Deutschland ragt positiv aus der „Festung Europa“ heraus
Brüssel (nex) – Selbst politische Führer der Europäischen Union konnten kaum anders als es offen einzuräumen: Die EU hat im Angesicht der menschlichen Tragödien an ihren Grenzen kläglich versagt. Mittlerweile geht die Zahl derjenigen unter den Millionen Menschen, die vor Krieg, Unterdrückung und Elend fliehen, die ihre Flucht mit dem Leben bezahlt haben, in die Tausend. Trotzdem steigen die Zahlen weiter an und das, obwohl sie in Europa ein ungastlicher Empfang erwartet: Stacheldraht, Hunger, verdreckte Unterkünfte, rassistische Ausschreitungen und Gastgeberländer, die sich lieber darauf konzentrieren, einander die Schuld an der Misere zuzuschreiben, als nach Möglichkeiten zu suchen, gemeinsam zu helfen.
Deutschland ragt immerhin dadurch in positiver Weise heraus, dass man sich dort bereits darauf eingestellt hat, etwa 800 000 neue Flüchtlinge zu beherbergen, das Vierfache des Vorjahres. Berlin hat auch damit aufgehört, Asylbewerber auf der Grundlage der umstrittenen Dublin-Regeln der EU abzuschieben, deren Ziel es war, Einwanderer vor der Stellung ihres Asylantrages in ihrer Mobilität einzuschränken. Deutschland hat Anfang der Woche in einem bislang ungekannten Schritt erklärt, dass man jedem Flüchtling, der nach Deutschland kommt, vorerst ein Bleiberecht einräumen wird.
Experten empfehlen anderen Ländern, dem deutschen Beispiel zu folgen. In vielen EU-Ländern bestimmt aber immer noch das Ressentiment die politische Praxis. Sogar Mainstream-Politiker erklären, die Einwanderer würden „nicht hineinpassen“, so etwa im August der britische Außenminister Philip Hammond. Dieser behauptete, die Einwanderer würden den Kollaps der sozialen Ordnung in Europa beschleunigen. Tatsächlich sind 2015 bis dato ganze 200 000 Flüchtlinge in die EU gekommen, was gerade einmal 0,027 Prozent der europäischen Gesamtbevölkerung von 740 Millionen ausmacht.
Zum Vergleich: Die Türkei beherbergt – in Flüchtlingslagern, die von der UNO als vorbildlich ausgestattet und sauber gewürdigt werden – bei einer Bevölkerungszahl von knapp über 70 Millionen Menschen mittlerweile zwei Millionen Flüchtlinge aus Syrien. Die Einwanderer, die im Regelfall nicht die Möglichkeit haben, sich mit größeren Geldmitteln ausgestattet und unter Einhaltung der Einreisebestimmungen auf dem legalen Weg nach Europa zu begeben, sind dazu gezwungen, extrem gefährliche Wege der Einreise wie die Flucht über das Meer oder –wie jüngst in Österreich angesichts des Unglücks von Parndorf wieder in den Fokus der Öffentlichkeit getreten – als blinde Passagiere in Lkws zu suchen.
Während die meisten europäischen Staaten und die EU-Verantwortlichen in Brüssel im Regelfall vor den Toten an ihren Grenzen die Augen verschließen, fand etwa am Dienstag in einer nicht genannten Stadt in Deutschland ein feierlicher Empfang für Flüchtlinge statt, die den beschwerlichen Weg über die Meere gewählt und die Flucht überlebt hatten. „Die Welt schaut auf uns“, erklärte die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel nach dem Treffen mit den politisch Verantwortlichen der Balkanländer in Wien. „Als reicher Kontinent können wir, und davon bin ich fest überzeugt, die Probleme lösen.“ Deutschland hatte bereits mehrfach andere EU-Länder dafür kritisiert, dass diese die Dublin-Regeln als Vorwand missbrauchen würden, um Flüchtlingen die Einreise in ihr Land zu verweigern.
Deutschland hat mittlerweile die finanzielle Unterstützung für kommunale Verantwortliche hinsichtlich der Unterbringung von Flüchtlingen auf eine Milliarde Euro verdoppelt und widmet nicht nur vermehrt frühere Bundeswehrkasernen zu Flüchtlingslagern um, sondern errichtet auch Apartments aus früheren Schiffscontainern, um beispielsweise 2400 Menschen im Umland von Berlin unterzubringen. Dabei soll es sogar Einzelzimmer mit geteilten Küchen und Sanitärräumlichkeiten in jeder Etage geben. Auch neue Zeltstädte wurden errichtet. Das früher als für Einwanderer als offen geltende Großbritannien hingegen hat im gesamten Jahr 2014 nur 25 870 Asylsuchende aufgenommen und lediglich 10 050 von ihnen Asyl gewährt.