayer.
Die Beziehungen zwischen Brüssel und Warschau sind bereits seit einigen Jahren gespannt. Der Konflikt hat dazu geführt, dass Polen EU-Gelder in Milliardenhöhe zurückgehalten werden und täglich Geldstrafen in Höhe von bisher fast 100 Millionen Euro zu zahlen sind.
Die EU hat am vergangenen Mittwoch zudem rechtliche Schritte gegen Polen eingeleitet, weil es das Gemeinschaftsrecht missachte und die Unabhängigkeit der Justiz untergrabe. Die Kommission äußerte auch Zweifel an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Verfassungsgerichts selbst. Sie argumentiert, dass die Ernennung von Richtern durch die polnische Regierung „unter Verletzung grundlegender Regeln“ bedeute, dass das Gericht „keinen wirksamen Rechtsschutz mehr gewährleisten kann“. Warschau drohen weitere finanzielle Sanktionen.
Der polnische Premierminister Mateusz Morawiecki sagte am Mittwoch, die Entscheidung der EU spiegele einen Trend zu bürokratischem Zentralismus“ in Brüssel wider, der gestoppt werden müsse“. Er sei mit dem Schritt der Europäischen Kommission nicht einverstanden. Der stellvertretende polnische Justizminister Sebastian Kaleta nannte die Ankündigung der EU „einen Angriff auf die polnische Verfassung und unsere Souveränität“.
Die ehemalige Ministerpräsidentin Beata Szydlo, Abgeordnete der polnischen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS), sagte: „Dies ist kein Rechtsstreit mehr, sondern ein Angriff auf die polnische Verfassung und die Grundlagen der polnischen Staatlichkeit“.
Die Entscheidung der Kommission wurde jedoch von der Verfassungswissenschaftlerin Bogna Baczyńska von der Universität Stettin begrüßt. „Selbst für normale Bürger ist es sehr klar, dass das Verfassungsgericht seine verfassungsmäßige Aufgabe nicht erfüllt, sondern eine Attrappe ist“, sagte sie gegenüber TVN24.
„Die Europäische Kommission hat einen logischen Schritt unternommen, um Polen zu ermutigen oder zu zwingen, die EU-Verträge einzuhalten“, fügte sie hinzu. „Das zeigt sehr deutlich, dass nationale Mechanismen nicht dazu benutzt werden können, um Vertragsbestimmungen zu untergraben.“
Polen und Ungarn – ein weiteres östliches EU-Mitglied, das beschuldigt wird, demokratische Normen zu untergraben – haben einen Pakt geschlossen, der sie gegenseitig vor extremeren EU-Strafen wie dem Entzug des Stimmrechts in der Union schützt.
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– Warschau –
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