Start Politik Ausland Bergkarabach-Konflikt Kommentar: „Bei Armeniern wird der christliche Glaube hervorgehoben“

Bergkarabach-Konflikt
Kommentar: „Bei Armeniern wird der christliche Glaube hervorgehoben“

Kommentar: "Ich habe in den letzten Tagen die Berichterstattung eines großen Teils der deutschen Presse zum Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan näher durchleuchtet. Diese ist nicht nur von einer einseitigen Parteinahme zugunsten von Armenien geprägt, sondern von einer Terminologie, die mit investigativem und sachlichem Journalismus wenig gemein hat."

(Symbolfoto: pixa)
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Ein Gastbeitrag von Kemal Bölge – kboelge@web.de

Parteinahme zugunsten von Armenien

Ich habe in den letzten Tagen die Berichterstattung eines großen Teils der deutschen Presse zum Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan näher durchleuchtet. Diese ist nicht nur von einer einseitigen Parteinahme zugunsten von Armenien geprägt, sondern von einer Terminologie, die mit investigativem und sachlichem Journalismus wenig gemein hat.

Die verwendeten Begriffe werden von einem großen Teil der Medien unkritisch übernommen, so als ob eine Institution vor Kriegsbeginn die zu verwendenden Ausdrücke festgelegt hätte. Daher verwundert es kaum, wenn in den Artikeln explizit auf die religiöse Herkunft der Konfliktparteien bzw. der Länder hingewiesen wird. Auf tagesschau.de gab es am 28. September einen Artikel, in dem es heißt

„Die von Armenien kontrollierte Region Bergkarabach gehört völkerrechtlich zum islamisch geprägten Aserbaidschan.“

Ethnisch-territorialer Konflikt

Dieser Hinweis zieht sich durch die gesamte Presse. Bei den Armeniern wird der christliche Glauben hervorgehoben. Die Zeit spricht von „christlichen Armeniern, die Bergkarabach bewohnen“, auch wenn der Konflikt mit Religion wenig zu tun hat. Darauf hatte bereits der Politikwissenschaftler Asif Masimov in seinem wertvollen Beitrag hingewiesen, weil es sich in Wirklichkeit um eine ethnisch-territoriale Auseinandersetzung handelt. Durch den Hinweis auf die Religionszugehörigkeit wird eine Differenzierung der Konfliktparteien in „good and bad guys“ vorgenommen.

Fragwürdige Terminologie

Bei den Ausdrücken für den Präsidenten bzw. Ministerpräsidenten verwenden manche Medien für den aserbaidschanischen Präsidenten Ilham Alijew den Terminus „Diktator“, obwohl dieser durch demokratische Wahlen vom Volk bestimmt wurde, während hingegen die Legitimität von Nikol Paschinyan in Armenien über jeden Zweifel erhaben zu sein scheint.

Auch hier wird dem Leser suggeriert, dass der aserbaidschanische Präsident unrechtmäßig regieren würde und der armenische Ministerpräsident vom Volk durch freie Wahlen bestimmt worden sei.

Ein anderes Beispiel sind die Bezeichnungen für die Städtenamen, die sich seit fast 30 Jahren unter armenischer Besatzung befinden. Exemplarisch sei hier die Stadt Hankendi erwähnt, die Hauptstadt von Bergkarabach. Der Spiegel, tagesschau.de und andere Medien finden nichts dabei, den von der Invasionsmacht Armenien verwendeten Städtenamen Stepanakert zu verwenden. Das ist wahrlich kein Ruhmesblatt, was die etablierten Medien bei der Berichterstattung bisher geleistet haben.

Minsker-Gruppe und der Status quo

Ein anderer Aspekt ist die illegale Besetzung aserbaidschanischen Territoriums seit fast 30 Jahren. Es wird so getan, als ob sich die beiden Konfliktparteien nur wegen der Besetzung Bergkarabachs bekämpfen. Das Armenien neben Bergkarabach weitere 20 Prozent aserbaidschanisches Staatsterritorium rechtswidrig besetzt hält, wird nur am Rande erwähnt. Jetzt fordern die USA, Russland, Frankreich und andere Staaten eine sofortige Waffenruhe, also ausgerechnet jene Staaten, die in den letzten 27 Jahren als Minsker Gruppe eine Lösung für den Konflikt aushandeln sollten, fordern jetzt eine Feuerpause.

Diese Staaten waren es, die als Minsker-Gruppe der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) in den letzten drei Jahrzehnten eine geradezu meisterhafte Leistung darin erbracht haben, Armenien den Rücken zu stärken, um den Status quo, also die rechtswidrige Besetzung aserbaidschanischen Territoriums zu zementieren.

