Willkürliche Entfernung des Schulschilds durch griechische Behörden
Ein Gastbeitrag von Kemal Bölge
Vor einigen Tagen ereignete sich in einer Schule in der ostgriechischen Stadt Komotini (Gümülcine) ein Vorfall, bei dem die Willkür griechischer Behörden offen zutage trat.
Es geht dabei um die Stiftungsschule Medrese-İ Hayriye der Sekundarstufe I und II der türkisch-muslimischen Minderheit. Die ursprünglich als Ausbildungsstätte für Imame konzipierte Schule dient heute sowohl als Realschule als auch als Gymnasium.
In der Nacht vom 23. auf den 24. Dezember wurde das Schulschild „Religiöses Gymnasium Medrese-İ Hayriye der Minderheit von Komotini“ (ΜΕΙΟΝΟΤΙΚΟ ΙΕΡΟΣΠΟΥΔΑΣΤΗΡΙΟ ΧΑΙΡΙΓΕ ΚΟΜΟΤΗΝΗΣ ΓΥΜΝΑΣΙΟ-ΛΥΚΕΙΟ) abgehängt und mit dem Schild „Religiöses Gymnasium Medrese-İ Hayriye der Moslems von Komotini“ (ΜΟΥΣΟΥΛΜΑΝΙΚΟ ΙΕΡΟΣΠΟΥΔΑΣΤΗΡΙΟ ΧΑΙΡΙΓΕ ΚΟΜΟΤΗΝΗΣ ΓΥΜΝΑΣΙΟ-ΛΥΚΕΙΟ) ausgetauscht, ohne die betroffene Schulleitung darüber vorher zu informieren. Die griechischen Behörden haben sich wahrscheinlich an dem Begriff Minderheit echauffiert, der durch den Ausdruck Moslems ersetzt wurde.
Für Schulelternbeirat ist die Vorgehensweise illegitim
Die Vorgehensweise der griechischen Behörden ist nach Ansicht des Elternbeirats der Schule und des Komitees für Schulen der Minderheiten illegitim, da nach ihrer Meinung hierfür keine rechtlichen Grundlagen existieren. Beide Einrichtungen haben das Entfernen des Schulschildes als politisch motiviert bezeichnet und die Vorgehensweise scharf verurteilt. Dies sei der Versuch, die Existenz der türkischen Minderheit zu zerstören und eine Gesellschaft ohne ethnische Herkunft zu schaffen.
Ethnische Wurzeln der türkischen Minderheit sollen beseitigt werden
Es gehe darum, die ethnischen Wurzeln der türkischen Minderheit zu beseitigen. Dies sei nicht das erste Mal, da bereits 2009 durch das Anbringen eines neuen Schulschildes versucht worden sei, die Geschichte der türkischen Minderheit zu beseitigen. Das Komitee für Schulen der Minderheiten verwies in einem Statement auf ein Gesetzesdekret vom 9. Oktober 1954, mit der die Gründung von Schulen für die türkische Minderheit in Griechenland auf eine rechtliche Grundlage gestellt worden sei. Die Schulen hätten nach diesem Dekret unterrichtet und nach Artikel 5 seien die Aufgaben und Pflichten des Komitees für Schulen der Minderheiten geregelt. Das Unterrichtsgesetz 694/1977 für die Minderheiten sei in Griechenland noch immer in Kraft.
Systematische Entrechtung der türkischen Volksgruppe
Die staatliche Willkür griechischer Behörden gegenüber der türkisch-muslimischen Minderheit in Westthrakien ist leider kein Einzelfall, da der griechische Staat seit dem Lausanner Vertrag von 1923 systematisch die Volksgruppe entrechtet hat. Nach der Definition des griechischen Staates gibt es in Griechenland keine türkische Volksgruppe, sondern Griechen muslimischer Herkunft und verweisen des Öfteren auf eine homogene Gesellschaftsstruktur, die allerdings mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmt. Schätzungen zufolge beläuft sich die Zahl der türkischen Minderheit in Westthrakien auf circa 150.000 Menschen. Die Probleme der türkischen Volksgruppe in den Bereichen Bildung, Religion und ethnischer Zugehörigkeit sind seit Jahrzehnten bekannt, aber statt Lösungen anzustreben, hat der griechische Staat es vorgezogen, den Druck auf die Volksgruppe zu erhöhen.
Griechenland hält sich nicht an Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte
Die Rechte der türkisch-muslimischen Minderheit waren im Lausanner Vertrag geregelt. Eines der größten Probleme der türkischen Minderheit ist die Weigerung Athens, deren ethnische Zugehörigkeit anzuerkennen und stattdessen den Begriff „muslimische Minderheit“ Verwendung findet. In den 50er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts, als die griechisch-türkischen Beziehungen gut waren, verwendeten griechische Behörden die ethnische Titulierung „türkische Minderheit“, allerdings wurde diese Bezeichnung mit dem griechischen Militärputsch des Obristen-Regimes 1967 wieder abgeschafft.
Ab den 80er-Jahren wurden in Griechenland Vereine verboten, die in ihren Satzungen den Begriff „Türkisch“ enthielten, obwohl der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in einem Urteil 2008 diese Praxis untersagte, haben griechische Behörden das Urteil des EGMR bis heute nicht umgesetzt. Griechenland argumentiert, der Lausanner Vertrag beinhalte lediglich die Bezeichnung „muslimische Minderheit“ und daher sei sie nicht verpflichtet, einen ethnischen Begriff zu verwenden.
Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder und stellt nicht zwingenderweise den Standpunkt von nex24 dar.
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