Mitglieder von Terrororganisationen werden nicht ausgeliefert
Ein Gastbeitrag von Kemal Bölge – kboelge@web.de
Die Strafverfolgungsbehörden in der Türkei haben im Zusammenhang mit dem Putschversuch von 2016 die Auslieferung von nach Deutschland, Griechenland und anderen EU-Mitgliedsländern geflohenen Verdächtigen der Fetullahistischen Terrororganisation (FETÖ) beantragt. Den Tatverdächtigen wird vorgeworfen, an dem gewaltsamen Umsturzversuch gegen die gewählte Regierung in der Türkei teilgenommen zu haben. Bis zum heutigen Tag wurde kein Verdächtiger dieser Terrororganisation an die Behörden in der Türkei ausgeliefert.
Nicht anders verhält es sich mit Mitgliedern der Terrororganisation PKK, die in den EU-Staaten zwar verboten ist, aber über Tarnorganisationen wie Vereinen und anderen Einrichtungen sich weiterhin betätigt. Der europäischen Polizeibehörde EUROPOL ist bekannt, dass die PKK etwa 40 Prozent des Drogenhandels in Europa kontrolliert und auch in den organisierten Menschenhandel verstrickt ist. Trotz dieser Kenntnis und polizeilicher Verfolgung in diesen Staaten gelingt es der PKK weiterhin, die von ihr kontrollierte Organisierte Kriminalität aufrecht zu erhalten, weil die Regierungen in diesen Staaten nicht rigoros gegen sie vorgehen, die für den Tod von mehr als 40.000 Menschen in der Türkei verantwortlich gemacht wird.
Verschiedene Grundsätze gegenüber der Türkei
Die gleichen EU-Mitgliedsstaaten, die eine Auslieferung von Mitgliedern der Terrororganisationen FETÖ oder PKK an die Türkei seit Jahren nicht nachgekommen sind, verlangen jetzt von der Türkei ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) umzusetzen und den ehemaligen Vorsitzenden der HDP S. Demirtaş freizulassen. Ob Ankara das Urteil des Gerichts umsetzt, sei erst einmal dahingestellt, aber die Türkei wäre nicht der erste Staat, der eine Entscheidung des EGMR nicht befolgt.
Fallbeispiel Spanien
Das folgende Beispiel soll zur besseren Veranschaulichung des Sachverhalts dienen und ist aus Spanien. Oriol Junqueras war ein katalanischer Politiker, der von 2009 bis 2012 für die separatistische Linkspartei Esquerra Republicana de Catalunya im Europäischen Parlament saß. Junqueras wurde wegen seiner Beteiligung an dem umstrittenen Unabhängigkeitsreferendum vom 1. Oktober 2017 von der spanischen Justiz angeklagt, die ihm „Aufruhr, Rebellion und die Veruntreuung öffentlicher Gelder“ vorwarf.
Am 14. Oktober 2019 wurde er von einem spanischen Gericht wegen Aufruhr und der Veruntreuung von öffentlichen Mitteln zu 13 Jahren Haft verurteilt. Nach dem Urteil nominierte seine Partei Junqueras im Dezember 2018 für die Europawahl im April 2019. Mit 3,9 Prozent gewann seine Partei 15 Sitze im Europaparlament, in dem auch Junqueras einen Sitz gewann. Der Europäische Gerichtshof entschied im Dezember 2019, dass Junqueras von den spanischen Behörden freigelassen werden müsse, weil er bereits mit der Wahl zum Europaabgeordneten parlamentarische Immunität genieße. Im Januar 2020 wies der spanische Zentrale Wahlausschuss das Urteil des Europäischen Gerichtshofs zurück, da Junqueras bereits rechtskräftig verurteilt sei und damit sein Mandat als Abgeordneter nicht antreten könne. Wenig später entschied der oberste spanische Gerichtshof, dass das Urteil des Europäischen Gerichtshofs nicht gültig sei.
Der Demagoge Demirtaş ist verantwortlich für den Tod von unschuldigen Zivilisten
Jetzt komme ich auf dem Fall Demirtaş zurück. Dieser hat in seiner Funktion als ehemaliger Vorsitzender der HDP im Gegensatz zu Junqueras tatsächlich zu Gewalt, Aufruhr und Rebellion gegen den türkischen Staat aufgerufen und ist verantwortlich für den Tod von unschuldigen Zivilisten und Sicherheitskräften. Gegen Demirtaş und 108 weitere Beschuldigte hat die Generalstaatsanwaltschaft Ankara im Zusammenhang mit den Ayn el Arap-Vorfällen eine neue Anklageschrift wegen „Verletzung der Einheit und Integrität des Staates“, „37 Morde“ und „31-fachen Mordversuchs“ vorbereitet.
Außerdem verlangt die Staatsanwaltschaft eine Bestrafung der Verdächtigen wegen der „Verbrennung der Staatsflagge“ und dem Widerstand gegen das „Gesetz zum Schutz von Atatürk“. Der Appel von verschiedenen Medien und Menschenrechtsgruppen in Deutschland, die die Freilassung von Demirtaş fordern, ist an Scheinheiligkeit und Doppelmoral kaum zu überbieten, weil sie die über 40.000 Opfer des PKK-Terrors in der Türkei mit keinem Wort erwähnen. Seit über einem Jahr sitzen kurdische Mütter vor der Parteizentrale der HDP in Diyarbakır, um ihre von der PKK verschleppten Kinder wiederzubekommen.
Kurdische Mütter verlangen die Freilassung ihrer durch die PKK verschleppten Kinder
Außer einem Pressebericht in einer bayerischen Zeitung hat bisher kein einziges deutsches Medium über diese mutigen Mütter von Diyarbakır berichtet. In Berlin demonstriert seit geraumer Zeit eine kurdische Mutter vor dem Bundeskanzleramt, um auf ihre von der PKK verschleppte Tochter aufmerksam zu machen. Wo sind all die Menschenrechtsgruppen und Parteien, die sich dieser Sache annehmen und dieser Mutter in Berlin oder in Diyarbakır helfen könnten? Stattdessen wird auf eine dreiste Art die Freilassung eines PKK-Terror-Sympathisanten wie Demirtaş gefordert. Das ist unseriös und zeigt, dass hier mit zweierlei Maß gemessen wird.
Dieser Kommentar gibt die Meinung des Autors wieder und stellt nicht zwingenderweise den Standpunkt von nex24 dar.
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