Berlin (dts) – Der Bundesnachrichtendienst (BND) hat offenbar nicht nur mit Hilfe von Selektoren des US-Geheimdienstes NSA die Kommunikation befreundeter EU-Staaten ausspioniert, sondern auch eigene Selektoren eingesetzt. Das berichtet die „Mitteldeutsche Zeitung“ (Donnerstagsausgabe) unter Berufung auf Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr) und des NSA-Untersuchungsausschusses des Bundestages. Der Vorgang war am Mittwochabend Gegenstand der PKGr-Sitzung, an der auch BND-Präsident Gerhard Schindler teilnahm.
Die geheime Sitzung ging gegen 19:00 Uhr zu Ende. Dem Bericht zufolge hat der BND über Jahre hinweg eine vierstellige Zahl von möglicherweise problematischen Selektoren zum Einsatz gebracht – wobei zunächst unklar war, ob im unteren oder im oberen Bereich. Demnach wurde die Praxis nach den Veröffentlichungen des ehemaligen NSA-Mitarbeiters Edward Snowden im Sommer 2013 unter der Ägide des damaligen Kanzleramtsministers Ronald Pofalla (CDU) gestoppt. In Kreisen der SPD-Bundestagsfraktion hieß es, der BND habe Mist gebaut und das Kanzleramt wohl auch, schreibt die MZ. Klar sei jedenfalls, dass der Vorgang im Kanzleramt bekannt gewesen sei, aber verschwiegen wurde. Bisher war nur von NSA-Selektoren die Rede gewesen.
Der stellvertretende Vorsitzende des PKGr, Clemens Binninger (CDU), bestätigte der „Mitteldeutschen Zeitung“ den Vorgang im Prinzip, allerdings nicht die Zahl der Selektoren. „Die Bundesregierung hat uns informiert über die Praxis des BND mit eigenen Selektoren“, erklärte er der Zeitung nach der Sitzung. „In diesem Zusammenhang sind Fragen aufgetaucht, ob sie vom Auftrag gedeckt sind. Wir haben nun die Task Force des PKGr beauftragt, ab nächster Woche in der BND-Zentrale in Pullach den offenen Fragen nachzugehen, Mitarbeiter zu befragen und die notwendigen Akten einzusehen.“ Die Bundesregierung habe ihre eigene Prüfung des Vorgangs Ende September abgeschlossen und das Gremium dann aus eigener Initiative informiert. Gleichwohl seien nicht alle Fragen beantwortet.