Ein Gastbeitrag von Nabi Yücel
Erstmals seit Beginn der Corona-Pandemie findet der G20-Gipfel in Rom in Italien statt. Auf der Agenda stehen große Themen an, vor allem für die Türkei. US-Präsident Joe Biden traf sich am Rande des G20-Gipfels mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan inmitten einer vorangegangenen diplomatischen Kluft und der Frage, ob Biden Ankaras Wunsch nach neuesten US-Kampfflugzeugen vom Typ F-16 nachkommen wird.
Einst war es die US-amerikanische F-16 Fighting Falcon, der das Bündnis zwischen der USA und der Türkei festigte. Jahrzehnte später wird derselbe Typ Kampfflugzeug mit fortgeschrittener Technologie das Schicksal der türkisch-US-amerikanischen strategischen Beziehungen sowie auch und vor allem die geopolitische Ausrichtung der Türkei besiegeln.
Denn, die Türkei wendet sich an die USA in der Hoffnung, eine Reihe neuer F-16 zu erwerben, um sich ins neue Jahrzehnt zu rüsten und damit auch ihren Bündnis-Verpflichtungen nachzukommen. Dem stehen der Erwerb des russischen Luftverteidigungssystems S-400 gegenüber, die dazu führte, dass die Türkei aus dem Joint Strike Fighter-Programm (JSF) des US-Verteidigungsministeriums ausgeschlossen wurde.
Das JSF beinhaltete auch die Lieferung des modernen tarnkappen-Mehrzweckkampfflugzeugs F-35 an die Türkei, die ebenfalls eingefroren wurde, obwohl Ankara bereits eine Anzahlung in Höhe von 1,4 Milliarden US-Dollar geleistet hat. Vor der Reise nach Rom bekräftigte Erdogan erneut, dass die USA sich entscheiden müsse, entweder die F-35 auszuliefern oder das erhaltene Geld zurückzuerstatten. Offensichtlich will Ankara nun einen neuen Deal, um die geleistete Anzahlung sinnvoll und schnell in ein neues US-Waffenlieferprogramm zu investieren.
Andererseits hat Ankara damit aber auch einen Hebel angesetzt, um die Grundhaltung Washingtons auszuloten. Es steht somit mehr auf dem Spiel als nur die kurzfristigen Pläne der türkischen Luftwaffe, ihre Flotte zu modernisieren, nach dem man sich damit abgefunden hat, keine F-35 zu bekommen. Eine neuerliche Ablehnung des Wunsches Ankara könnte eine strategische Neuausrichtung bedeuten. Ergo würde das Ergebnis des Wunsches nach modernsten F-16 Kampfflugzeugen das Bündnis der Türkei mit den USA zusammenkitten oder gänzlich auseinanderbrechen.
Sollte der Wunsch von Ankara von Washington nicht erfüllt werden, hat Erdogan bereits angedeutet, wo man sich dann ersatzweise umschauen könnte: das russische Tarnkappen-Mehrzweckkampfflugzeug Su-57.
„Wenn die USA die F-35-Frage nicht lösen wollen oder der Kongress sie blockiert, wird die Türkei andere Optionen in Betracht ziehen, einschließlich des Kaufs von (in Russland hergestellten) SU-35 oder SU-57“, sagte der türkische Außenminister Mevlut Cavusoglu in einem Fernsehinterview mit CNN Turk.
„Wir decken unseren Bedarf aus verschiedenen Quellen, bis wir unsere eigenen Flugzeuge herstellen“, betonte Cavusoglu und fügte hinzu, dass dies das Grundrecht eines jeden unabhängigen und souveränen Landes sei.
Der Wink nach Russland ist im Kern eine Warnung an den US-Senat, es mit der CAATSA nicht zu übertreiben. Mit CAATSA (Countering America’s Adversaries Through Sanctions Act) begründete Washington bislang ihre Entscheidung zum Ausschluss der Türkei aus dem Joint Strike Fighter-Programm und der Verhängung von Sanktionen gegen die Türkei, die seit vergangenem Jahr anhält. Derselbe US-Senat nahm jedoch die Entscheidung Indiens wohlwollend zur Kenntnis, sich mit russischen S-400 einzudecken; jenem Luftverteidigungssystem, die der Türkei ja Sanktionen bescherte.
Gastbeiträge geben die Meinung der Autoren wieder und stellen nicht zwingenderweise den Standpunkt von nex24 da
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