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Bergkarabach-Konflikt
Kommentar: Ein Türkei-Armenier ist nicht für die Haltung der armenischen Regierung verantwortlich

Kommentar: Umso mehr muss man hier unterstreichen, dass trotz dieser schwierigen Situation in der Region die Türken den Unterschied zwischen Armeniern in der Türkei und Armeniern in Armenien kennen. Wohl deshalb gibt es auch in sozialen Medien sofort eine Rüge, wenn ein Armenier in der Türkei wegen seiner Abstammung angefeindet wird. Einen aggressiven Ton pflegt man nicht auf dem Rücken von Minderheiten, nur weil sie vom selben Volk abstammen.

Erzbischof Aram Ateşyan ist der Stellvertretende armenische Patriarch von Konstantinopel und amtierendes Oberhaupt der armenisch-apostolischen Kirche in der Türkei. (Archivfoto: tccb)
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Ein Gastbeitrag von Nabi Yücel

Der Konflikt um die Region Bergkarabach spitzt sich zwischen Armenien und Aserbaidschan zu. Aserbaidschan hat angekündigt, sich auf ganzer Front zu verteidigen. Armeniens Ministerpräsident Nikol Pashinyan rief zuletzt in einem Twitter-Beitrag seine Landsleute auf, sich zu vereinen und die Geschichte, die Heimat und die Identität Armeniens zu verteidigen.

(Screenshot/Twitter)

Bergkarabach heißt nach armenischer Lesart „Arzach“. Ein Begriff, der aus vorchristlicher Zeit stammen soll und womit seit 1991 eine Region, die völkerrechtlich zu Aserbaidschan gehört, bezeichnet wird. Ein Begriff also, der nach völkerrechtlichen Aspekten gar nicht existiert, aber mit militärischen Mitteln erreicht werden will. Daran ändert auch die Vorgeschichte zu dieser Region nichts und ob die Region mehrheitlich von diesen oder jenen bewohnt wurde.

1991 wurde Bergkarabach mit Hilfe armenischer und russischer Truppen, mit mörderischen Mitteln gegen die Zivilbevölkerung, von Aserbaidschan schlichtweg gespalten und annektiert. Im Schatten des Jugoslawien-Krieges verübten die sogenannten „Proarmenischen Rebellen“ Gräueltaten an der aserbaidschanischen Bevölkerung von Bergkarabach und vertrieben dabei wohlkalkuliert über eine Million Zivilisten in das aserbaidschanische Mutterland.

Trotz mehrerer Resolutionen der Vereinten Nationen, besetzt Armenien die Region Bergkarabach und mehrere weitere aserbaidschanische Distrikte weiterhin. Seither gab es weder mit internationalen Dialog-Aufforderungen, noch unter der OSZE mit der Minsker-Gruppe, Fortschritte in diesem Konflikt. Die Vertreter kamen und gingen, betteten sich in noblen Hotels, genossen die Spezialitäten des Hauses und gingen dann unverrichteter Dinge; seit 30 Jahren wird das so gehandhabt. Der jüngste Ausbruch des Konflikt war also vorprogrammiert.

Unter diesem Aspekt, haben aus irgend einem unerfindlichen Grund, manche Oppositionelle in der Türkei aber den Schneid, sich für den Dialog zwischen Aserbaidschan sowie Armenien einzusetzen, dabei aber – und das unterstreiche ich hier mal – der Türkei die Hosen runterzuziehen. Zuerst war es die „linke“ Hand des Vorsitzenden der Republikaner Kemal Kılıçdaroğlu (CHP), Ünal Çeviköz, der ein Gerücht weiterverbreitete, wonach die Türkei „dschihadisdische Gruppen“ nach Aserbaidschan geschleust habe, damit diese jetzt gegen Armenien eingesetzt werden. Wer diesen Stuss verzapft hat, steht noch im Raum.

Ich habe bewusst „linke Hand“ geschrieben, weil dieser Ünal Çeviköz sich als Berater wie ein Elefant im Porzellanladen verhält und damit alle sechs Pfeile auf dem Parteilogo der CHP auf einmal zerbricht. Übrigens glaube ich inzwischen felsenfest daran, dass die CHP als größte Oppositionspartei, der amtierenden Regierung unter der AK-Partei und der MHP zuarbeitet; wenn auch unter merkwürdigen Umständen. Denn, es gibt garantiert und weltweit keine andere Opposition, die so gegen das eigene Land opponiert, wie es in Teilen der CHP zu erleben ist, aber kleinlaut die gleichen Werte verteidigt, die schon immer im Parteiprogramm standen und sich im weitesten Sinne mit der Linie der amtierenden Regierung decken.

