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Länder-Grüne: Balkanstaaten keine sicheren Herkunftsländer

Bei den Grünen in den Bundesländern bildet sich eine breite Ablehnungsfront gegen die Bereitschaft des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne), weitere Balkanstaaten als sichere Herkunftsländer einzustufen und somit Abschiebungen zu beschleunigen.

Sven Lehmann und Mona Neubaur: "Als Grüne lehnen wir die Regelung der sogenannten `sicheren Herkunftsländer` ab. Das Recht auf Asyl ist ein Grundrecht, und in Deutschland muss jeder Asylbewerber die Chance auf ein faires Verfahren erhalten", sagten Lehmann und Neubaur der "Welt". (Foto: dts)
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Berlin (dts) – Bei den Grünen in den Bundesländern bildet sich eine breite Ablehnungsfront gegen die Bereitschaft des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne), unter Umständen weitere Balkanstaaten als sichere Herkunftsländer einzustufen und somit Abschiebungen zu beschleunigen. Damit schwinden die Chancen, dass eine Aufnahme Albaniens, Montenegros und des Kosovos in die Reihe sicherer Herkunftsstaaten im Bundesrat eine Mehrheit bekäme. „Wir lehnen das Konstrukt `sichere Herkunftsstaaten` als diskriminierend ab“, sagte der rheinland-pfälzische Grünen-Fraktionschef Daniel Köbler der „Welt“.

„Das Asylrecht ist ein individuelles Menschenrecht. Und dieses Grundrecht kann nicht einfach für ganze Gruppen abgeschafft werden.“ Ähnlich äußerten sich die beiden Landesvorsitzenden der nordrhein-westfälischen Grünen, Sven Lehmann und Mona Neubaur: „Als Grüne lehnen wir die Regelung der sogenannten `sicheren Herkunftsländer` ab. Das Recht auf Asyl ist ein Grundrecht, und in Deutschland muss jeder Asylbewerber die Chance auf ein faires Verfahren erhalten“, sagten Lehmann und Neubaur der „Welt“. Dem schloss sich der Vize-Landeschef der Hamburger Grünen, Michael Gwosdz, an. „Die Debatte über so genannte `sichere Herkunftsländer` bringt nichts, die Menschen kommen trotzdem zu uns“, sagte Gwosdz der „Welt“. „Anstatt die Grenzen für sie dicht zu machen, sollten wir lieber die Arbeitnehmerfreizügigkeit ausweiten und den Menschen die Chance geben, zu uns zu kommen und sich hier eine Existenz aufzubauen.“

Ein Sprecher der hessischen Grünen verwies gegenüber der „Welt“ darauf, dass Hessen im September 2014 Baden-Württemberg schon nicht darin gefolgt    sei, Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina als sichere Herkunftsstaaten einzustufen. Hessen, so der Sprecher, „hat dem so genannten Asylkompromiss, der unter anderem die Ausweitung der sicheren Herkunftsstaaten enthielt, im Bundesrat nicht zugestimmt. Einen neuen Diskussionsstand gibt es dazu nicht.“ Auch die Vorsitzende der Grünen, Simone Peter, hat sich gegen Bestrebungen gewandt, nach Bosnien-Herzegowina, Mazedonien und Serbien weitere Balkanstaaten zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären. „Das Instrument der sogenannten sicheren Herkunftsstaaten hat sich als nicht zielführend erwiesen“, sagte Peter der „Frankfurter Rundschau“ (Mittwoch-Ausgabe). „Die Zahl der Asylsuchenden aus den Staaten Serbien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien ist nicht relevant zurückgegangen, der vor allem von der Union gewünschte Abschreckungseffekt ist also nicht eingetreten.

Damit macht auch eine Ausweitung dieses Instruments keinen Sinn.“ So habe Rheinland-Pfalz zeigen können, dass die Kombination aus schnelleren Verfahren und Aufklärung im Rahmen einer Rückführungsberatung zu sinkenden Zugangszahlen aus dem Kosovo geführt habe. Die Grünen-Chefin fügte hinzu, statt über Asylmissbrauch, Abschiebezentren und Streichung von Taschengeld zu schwadronieren, solle die Union dazu beitragen, dass der Bund mehr Mittel für die Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen bereitstelle, diese gesundheitlich besser versorgt würden und leichter arbeiten könnten. Der innenpolitische Sprecher der grünen Bundestagsfraktion, Volker Beck, erklärte der „Frankfurter Rundschau“: „Von einer Erweiterung der Liste sicherer Herkunftsstaaten halte ich gar nichts.“ So sei die Zahl der Asylbewerber aus dem Kosovo in der ersten Jahreshälfte drastisch gesunken – und zwar aufgrund einer Aufklärungskampagne der Regierung.

Gleichzeitig verharre die Zahl der Asylanträge von Serben auf einem hohen Niveau, obwohl es 2014 zu einem sicheren Herkunftsstaat erklärt worden sei. „Diese Erfahrung zeigt, dass die Einstufung von Staaten als sichere Herkunftsstaaten nicht den von den Befürwortern erwarteten Effekt bringt“, betonte Beck. Dafür verschlechtere sie die rechtsstaatliche Qualität der Asylverfahren und stelle den Staaten einen nicht verdienten menschenrechtlichen Persilschein aus. In Serbien etwa würden aus dem Kosovo geflüchtete Roma verfolgt und im Senegal sowie in Ghana Homosexuelle, obwohl auch sie zu sicheren Herkunftsstaaten deklariert worden seien. Die Union dringt darauf, weitere Balkanstaaten als sicher zu erklären und behauptet, dies wirke sich positiv aus. Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel signalisierte Gesprächsbereitschaft, wenn sich CDU und CSU im Gegenzug auf ein Einwanderungsgesetz einließen.

Für die Grünen birgt das Thema indes besonderen Sprengstoff, weil es bereits im vorigen Jahr zu einer relativ scharfen innerparteilichen Auseinandersetzung über diese Frage gekommen war, während der sich Kretschmann über Bedenken von Partei- und Fraktionsführung hinwegsetzte. Da auch die niedersächsische Grünen-Vorsitzende Meta Janssen-Kucz sich am Dienstag gegen eine Neu-Einstufung weiterer Balkan-Staaten aussprach, schwinden die Chancen, dass eine entsprechende Klassifizierung Albaniens, Montenegros und des Kosovos den Bundesrat passieren könnte. Wegen der derzeitigen Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat und wegen der klaren Ablehnung der Neu-Einstufung in der Linkspartei müsste zusätzlich zu Baden-Württemberg mindestens ein weiteres großes Bundesland mit grüner Regierungsbeteiligung der Änderung zustimmen.