Bonn – Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, warnt vor einer Verharmlosung von Rassismus in Deutschland.
Terroristische Anschläge wie die in Hanau seien keine Bagatellen, sondern „Gewalt in Sprache, die sich – wenn es nicht einen Ruck gibt in der Gesellschaft – dann auch Bahn bricht als physische Gewalt, mit Waffen oder dem Tod“, sagte Mazyek im phoenix-Interview.
„Was in Hanau passiert ist, ist leider die Spitze des Eisbergs nach einer so langen Zeit, aber auch der Untätigkeit und teilweise auch der Verharmlosung“, so Mazyek. Er appellierte, Rassismus offensiv zu bekämpfen. Das sei „die beste Art und Weise, den Extremisten, Nationalisten und Faschisten den Nährboden zu entziehen“.
Als konkrete Maßnahme zur Eindämmung von Rassismus forderte Mazyek, eine Enquête-Kommission im Bundestag zu konstituieren, „die klar versucht, antimuslimischen Rassismus in unserem Land zu erfassen“ sowie einen Beauftragten gegen Muslimfeindlichkeit. Gleichzeitig müsse die Zivilgesellschaft gestärkt werden.
„Wir brauchen viel mehr Empowerment für Zivilgesellschaften, wir müssen ihr tagtäglich alles geben, damit unsere Demokratie erhalten wird, damit sie stabilisiert wird.“ Viele Muslime seien dort aktiv und „sie müssen fühlen, dass sie Teil der Gesellschaft sind.“
Mazyek appellierte an die Politik, die Schutzmaßnahmen zu erhöhen. „Es kann nicht sein, dass es Moscheen gibt, die schon mehrfach Ausgangspunkt von Anschlägen waren, und die Sicherheitsbehörden sagen: Das ist eine abstrakte Gefahr, wir können keine weiteren Schutzmaßnahmen vornehmen. Das geht nicht.“
Er begrüße daher die Vorschläge von NRW-innenminister Herbert Reul, die 900 Moscheen in Deutschland zum Freitagsgebet zu sichern. Das sei ein wichtiges Zeichen. Letztendlich gehe es nicht um die Stärkung einzelner Minderheiten und Gruppen, sondern „um die Stärkung unserer Demokratie, unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung“.
Ein 43-jähriger Deutscher hatte am Mittwoch Abend bei einem mutmaßlich rechtsradikalen und rassistischen Anschlag an mindestens vier verschiedenen Tatorten im hessischen Hanau, zehn Menschen und sich selbst erschossen.
Medienberichten zufolge hatten neun der Todesopfer einen Migrationshintergrund und vier der fünf Verletzten ausländische Wurzeln. Laut einer Mitteilung der türkischen Botschaft in Berlin, waren fünf der Todesopfer türkische Staatsangehörige.
Wie die „Bild“ berichtet, soll sich unter den Opfern auch eine zweifache Mutter befinden, die zum Tatzeitpunkt schwanger war.