Es gibt aber auch türkische Aktivisten, die sich für einen falsch verstandenen Dialog einsetzen. Rober Koptaş, Geschichtswissenschaftler armenischer Abstammung, twittert, wie in der Türkei Feindschaften gegenüber anderen Völkern gepflegt werde, um dann im Umkehrschluss Aserbaidschan als Aggressor dastehen zu lassen. Ich habe mir seine „Streitschrift“ auf Twitter mehrmal durchgelesen. Nichts anderes geht aus seiner ellenlangen Tweet-Sammlung hervor. Und dann tritt Can Dündar, der nächste Aktivist auf den Plan und teilt diesen aberwitzigen Tweet, um den Türken bzw. der Regierung Völkerfeindschaft zu unterstellen. Beide haben offenbar das Interview von Hrant Dink nicht gesehen, wo er von zwei kranken Völkern sprach; wobei ich anmerken will, dass die eine krankhaft kranker ist, als die andere.

Dann betritt als nächste türkische „Opposition“ die DEVA die Bühne, um in diesem Zusammenhang über Dialog und Frieden zu schwadronieren. Als ob Armenien bzw. die Proarmenischen Rebellen mit Dialog Bergkarabach und weitere knapp 20 Prozent aserbaidschanischen Territoriums zugeschanzt bzw. ausgeliehen bekommen hätten, um sie jetzt mit Gerede wieder zurückzubekommen.

Es gibt wohl nur ein einziges Land, wo Teile der Opposition so ticken: die Türkei! Aber ich muss hier auch betonen, dass es noch ein Schimmer Hoffnung gibt; der CHP-Dauernörgler Özgür Özer brach seine eigene Tradition und stellte sich demonstrativ hinter der Haltung der türkischen Regierung. Ein nicht alltäglicher Zustand…

(Screenshot/Twitter)

Seit 1991 hat Aserbaidschan, hat die Türkei, haben die Vereinten Nationen Armenien allzu oft aufgefordert, die besetzten Gebiete zu räumen, dem sie aber bislang nicht nachgekommen ist. Nach knapp 30 Jahren kann man sich weitere 30 Jahre den Mund fusselig reden, es wird sich daran nichts ändern.

Ändern deshalb nicht, weil Karekin II. Nersissiander, der amtierende oberste Patriarch und Katholikos aller Armenier aktuell die Armenier darin bestärkt hat, sich mit dem Kreuz zu verteidigen. Es wird sich nichts ändern, weil die Geistlichen von Karekin II. mit Kalschnikow posieren und zum heiligen Kampf aufrufen, um dann über das armenische Außenministerium zur Schau gestellt zu werden. Es wird sich deshalb nichts ändern, weil der amtierende armenische Ministerpräsident Nikol Pashinyan, um jeden Preis die Freiheit und Unabhängigkeit schützen will und seine Ehefrau Anna im Schützengraben in Richtung Aserbaidschan mit Kalaschnikow posiert. Wohlgemerkt, um sich für die weitere Besetzung eines fremden Staatsgebiets einzusetzen.

(Screenshot)

Armenien ist ein fanatisches und krankhaft krankes Land, dermaßen, dass die armenische Regierung offenbar jetzt einen Eilantrag beim EGMR angemeldet hat, um Aserbaidschan wegen Bergkarabach als „Aggressor“ zu stoppen. Um es deutlich zu machen: ein Dieb versucht, sein Diebesgut vor Gericht zu erstreiten bzw. gegen den Besitzer anzuschwärzen; etwas, was Armenien seit einem Jahrhundert gut beherrscht und von Europa darin auch noch bestärkt wird.

Der türkische Historiker Murat Belge hatte hierzu eine Anekdote aus dem Jahre 2005 in einem Hotel in Eriwan parat, wo er an einem Symposium zum Jahrestag des sogenannten „Völkermords“ teilnehmen wollte. Er, Hrant Dink und ja, auch Taner Akcam als Befürworter der sogenannten „Völkermord“-These, saßen gemütlich am Tisch, als ein Armenier plötzlich von hinten auf ihn zukam und ein Glas Wein über ihn kippte. Klar war es im nachhinein ein „Verrückter“, der ausgerechnet zwischen drei türkischen Staatsbürgern den einzigen erwischt, der die armenische These nicht gänzlich teilt. Aber Murat Belge nahm es mit Humor auf; er sei mit armenischem Wein gesegnet worden, schrieb er ihm nachhinein in einem Artikel der Radikal.

