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Französischer Historiker: „Die Verbrechen der armenischen Milizen sind in Vergessenheit geraten“

Zu Yves Bénard: “Um der Gerechtigkeit willen” lautet das Credo des franzöischen Historikers, der sich durch seinen kritischen Geist und mit einer gehörigen Portion Neugier ausgestattet in die historischen Archive verschiedener Staaten begab. Herausgekommen ist ein hoch interessantes Buch, das exemplarisch ist für eine sachliche Darstellung der Ereignisse.

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Interview mit dem französischen Autor Yves Bénard

Anlässlich des Gedenktages des Völkermordes an den Türken, an das alljährlich zum 31. März weltweit erinnert wird, wurde folgendes Interview mit dem französischen Gelehrten und Historiker Yves Bénard geführt.

In seinem viel zitierten Werk Geschichte verdrehtDie Wahrheit über das Schicksal der Armenier im Osmanischen Reich, geht Bénard im Besonderen auf die Massaker ein, die durch armenische Milizen vor und während des Ersten Weltkrieges an der türkischen Bevölkerung verübt wurden.

NEX24: Die deutsche Ausgabe des Buches hat nach seiner Veröffentlichung viel Zuspruch und Anerkennung aus der deutschsprachigen Leserschaft erhalten. Können Sie uns erklären wie Sie auf dieses Thema mit den Armeniern gekommen sind?

Bénard: An einem Winterabend saß ich mit türkischen Freunden in einer Kneipe, wo wir uns gewöhnlich einmal die Woche treffen, um Karten zu spielen. Die Nachrichten liefen im Fernseher. Als erste Schlagzeile verkündete der Journalist, dass Präsident Chirac und sein erster Minister Lionel Jospin am 29.1.2001 ein Dekret verabschiedet haben, in dem stand, dass Frankreich den Völkermord an den Armeniern anerkannte.

Die Ankündigung ließ meine Freunde verstummen. Nach einer langen Zeit des Schweigens fingen sie an zu erzählen. Ich hörte zu, ohne mich an den Gesprächen zu beteiligen. Sie kamen aus einer kleinen Stadt namens Bayburt, in der Osttürkei. 1915 nahmen Armenier die jungen und alten türkischen Bewohner der Stadt gefangen und sperrten sie in drei Scheunen auf dem Stadthügel unterhalb der Festung ein. Sie stecken die erste, dann die zweite an. Zum Glück für die dritte Scheune kam die türkische Armee rechtzeitig und vertrieb die Mörder. Die türkischen Soldaten befreiten die Gefangenen. Aber leider wurden Hunderte bei lebendigem Leib verbrannt.

Wie alle Franzosen war ich überzeugt, dass gegen die Armenier ein Völkermord begangen worden war, und dass sie in diesem Konflikt nur Opfer gewesen waren und auf gar keinen Fall Täter. Ich kannte meine Freunde seit langem und konnte nicht an deren Worten zweifeln. So fasste ich meinen Entschluss und begann über die türkisch-armenischen Ereignisse von 1915 zu recherchieren.

NEX24: Herr Bénard. Gerade Frankreich erweist sich dieser Tage als besonders „heißes Pflaster“, wenn es darum geht die Völkermord-These an den Armeniern zu entkräften. Ich denke da an die starke und sehr einflussreiche armenische Gemeinde und an die Deklaration des 24. Aprils zum Jahrestag des sog. Armenischen Völkermords in Frankreich. Mit welchen Hindernissen bzw. Schwierigkeiten müssen unabhängige Historiker in Frankreich rechnen, wenn sie, wie Sie, sich diesem heiklen Thema widmen und eine Publikation herausbringen wollen?

Bénard: Die armenische Diaspora in Frankreich ist nicht sehr groß, aber sehr aktiv. Sie bekommt viel Unterstützung sowohl von der Nationalversammlung und dem Senat als auch von den Medien. 2006 haben die Linken Abgeordneten eine Gesetzesvorlage eingebracht, die die Verneinung oder Banalisierung des Völkermordes an den Armeniern bestrafte. Die Widerspenstigen, wie ich, riskierten, dass man sie für ein Jahr ins Gefängnis steckte und eine Geldstrafe von 4.500 Euro erhielt. Neuerdings schaffte es die armenische Diaspora, dass der 24. April als Gedenkfeiertag des Völkermordes an den Armeniern 1915 in Frankreich durch Emmanuel Macron anerkannt wurde.

In Frankreich sind die Chancen gleich null einen Verlag zu finden, der ein Buch über die türkisch-armenische Tragödie veröffentlicht, wenn dieses Buch nicht konform mit der Position des Erziehungsministeriums und dem exekutiven Ausschuss ist.

“Wie alle Franzosen war ich überzeugt, dass gegen die Armenier ein Völkermord begangen worden war, und dass sie in diesem Konflikt nur Opfer gewesen waren und auf gar keinen Fall Täter.”

Ich habe 70 Verlagshäuser in Frankreich, Belgien, Luxemburg und in der Schweiz kontaktiert, ohne Erfolg. Und dann geschah ein Wunder. Ein Verlag aus Paris zeigte sich plötzlich einverstanden, das Buch zu veröffentlichen. Nach anderthalb Jahren ist das Buch endlich verfügbar. Es gibt viele Bestellungen. Der Verlag und Autor freuen sich darüber. Leider waren diese Glücksgefühle von kurzer Dauer. Eine Woche später hat der Verlag solche Angst bekommen, dass die Veröffentlichung meines Buches sofort gestoppt wurde. Es wurden allerlei Drohungen gegen den Verlag ausgesprochen.

