Stuttgart (nex) – Der Leiter der Diakonie Katastrophenhilfe, Martin Kessler, übt angesichts der Flüchtlingskatastrophe in Syrien und dem Irak massive Kritik an der Politik.
„Ich befürchte, dass wir uns sehenden Auges in den nächsten Genozid hinein bewegen“, sagte er im Interview der „Stuttgarter Zeitung“ und der „Stuttgarter Nachrichten“.
Er fühle sich sehr stark an den Balkan erinnert. „Denn wir erleben eine Reihe von Kesselschlachten in Aleppo und Mossul – in Idlib wird Ähnliches folgen“, so Kessler. 20 Jahre nach dem Massaker von Srebrenica habe die Politik es nicht vermocht, Instrumente zu schaffen, die so etwas verhindern.
Die Sicherheitsarchitektur der Vereinten Nationen biete nur begrenzte Möglichkeiten. Es mache ihn immer wieder wütend, hilflos zuschauen zu müssen. „Als humanitäre Hilfsorganisation sind wir einem System ausgeliefert, das offensichtlich nicht funktioniert.“
Etwa 60 syrische Hilfsorganisationen haben unlängst ihre Aktivitäten aus Protest niedergelegt. „Dies ist ein Ausdruck der Hilflosigkeit, dass ihnen die Hände gebunden sind“, sagte Kessler. „Und es ist ein politisches Zeichen zu sagen: Wenn ihr euch nicht an den Verhandlungstisch setzt, stellen wir die humanitäre Hilfe ein.“
Aus der umkämpften IS-Hochburg Mossul werden bis zu einer Million Flüchtlinge erwartet. „Das ist ein langsamer Fluss“, sagte Kessler. 70 000 Menschen seien schon in Camps untergebracht. „Ich befürchte, dass es bei einem weiteren Vordringen in IS-Bereiche mit den Menschen aus Mossul nicht so eine solidarische Bewegung des Westens geben wird wie im Falle Aleppo.“
Die Spendenbereitschaft für syrische Flüchtlinge sei in Deutschland „nicht so schlecht“, betonte er. „Die Solidarität ist da durchaus zu erkennen.“