Osnabrück – Für den Fall eines Rechtsrucks in Italien nach der Wahl am Sonntag sieht der ehemalige EU-Parlamentspräsident Martin Schulz die EU vor erheblichen Herausforderungen.
„Ich gehe davon aus, dass sich mit einer Regierungsbildung unter Führung von Giorgia Meloni die Rolle Italiens innerhalb der Europäischen Union ändern wird. Es spricht viel dafür, dass es zu einer Blockbildung mit Ungarn, Polen und Italien kommen könnte“, sagte Schulz im Gespräch mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (NOZ).
Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán sei ja bereits in Rom gewesen. „Und so eine mögliche Allianzbildung ist natürlich gefährlich, auch weil Italien einer der größten Mitgliedstaaten der EU und zudem ein G-7-Staat ist. Das gibt dem Ganzen ein zusätzliches Gewicht“, sagte der langjährige SPD-Europapolitiker und heutige Vorsitzende der Friedrich-Ebert-Stiftung und betonte: „Frau Meloni ist eine ultrarechte Populistin. Es würde auch Russlands Präsident Wladimir Putin im Besonderen freuen, wenn diese Regierung in Rom an die Macht käme“, sagte Schulz.
Giorgia Meloni, die Parteichefin der rechtsextremen „Fratelli d’Italia“, gilt Umfragen zufolge als Favoritin für die Wahl am Sonntag. Sie könnte die erste Ministerpräsidentin Italiens werden. Neben den „Brüdern Italiens“ gehören Melonis Parteienbündnis die rechtspopulistische „Lega“ von Matteo Salvini und die konservative „Forza Italia“ von Silvio Berlusconi an. Italien ist ein Gründungsstaat der EU.
Schulz erinnerte daran, dass sich sowohl die rechtsextremen „Fratelli d’Italia“ Melonis als auch die „Lega“ ihres Bündnispartners Matteo Salvini im Europaparlament jüngst hinter Ungarn gestellt hätten, als es darum ging, das Land wegen Verletzung der Rechtsstaatlichkeit zu verurteilen. Im anhaltenden Streit um den Abbau rechtsstaatlicher Grundsätze sagte Schulz:
„Die Organe in Brüssel wirken hilflos im Verhältnis zu diesen Entwicklungen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen reagiert momentan sehr abwartend. Ich finde, dass die Kommission als Hüterin der Verträge hier deutlich aktiver werden muss.“
Weiter sagte Schulz der NOZ, es sei zwar ein gutes Zeichen, dass Haushaltskommissar Johannes Hahn „die Mittelvergabe an Ungarn jetzt definitiv an die Einhaltung von Rechtsstaatsmechanismen gekoppelt“ habe. Als Polen sich daraufhin auf die Seite Ungarns gestellt habe, sei aber eine Reaktion der Behördenspitze ausgeblieben. „Ich bin der Meinung, dass es hier eine Reaktion vonseiten der Kommissionsführung hätte geben sollen. Die Kommissionspräsidentin hätte Hahn öffentlich den Rücken stärken müssen“, betonte der ehemalige EU-Parlamentschef.
Einen Trend zu rechtskonservativen Regierungen in der EU sieht Schulz auch angesichts des jüngsten Erfolges der Rechtspopulisten in Schweden noch nicht: „Mal gibt es Zuwachs für die Rechten, mal für die Linken. Das ist im Moment eine unentschiedene Situation in der Europäischen Union“, sagte der Sozialdemokrat.