Auch der verstorbene Journalist Mehmet Ali Birand musste das hautnah erleben, wie die Armenier in Armenien wirklich ticken.

In Zeiten, wo Dialog-Befürworter in der Türkei armenische Gänseblümchen verteilten, um die Beziehungen mit Armenien zu normalisieren, traf Birand in Eriwan keinen einzigen armenischen Studenten, keine einzige armenische Studentin, die auch nur ansatzweise türkische Verhältnisse widergespiegelt hätten. Birand dachte wohl, er fände in Eriwan in Zeiten der in der Türkei propagierten Annäherung, auch in Armenien türkische Verhältnisse vor.

Birands Frage, ob man mit Türken Freundschaften knüpfen, die Normalisierung befürworten würde, blieb in der größten armenischen Universität des Landes ausnahmslos negativ – im Gegensatz zu angehenden türkischen Akademikern, die viel lieber heute als morgen in Eriwans Einkaufsmeilen flanieren würden. Keiner dieser angehenden armenischen Akademiker, keine Akademikerin Armeniens, wollte positives darin erkennen, sich mit Türken und Türkinnen einzulassen.

Umso mehr muss man hier unterstreichen, dass trotz dieser schwierigen Situation in der Region die Türken den Unterschied zwischen Armeniern in der Türkei und Armeniern in Armenien kennen. Wohl deshalb gibt es auch in sozialen Medien sofort eine Rüge, wenn ein Armenier in der Türkei wegen seiner Abstammung angefeindet wird. Einen aggressiven Ton pflegt man nicht auf dem Rücken von Minderheiten, nur weil sie vom selben Volk abstammen. Man unterscheidet und kann zwischen Recht und Unrecht unterscheiden. Ein Armenier in der Türkei ist nicht für die Haltung der armenischen Regierung oder armenischen Bevölkerung in Armenien haftbar zu machen; auch dann nicht, wenn er sich in der Meinung hierzu zurückhält oder seine Meinung – wie Rober Koptaş – frei äußert. Genau das ist ein himmelweiter Unterschied zwischen der Türkei und Armenien, den man hervorheben muss.

Und wie betrachtet man in Deutschland den Konflikt? Die Mainstream-Medien haben bereits den „islamisch geprägten“ Aggressor ausgemacht und entsprechend wird die armenische Lesart übernommen.

Die islamisch geprägte Republik Aserbaidschan fordert die Rückgabe der ausschließlich von Karabach-Armeniern bewohnten Region.

Auch wenn die Vertreter dieser Medien die armenische Propaganda teilen, so ist ihre Verwunderung über die Einheit in der Türkei kaum zu übersehen. Dabei hat man diesen des Öfteren ausführlich erklärt, wo die Türkei an einem Strang zieht und wo es Differenzen gibt. Wer es nicht verstehen will, muss es dann eben selbst erlebt haben:

Martin Glasenapp zeigt sich verwundert und ist geradezu empört über die CHP bzw. konkret gesagt, dessen Mitglied und ehemaligen Präsidentenanwärter Muharrem Ince, der es gewagt hat, sich auf die Seite der Aserbaidschaner zu schlagen; und damit der amtierenden türkischen Regierung den Rücken zu stärken. Den Oppositionellen Özgür Özel kennt Glasenapp aber offenbar nicht!?

Ins gleiche Horn bläst sein ideologischer Genosse Frank Nordhausen, der sich über das „unausrottbare türkische Nationalismus“ der „Kemalisten“ echauffiert. Diese Mainstream-Genossen haben aber keine Bedenken, wenn sie völkisch-kurdischen Nationalismus propagieren oder armenischen Nationalismus samt ihrem Terror oder völkerrechtswidrigen Vergehen negieren.

Und die Haustürken der Nation? Die üben sich in Zurückhaltung und Schweigen zum Thema. Der größte „Kemalist“, Prof. Burak Copur, hat keinen einzigen Tweet zum aktuellen Konflikt abgesetzt; wie auch andere Haustürken wie Ünsal Arik, obwohl dieses dringliche Thema für Sie als Kritik gegen die türkische Regierung wie gerufen kommt. Sie haben offenbar Angst, dem anschließenden Shitstorm – Pogrom, wie es Dieter Nuhr salopp formulierte – zum Opfer zu fallen. Wohlgemerkt, dem Shitstorm ihrer eigenen Fangemeinde. Diese Burschen beherrschen eben die Taqīya besser als jeder radikale Religiöse….


Dieser Kommentar gibt die Meinung des Autors wieder und stellt nicht zwingenderweise den Standpunkt von nex24 dar.


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