Ein Gastbeitrag von Nabi Yücel
Die deutsche Polit- sowie Medienlandschaft hat sich auf Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e.V., kurz DITIB eingeschossen. Wie konnte die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen auch nur mit der DITIB einen Vertrag zur Zusammenarbeit im Islamunterricht unterschreiben, lautet der einhellige kritische Meinungsbildungspool. Als ob man es mit „Islamisten“ zu tun hätte, so wird derzeit an diesem Pappkameraden gearbeitet!
Differenzierte Analysen und Perspektiven über das Wesen, die Mentalität sowie Gründungsgeschichte der DITIB, die sucht man vergebens. Für viele Türkischstämmigen und Türken ist dieser Dauerzustand inzwischen kaum zu ertragen.
In zusammenhanglosen Gestammel und unter stetiger und ritueller Wiederholung des Namens des größten zusammenhängen türkischen Moscheeverbandes wird die DITIB in allen Lebenslagen und Alltagssituationen auf die türkische Innen- und Außenpolitik fokussiert.
Welche Motive dahinterstecken, das Politik und Medien bei der Aufstellung des Pappkameraden „politischer Islam“ oder „Islamisten“ als neues wirkmächtiges Feindbild gegen die DITIB Hand in Hand gehen, ist für die Türkischstämmigen und Türken in diesem Land kaum von Belang – weil nach über 37 Jahren so ziemlich viele Pappkameraden gegen Türkischstämmige und Türken aufgebaut wurden.
Neu ist nicht die Quantität, sondern vielmehr die Qualität der Feindbilder: Von „extremistischen Kräften“ bis hin zu „Islamisten“ ist die Rede. Sprich, man hat mit der Zeit die rote Linie stets vor sich hergeschoben und etabliert gemächlich ein extremes Feindbild nach dem anderen. Wie weit will man eigentlich noch gehen?
1984 wurde die DITIB e.V. in Köln gegründet, nach dem sehr viele türkische Gastarbeiter vor dem Problem standen, geeignete Örtlichkeiten für ihre religiösen kulturellen Zusammenkünfte zu finden. Von da an stieg die Anzahl der angeschlossenen Vereine, die von unseren Vätern und Müttern gegründet, mit viel Fleiß, Schweiß und Blut Moscheegemeinden aufgebaut wurden.
Hier konnte nicht nur ein Mitglied, sondern jeder den täglichen rituellen Gebet verrichten. An heiligen Tagen konnte man mit anderen zusammenkommen, Kultur, Sprache und Religion ausüben. Auch die heranwachsenden Kinder und Jugendlichen, fanden hier ein Pool von Gleichgesinnten, mit der es mehr Spaß machte, in diese Kultur, in diese Religion hineinzutauchen, darin aufzugehen.
Nun sind mehr als 37 Jahre vergangen, über 950 angeschlossene Moscheevereine gibt es landesweit. Jede einzelne wurde von Gastarbeitern gegründet, von Mitgliedern und mit Spenden der Besucher aufgebaut. Generationsübergreifend findet man hier einen Mittelpunkt. Noch heute sammeln diese Vereine Spenden, um den Betrieb aufrechtzuerhalten. Lediglich die Imame, die kommen aus der Türkei, für wenige Jahre, werden dann ausgetauscht.
Es gibt gute Imame, aber auch Arschlöcher – sie spiegeln wie andere die Gesellschaft wider. Die wenigen Arschlöcher können sich kaum halten, werden schnell ausgetauscht oder die Gemeinde liest jenen die Leviten vor. Bis heute hat diese Praxis ganz gut funktioniert, eben Do-it-yourself.
Do-it-yourself, das ist auch das Stichwort: Niemand hat diesen Gastarbeitern zu Beginn unter die Arme gegriffen. Niemand in der Politik oder den Medien hatte etwas für sie übrig. So bildeten sich aus der Not heraus Gemeinschaften innerhalb von Großstädten, die sich fragten, wie man eine Lösung findet. So bildeten sich erste Vereine, die Örtlichkeiten mieteten. Später wurden Kredite aufgenommen, Gebäude umfunktioniert, meist Hinterhöfe, da sie günstig und relativ zentral lagen.
Irgendwann wurde diesen Gemeinden klar, dass das mit einem Vorbeter aus den eigenen Reihen nicht immer klappt. Auch das religiöse fundierte Wissen war nicht überall gegeben. So entstand der Dachverband und die ersten Imame wurden aus der Türkei eingeflogen und in diesen Gemeinden eingesetzt. Sie sollten nicht nur die Gemeinde bei ihrer religiösen Andacht begleiten, sondern auch soziale Belange abdecken, wo es vonnöten ist.
Mit ein entscheidender Punkt für die Annahme des Imam-Angebots aus der Türkei war aber auch, die türkisch-islamische Synthese zu erhalten und salafistische wie wahhabistische Elemente von den Gemeinden fernzuhalten. Das war aber nicht nur im Interesse der Türkei bzw. deren Amt für religiöse Angelegenheiten, sondern vor allem die der Mitglieder und Besucher dieser Gemeinden.
Nun werden seit geraumer Zeit berüchtigte Narrative aufgebaut, mit der dieser Dachverband und 950 Moscheevereine behaftet werden. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass die DITIB dabei stets mit Ankara oder dem dortigen Amt für religiöse Angelegenheiten, der DIYANET, bewusst gleichgesetzt wird. Nicht ohne Grund wird deshalb von bestimmten Kreisen der Eindruck erweckt, türkische Imame in DITIB-Moscheen würden reihum u.a. die Operationen der türkischen Armee in Syrien mit Wohlwollen begleiten und kommentieren, was geradezu trivial ist. Die eigentliche Frage wäre doch, wie man überhaupt dazu kommt, so etwas vor einer deutschen Öffentlichkeit denunzierend zu skandalisieren.
Ein Skandal ist es vielmehr, jetzt von „extremistischen Kräften“ bis hin zu „Islamisten“ zu sprechen. Es ist wie eine schallende Ohrfeige für all jene, die diese Gemeinden mit aufgebaut, gepflegt und diese türkisch-islamische Synthese erhalten haben. Es ist ein Schlag mitten ins Gesicht derer, die dieses Erbe von vielen dieser Erstbegründer der Gemeinden übernommen haben und weiterhin pflegen wollen. Es ist skandalös, dass die Politik auf dem Rücken einer Gastarbeiter-Generation, ihren Kindern und Enkeln, ihren Wahlkampf austrägt, bestimmte Kreise ihren beruflichen Werdegang so aufwerten wollen.
Es reicht daher nicht nur Stopp zu sagen! Diese Hand in Hand gehende Hetze und diese Diskriminierung muss hier und jetzt auch ein Ende haben! Ansonsten verliert Deutschland den Anschluss an die nächsten Generationen von türkischstämmigen Deutschen, die hier ihre Heimat sehen.
Gastbeiträge geben die Meinung der Autoren wieder und stellen nicht zwingenderweise den Standpunkt von nex24 dar.
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