Ein Gastkommentar von Michael Thomas
Soumaja Ghannoushi gilt als gefragte Expertin in Nahostfragen und publiziert regelmäßig in diversen Medien. Was sie jetzt in der „Middle East Eye“ schreibt und darüberhinaus zu erfahren ist, ist dazu angetan, Schlimmes zu befürchten.
Schlimmeres als das, was schon seit zwei Jahren die Schlagzeilen dominiert und schlimmer noch als den militärischen Angriff Israels auf Qatar – der eigentlich einer Kriegserklärung gleichkommt.
Und mit „Kriegserklärung“ sind wir direkt beim Thema. Denn die hat Israel überdeutlich allen arabischen Staaten mit der Drohung, die im Grunde einer Ankündigung gleichkommt, auch künftig immer dort bomben, töten und zerstören zu wollen, wo man „Hamas-Kämpfer“, oder halt unliebsame Kritiker, die man kurzerhand zu solchen erklärt, entdecken würde.
Im Grunde ist die Angewohnheit Israels, zur hingeworfenen Rechtfertigung selbst Babys und Greisen nach ihrer Tötung das Etikett „Hamas!“ auf die Brust zu heften, längst Gegenstand bitterer Witze geworden.
Mir kann schon lange niemand seitens irgendeiner Regierung der Welt erzählen, man habe all das, was jetzt an Schäden und großen Problemen vor uns liegt, weder gewusst, noch geahnt. Dazu hat sich die israelische Führung in den letzten Jahren, vor allem aber in den letzten Wochen, viel zu klar und unmissverständlich ausgedrückt.
Wenn Israel auch hinsichtlich seiner konkreten Kriegshandlungen reflexhaft eigentlich grundsätzlich lügt, hat es die Welt über seine wahren und langfristigen Ziele nie im Unklaren gelassen.
Der Bombenanschlag gegen Qatar lieferte weder neue Erkenntnisse, noch Indizien, sondern setzte hinter das längst Ausgesprochene einfach nur ein Ausrufezeichen.
Ghannoushi belegt in der Breite und Tiefe, dass die Botschaft schon lange vorliegt. In aller schmerzhaften Prägnanz schreibt sie:
„Das ultimative Ziel war immer klar: die arabische Macht in Stücke zu zerlegen, damit Israel die Oberhand gewinnen konnte. Schauen Sie sich um: Syrien in Scherben, der Irak zerstückelt, der Jemen zerschmettert, Gaza belagert, der Libanon blutet.“
Und dabei, wenn ich mich wiederholen darf, handelt es sich keineswegs um einen neuen Verdacht, nicht um eine neue Erkenntnis und nicht um einen neuen Trend oder Kurs Israels.
Im Gegenteil: was noch nicht einmal Ghannoushi mit in Betracht zieht, ist der völlige Irrsinn, dass Israel vor seinem Angriff auf Qatar zunächst einen in der Türkei ins Auge gefasst und nur darauf verzichtet hatte, weil man annimmt, Trump könne den Angriff auf einen NATO-Staat nicht so gut verkaufen.
Die Folge und Antwort eines Angriffs Israels auf die Türkei wäre in jedem Fall ein sehr hart und brutal geführter Krieg mit dramatischen Folgen für den Angreifer gewesen.
Die Probleme, die der Angriff auf Qatar für die arabische Welt nun eklatant hochkochen lässt, sind erheblich und überaus bedrohlich. Trotz der Servilität, die sie in den zurückliegenden Jahrzehnten zugunsten einer lukrativen Partnerschaft mit den USA an den Tag gelegt hatten, stehen sie durch die tagesaktuelle, maximale Gewaltandrohung Israels in Verbindung mit der gezeigten Hilfs- und Tatenlosigkeit der USA, entblößt im Regen.
Ghannoushi zitiert hierzu Hosni Mubaraks Satz:
„Wer von Amerika gedeckt wird, bleibt nackt.“
Angesichts des „Arabischen Frühlings“, der unter der direkten und indirekten, massiven Einflussnahme des Westens buchstäblich ersoff, besteht für die Regimes am Golf nun die konkrete Gefahr völliger, politischer Destabilisierung.
Haben sie bisher ihre Bevölkerungen noch mit maximaler Gewalt an Unruhen und Aufständen gehindert, kann sich der Unmut über ihre Führung gerade in Bezug auf Israel nun an zahllosen Brennpunkten Bahn brechen.
Wenn Doha ungestraft angegriffen werden kann, ist die gesamte Region in Gefahr – und wie bereits gesagt, ist das keine pessimistische Fantasie, sondern konkret von Israel so angekündigt. Aber was will Riad unternehmen, wenn dort israelische Raketen einschlagen, weil sich dort angeblich „Hamas-Kämpfer!“ aufhalten sollen?
Wie reagiert Kuwait? Bleiben auch sie allein und werden aus kollektiver Angst bloß mit ein paar billigen Worten des Bedauerns und substanzloser Solidarität von der arabischen Gemeinschaft der Staaten abgespeist?
Die Arabische Liga muss jetzt zwingend mit der Erkenntnis umgehen, dass ihre Strategie nicht nur am Ende, sondern zur großen Gefahr geworden ist:
„Das Versprechen amerikanischen Schutzes liegt in Trümmern. Jahrzehntelang glaubten die Herrscher am Golf, mit Öl, Stützpunkten und Investitionen Sicherheit kaufen zu können.“
Nicht nur die persönliche Umberechenbarkeit des erratischen US-Präsidenten, sondern auch die wirtschaftlich desaströse Haushaltslage der USA werden ein massives Einschreiten der USA auch in weiterer Zukunft verhindern.
Jahzehntelanges Aussitzen der langsam, aber stetig anwachsenden Probleme mit einem ständig aggressiver werdenden Israel erzwingen nun womöglich andere, wesentlich härtere Schritte, ein grundlegendes Umdenken, eine Neuausrichtung und eine neue Solidarität.
Die Träume dieses faschistisch-extremistischen Israels gehen nämlich noch erheblich weiter: es träumt davon, Mekka zu „reinigen“, weil Israel ja auch dieser Ort versprochen sein soll.
Und an diesem Punkt will ich dem Leser absichtsvoll alle Zügel seiner Vorstellung aus der Hand gleiten sehen und ihn seinen eigenen Ideen überlassen.
Gastbeiträge geben die Meinung der Autoren wieder und stellen nicht zwingenderweise den Standpunkt von NEX24 dar.
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