Köln (nex) – Ein neuer Skandal erschüttert die Automobilindustrie. Das Nachrichtenmagazin Spiegel berichtet in seiner Freitag-Ausgabe über das wahrscheinlich größte existierende Kartell der Geschichte.
Der Meldung zufolge sollen die fünf größten deutschen Autobauer, VW, BMW, Mercedes, Porsche und Audi über zwei Jahrzehnte hinweg geheime Absprachen über Technik, Preise für Bauteile und Auswahl der Zulieferer getroffen haben. Im Rahmen des Kartells wurden auch die Grundlagen für den aktuellen Diesel-Abgasskandal gelegt.
Nachdem die Ermittlungen der Kartellbehörden immer mehr Hinweise auf die illegalen Wettbewerbsverstöße ans Tageslicht brachten, erstattete VW beim Bundeskartellamt eine Selbstanzeige. Diesem Beispiel ist auch Daimler gefolgt. Durch Offenlegung versprechen sich die Hersteller geringere Strafzahlungen. Diese dürften in Anbetracht der langen Dauer des Kartells sogar höher ausfallen als im aktuellen LKW-Kartell. Dort hatte die EU-Kommission Geldbußen in Höhe von insgesamt 2,93 Milliarden Euro verhängt.
Doch was bedeutet das Kartell für die Endkunden?
Rechtsanwalt Ilja Ruvinskij von der Kraus Ghendler Ruvinskij Anwaltskanzlei sieht eine Klagewelle auf die Autobauer zukommen: „Die Folgen des Kartells könnten die Ausmaße des Abgasskandals in den Schatten stellen. Denn hier sind bei weitem nicht nur Dieselfahrzeuge betroffen. Natürlich muss man das Ergebnis der Ermittlungen abwarten, aber potentiell könnte jeder Autokäufer durch das Kartell einen Schaden erlitten haben. Denn eins ist klar: Wettbewerbsverstöße gehen immer zu Lasten der Endkunden.“
Wie hoch wäre der Schadenersatz?
Der Schadenersatzanspruch würde die Differenz vom Preis ohne Kartell im Verhältnis zum Preis mit Kartell betragen. Jeder Autokäufer der betroffenen Autohersteller könnte diese Differenz verlangen.
Wie schwierig wäre die Durchsetzung dieser Ansprüche?
Große Hoffnungen setzt der Partner der bundesweit tätigen Kanzlei, die gegenwärtig im Rahmen des LKW-Kartells mehrere Dutzend Speditionen vertritt, in die erst im Juni 2017 in Kraft getretene 9. Novelle des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb. Mit der Novelle wurde die private Rechtsdurchsetzung erheblich gestärkt. Einer der zentralen Punkte des neuen Gesetzes ist die Aufnahme einer (widerleglichen) Vermutung, wonach ein Kartellverstoß auch zum Schaden führt. Darüber hinaus wurden sowohl die Einsicht in die Ermittlungsakten als auch die Beweisführung für die Betroffenen erleichtert. Außerdem hat der Gesetzgeber die Gerichte mit der Befugnis ausgestattet, den entstandenen Schaden zu schätzen. Schließlich sind die bisherigen Verjährungsfristen von drei auf fünf Jahre verlängert worden.
Rechtsanwalt Ruvinskij meint: „Das Gesetz ist natürlich noch sehr frisch. Man muss schauen, wie sich die Neuerungen auf dem Papier in der Praxis auswirken. In gehe aber davon aus, dass sich jetzt etwas tun wird. Die Absicht des Gesetzgebers, private Schadensersatzklagen zu erleichtern, ist in jedem Fall zu begrüßen.“
Welche weiteren rechtlichen Möglichkeiten haben die Autokäufer?
Die Beteiligung von VW, BMW, Mercedes & Co. an dem Kartell kommt den Rechtsanwälten nicht ungelegen. Die Kanzlei befasst sich derzeit mit der Aufarbeitung des Abgasskandals und vertritt Kunden sowohl bei der Durchsetzung der Schäden aus dem Abgasskandal sowie dem Widerruf von KFZ-Krediten aufgrund fehlerhafter Widerrufsinformationen.
„Dass unsere Mandanten auch durch das Kartell geschädigt wurden, bietet uns zusätzliche Munition“, so Ruvinskij, „kaum ein Richter wird nun Sympathien für die beteiligten Autobauern hegen. Das hilft unseren Mandanten. Auch werden außergerichtliche Lösungen viel wahrscheinlicher.“
Das gesamte Ausmaß des Kartells wird sich erst in den nächsten Monaten zeigen. Die wirtschaftlichen Schäden könnten die Folgen des Diesel-Abgasskandals weit übertreffen. Schon jetzt steht fest: die illegalen Absprachen haben das Image der Automobilindustrie gewaltig ramponiert. Das ohnehin erschütterte Vertrauen der Kunden werden die Traditionsunternehmen nicht mehr so einfach wiedergewinnen können.