Osnabrück – Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland (ZMD), Aiman Mazyek, hat den rassistischen Brandanschlag von Solingen mit fünf Toten vor 30 Jahren als „Zeitenwende“ im negativen Sinne bezeichnet.
In einem Gespräch mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (NOZ) zum Jahrestag am 29. Mai sagte Mazyek: „Tatsächlich nahm daraufhin der antimuslimische Rassismus mit Vorfällen wie dem NSU, dem Attentat in München, dem Mord an Marwa El-Sherbini, und den Anschlägen in Halle und Hanau, um nur einige zu nennen, zu.“ Hassverbrechen und antimuslimische Straftaten, die erst seit 2017 in der Kriminalitätsstatistik erfasst werden, seien sprunghaft angestiegen und erreichten bis heute ein sehr hohes Niveau.
Mazyek berichtete von seinen eigenen Erfahrungen und sagte: „Viele Menschen, einschließlich einiger Betroffener, stuften Solingen damals als Einzelfall im Kontext der aufgeheizten Asylpolitik ein.“ Dies sei aber eine Fehleinschätzung gewesen. Er selbst sei damals 23 Jahre alt und als Vorstandsreferent seiner Heimatgemeinde in Aachen tätig gewesen: „Ich bat den Imam, in seiner Freitagspredigt für die Opfer zu beten und das Thema anzusprechen, was er auch tat.“
Zwar habe sich seitdem viel in der Gesellschaft verbessert. Allerdings gebe es immer noch eine „latente Unterschätzung dieser menschen- und demokratiefeindlichen Haltung und den Vorwurf an die Betroffenen, dass sie das Thema Rassismus überstrapazieren und es als politischen Hebel nutzen“. Mazyek sagte: „Beides sind fatal falsche Annahmen.“ Der Verbandsvorsitzende forderte, „auch den strukturellen Rassismus beim Namen zu nennen, im Namen der freiheitlichen und rechtsstaatlichen Demokratie.“
Mazyek gehört zu den bundesweit bekanntesten Vertretern der Islam-Organisationen. Er hat wiederholt vor anti-muslimischen Tönen und Vorurteilen in der Bevölkerung gewarnt und Angriffe gegen Muslime und Moscheen beklagt.
Am 29. Mai 1993 hatten vier Täter das Haus der türkischstämmigen Familie Genc in Solingen, Nordrhein-Westfalen in Brand gesetzt und damit fünf Menschen getötet sowie weitere 14 verletzt. Ein Teil der Täter stammte aus der unmittelbaren Nachbarschaft.
Mevlüde-Genç-Medaille
Die Landesregierung hat die Mevlüde-Genç-Medaille am 18. Dezember 2018 für besondere Verdienste um Toleranz, Versöhnung zwischen den Kulturen und um das friedliche Miteinander der Religionen gestiftet. Der Name geht zurück auf Mevlüde Genç. Sie und ihr Mann Durmuş Genç verloren zwei Töchter, zwei Enkelkinder und eine Nichte, als in der Nacht des 29. Mai 1993 vier Jugendliche Brandsätze in das Haus der Familie Genç in der Unteren Wernerstraßen in Solingen warfen. 17 Familienmitglieder wurden bei der Tat mit rechtsextremen Hintergrund zum Teil sehr schwer verletzt und leiden noch heute an den Folgen.
Die Mevlüde-Genç-Medaille wird durch den Ministerpräsidenten an Einzelpersonen oder Gruppen verliehen, die sich in ihrem Engagement um den Dialog zwischen den Religionen und Kulturen, Toleranz und Versöhnung besonders hervortun. Neben der Medaille und dem Preisgeld von 10.000 Euro erhalten die Preisträger eine Urkunde.