Eine Feuerpause zum jetzigen Zeitpunkt würde Armenien nützen

Eine Feuerpause würde Armenien einen Vorteil verschaffen, weil es nach wie vor aserbaidschanische Gebiete besetzt hält und nicht bereit ist, diese zurückzugeben. Es ist eine Ironie der Geschichte, wenn ausgerechnet jetzt von den erwähnten Staaten und von sogenannten Experten eine Feuerpause gefordert wird, aber eine Million Aserbaidschaner, die vor 30 Jahren von den Armeniern aus ihrer Heimat für immer vertrieben wurden, finden nirgendwo Erwähnung. Haben diese Kriegsflüchtlinge es nicht verdient, in ihre Heimat wieder zurückzukehren?

Was ebenfalls keine Erwähnung in der Berichterstattung findet, ist der Beschuss von aserbaidschanischen Siedlungen durch armenische Einheiten, bei dem viele Zivilisten ihr Leben verloren haben. Stattdessen wird der Beschuss von armenischen Zivilisten durch die aserbaidschanische Armee behauptet, aber ein Beweis dafür wird nicht vorgelegt.

Ferner wird in der Presse behauptet, die Türkei habe „syrische Kämpfer“ nach Aserbaidschan entsendet, um dort die aserbaidschanische Armee zu unterstützen. Auch für diese Behauptung existieren keine Beweise. Einmal abgesehen vom Wahrheitsgehalt derartiger Anschuldigen, soll mit dieser Bezichtigung ein anderer Sachverhalt möglichst nicht thematisiert werden. Nach Medienberichten sollen die USA über 300 Terroristen der YPG/PKK aus den besetzten Gebieten Nordwestsyriens nach Bergkarabach transportiert haben, um Armenien bei der Verteidigung der besetzten Gebiete zu unterstützen.

Propaganda gegen Aserbaidschan

In der Presse war heute eine Nachricht, wonach der armenische Ministerpräsident vor einem „zweiten Syrien“ gewarnt hätte, und bezog sich auf den angeblichen Einsatz von Söldnern auf aserbaidschanischer Seite. Diese Warnung ist abwegig, weil Armenien selbst bei diesem Konflikt der Aggressor ist und seit dreißig Jahren aserbaidschanisches Territorium besetzt hält und bei der damaligen Invasion von aserbaidschanischem Boden auf die Unterstützung von kampferprobten Söldnern aus dem Libanon zurückgriff. Der armenische Außenminister Mnatsakanyan war mehrere Wochen vor Beginn des eskalierten Konflikts zu einem Besuch in der ägyptischen Hauptstadt Kairo. 

Interessanterweise hatte dieser vor Ort, bevor die Auseinandersetzungen wieder aufflammten, von der Verlegung von „syrischen Kämpfern“ nach Aserbaidschan berichtet. Wie bereits dargelegt, sollen sich nach Presseberichten mehrere Hundert Terroristen der YPG/PKK in Bergkarabach befinden, um auf armenischer Seite gegen Aserbaidschan Krieg zu führen. Im Syrienkrieg befanden sich aufseiten der Terroristen der YPG/PKK armenische Milizen, die bei den Massakern und ethnischen Vertreibungen gegen die einheimische Bevölkerung aus Arabern, Turkmenen und oppositionellen Kurden mitwirkten. Auch dieser Sachverhalt wird in großen Teilen der Medien leider nicht thematisiert.

Iran ist Verbündeter Armeniens

Ein weiterer Verbündeter Armeniens ist der Iran. Auch wenn Teheran es offiziell nicht zugibt, existieren laut Presseberichten Beweise, dass der Iran über den Landweg Eriwan mit Waffen und militärischen Gerätschaften versorgt. Zu Beginn der 1990er-Jahre, als der Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan ausbrach, unterstützte Teheran die Armenier mit Waffen und Ausrüstung.

In den sozialen Medien waren vor einigen Tagen Bilder zu sehen, die einen ellenlangen Konvoi aus Militärtankern im Iran zeigten und tonnenweise Dieselkraftstoff nach Armenien transportiert haben sollen. Die Lieferungen wurden vermutlich während der Nacht durchgeführt. Im Iran leben nach Angaben von Experten zwischen 25-35 Millionen Iraner mit aserbaidschanisch-türkischen Wurzeln.

Bevor ein Waffenstillstand überhaupt vereinbart werden sollte, wie Präsident Alijew es betont hatte, muss sich Armenien vollständig und ohne Kompromisse aus dem besetzten Gebieten Aserbaidschans zurückziehen.


Dieser Kommentar gibt die Meinung des Autors wieder und stellt nicht zwingenderweise den Standpunkt von nex24 dar.


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