Solingen – Am heutigen Dienstag wurde in Solingen unter reger Teilnahme das Totengebet für die am Sonntag verstorbene Mevlüde Genc gemeinsam verrichtet. Die Beerdigung werde am morgigen Mittwoch in der türkischen Stadt Amasya stattfinden. In Solingen soll nun eine Straße nach ihr benannt werden.
Mevlüde Genc verlor ihre Familie bei einem rechtsextremistischen Anschlag 1993. Ihre besonnenen Botschaften gegen den Hass machten sie zu einem Symbol für Toleranz und Antirassismus in ganz Deutschland.
Im Gespräch mit NEX24 erklärte Tolga Özgül von Merhaba & Mahlzeit, Köln, dass die türkische Community in Zusammenarbeit mit der Stadt Solingen eine Straße nach Mevlüde Genc benennen möchte. Die Gespräche mit dem Oberbürgermeister sollen in Kürze beginnen.
Zum Gedenken an die Überlebende des Brandanschlags von 1993 in Solingen trafen sich fast 1000 Trauernde, auch viele Deutsche aus verschiedenen Bundesländern, direkt vor dem Grundstück, auf dem dieser Anschlag stattfand. Sogar Teilnehmer aus Bayern seien extra den weiten Weg angereist, erzählte Tolga Özgül, der gemeinsam mit allen Anwesenden das Totengebet verrichtete. Das würde zeigen, dass Mevlüde Genc geliebt und geschätzt wurde, so Özgül.
Im Solinger Haus der türkischen Familie Genc legten vier deutsche Rechtsradikale Feuer im Flur, nachdem sie in der Nacht gewaltsam in das Haus eingedrungen waren. Fünf Familienmitglieder kamen bei diesem verabscheuungswürdigen Brandanschlag um. Das jüngste Opfer war vier Jahre alt, das älteste 27 Jahre. Weitere 14 Familienmitglieder erlitten teilweise lebensgefährliche Verletzungen.
Die 80 Jahre alte Bundesverdienstkreuzträgerin Mevlüde Genc verstarb am 30. Oktober 2022. Ihr Sarg wurde in der Unteren Werderstraße unter freiem Himmel aufgebahrt. Unter den hunderten von Gästen, die ihre Anteilnahme ausdrückten, befanden sich der NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst, Solingens Oberbürgermeister Tim Kurzbach, der türkische Botschafter Ahmet Başar Şen und Thomas Kutschaty von der NRW-SPD.
Der deutsche Politiker Joachim Stamp nahm ebenfalls an der Zeremonie teil. Er war von Juni 2017 bis Juni 2022 Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration sowie stellvertretender Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen in der schwarz-gelben Landesregierung. Alle erschienen aufgrund einer Einladung der Ditib-Gemeinde Solingen. Auch ein Abgeordneter aus dem türkischen Samsun, Akif Cagatay, ehemaliger türkischer Sportminister, war anwesend.
Özgül sagte im Gespräch mit NEX24, Mevlüde Genc sei ein sehr bemerkenswerter Mensch gewesen, die nicht nur von den türkischen, sondern auch von den Bürgern in ganz Deutschland verehrt und geschätzt wurde. Beim Totengebet hatte er die Gelegenheit, mit Herrn Kurzbach, dem Oberbürgermeister der Stadt Solingen zu sprechen.
„Ich habe direkt angesprochen, dass wir uns wünschen, dass eine Straße nach Mevlüde Genc benannt wird. Er hat das sofort positiv begrüßt. Ich habe ihn auch darum gebeten, das Projekt Mevlüde-Genc-Straße in kürzester Zeit umzusetzen. Wie ich noch erfahren habe, hat die Stadt Solingen auch vor, eine Gedenktafel für Mevlüde Genc aufzustellen. Ich habe Herrn Kurzbach um einen Termin gebeten, um auch das Projekt Mevlüde-Genc-Straße durchzusetzen“, so Tolga Özgül zu NEX24.
Im Gespräch mit NEX24 äußerte Özgül auch, dass sich der Oberbürgermeister von Solingen demnächst mit ihm zusammensetzen werde. Özgül möchte natürlich dafür das Einverständnis der Familie Genc einholen. Aktuell sei die Familie in Trauer und er wolle sie nicht stören und ein wenig mehr Zeit vergehen lassen und dann erst das Gespräch mit der Familie Genc suchen, damit die Straßenumbenennung in Mevlüde-Genc-Straße auch mit Erlaubnis der Familie stattfinden könne. Die Stadt Solingen hätte ein sehr positives Zeichen gegeben.
Auszeichnungen für Bemühungen zur Versöhnung
Für ihre Bemühungen um Versöhnung wurde ihr 1996 das Bundesverdienstkreuz verliehen. Im Jahre 2003 wurde sie bei den Deutsch-Türkischen Kulturwochen der Friedrich-Ebert-Stiftung zudem mit dem Freundschaftspreis ausgezeichnet.
Die Begründung der Jury:
„Mevlüde Genc hat ihrer Heimatstadt Solingen trotz allem die Treue gehalten und kämpft seither gegen Rassismus. Sie gründete u. a. einen Kindergarten und unterstützt vor allem das Bewusstsein, das bereits bei kleinen Kindern von Anfang an geschult werden sollte – nämlich dass Rassismus in Deutschland keine Chance haben darf. Für dieses Engagement und den Mut, trotz allem weiterzumachen, aufzustehen und etwas zu tun, verleiht die DTF seinen diesjährigen Preis in der Kategorie ‚Solidarität‘ an Mevlüde Genc.“
Aufgrund ihrer versöhnlichen Haltung wurde zudem die in NRW seit 2018 verliehene „Mevlüde-Genç-Medaille“ nach ihr benannt.
Bundeskanzlerin Angela Merkel bewundert Haltung von Mevlüde Genc
„Auf eine unmenschliche Tat haben Sie mit menschlicher Größe reagiert. Dafür bewundern wir Sie“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel bei ihrer Rede zum 25. Jahrestag.