NEX24: Nun hat sich bekanntlich der US-amerikanische Senat jüngst einer ganzen Reihe von anderen Länderparlamenten angeschlossen und die Ereignisse von 1915 als Völkermord klassifiziert. Die ursprünglich rein historische Kontroverse wird nun zunehmend auf dem politischen Parkett diskutiert als in Hörsälen. Gibt es einen Bedarf an einem politischen Diskurs? Falls ja wie kann dieser sein? Was könnten die Armenier politisch fordern, was die Türken?

Bénard: 21 Länder haben das Massaker der Armenier aus dem Osmanischen Reich von 1915 als Völkermord anerkannt. In all diesen Ländern ist der Einfluss der armenischen Diaspora ausnahmslos sehr groß. Unter diesen 21 Ländern befinden sich Uruguay und Paraguay und es gibt wenige Gründe zu denken, dass die Einwohner dieser beiden Länder sich für die Probleme der Armenier wirklich interessieren. Die armenische Diaspora erhofft sich erheblichen Profit zu generieren sowohl territorialer als auch finanzieller Art.

Hierfür ist es nötig, dass die ganze Welt den Völkermord anerkennt. Die in Jerewan an der Macht befindliche Daschnak-Partei hat aber nichts davon bekommen und hat es auch nicht mal versucht. Die Diaspora wird ungeduldig.

Und so griffen sehr politisch engagierte junge Armenier aus dem Libanon zur Gewalt, denn sie waren überzeugt, dass der Dialog zu nichts führen und Gewalt effizienter sein würde. Sie formierten eine terroristische Organisation namens ASALA (Die Armenische Geheimarmee zur Befreiung Armeniens), deren Programm einer Kriegserklärung an die Türkei glich. 20 Jahre lang griff die ASALA türkische Bürger und türkische Güter fast überall auf der Welt an.

NEX24: Die Terroranschläge der ASALA trafen bekanntlich nur unschuldige Zivilisten, die zum Zeitpunkt der Zwangsumsiedlung der Armenier nicht einmal geboren worden waren. Also ist das Motiv der Vergeltung nicht sehr überzeugend. Wozu dann diese Gewalt?

Bénard: Zahlreiche Diplomaten, Botschafter, Berater, Chauffeure und Sekretäre wurden von den Terroristen der ASALA umgebracht. Ihre Hoffnungen wurden übertroffen, denn die Medien berichteten viel mehr über den Völkermord an den Armeniern als über die Opfer durch die armenischen Terroristen. Nur das Bombenattentat vom 15. Juli 1983 auf dem Pariser Flughafen Orly wurde ein Attentat zu viel. Es geschah in der Halle des Terminals Süd des Flughafens durch einen syrischen Zweig der ASALA. Die Bombe explodierte am Check-in-Schalter der Fluggesellschaft Turkish Airlines und verursachte acht Tote und 56 Verletzte.

Die französisch-armenische Diaspora empörte sich und zum ersten Mal unterstütze sie die Terroristen nicht. Diejenigen, die nicht von der Polizei verhaftet wurden, schlossen sich der Terroristenorganisation PKK an. Mit dem Orly-Attentat beendete die ASALA ihre Terroraktionen. Vor der ASALA war die türkisch-armenische Tragödie nur ein polemisches Thema über historische Ereignisse, worüber man wenig sprach. Aber plötzlich wurde sie zum Zankapfel, denn die Türkei hatte dem armenischen Präsidenten eine offizielle Anfrage unterbreitet, damit sich türkische und armenische Experten treffen.

“Das Einzige woran sie [die Armenier] interessiert sind, ist die Anerkennung des sogenannten Völkermordes, damit sie hohe Reparationszahlungen bekommen sowie die Zurückgewinnung der vermeintlichen armenischen Territorien.”

NEX24: Was könnten die Armenier politisch fordern, was die Türken?

So konnten sie ein offizielles Statement abgeben, das ein für alle Mal klären würde, ob es sich um einen Völkermord gehandelt hat oder nicht. Und auf der anderen Seite, die westliche Welt, die von der Türkei verlangt, dass sie einen Völkermord anerkennt, welche von einer Großzahl sehr kompetenter und ehrlicher Historiker angefochten wird, da die Millionen türkischer Zivilisten, die durch die armenischen Milizen der Daschnaken und der Hintschaken getötet worden sind, stillschweigend vergessen werden.

“Alle Massaker, alle Verbrechen, alle Vergewaltigungen, die von den Armeniern begangen wurden, sind vollkommen in Vergessenheit geraten.”

Die Armenier erinnern fortwährend die Weltöffentlichkeit an diese Tragödie, in der, ihrer Meinung nach, alle Armenier unschuldige Opfer und die Türken blutige Henker waren. Mehr als ein Jahrhundert nach dieser Tragödie vermitteln die Armenier ihren Kindern einen tiefen Hass den Türken gegenüber und lehren sie ihre Version der Geschichte, wobei sie ohne Grund durch die Türken massakriert worden seien. Die Armenier und die armenische Diaspora wünschen sich keine Annäherung mit der Türkei. Das Einzige woran sie interessiert sind, ist die Anerkennung des sogenannten Völkermordes, damit sie hohe Reparationszahlungen bekommen sowie die Zurückgewinnung der vermeintlichen armenischen Territorien. Meiner Meinung nach ist ein türkisch-armenischer Dialog momentan verfrüht.

NEX24: In Ihrem Buch gehen Sie auch auf Massaker an Türken ein, die durch armenische Milizen begangen wurden. Das ist stark konträr zur Vorgehensweise vieler Lobby-Historiker und auch des sogenannten Instituts für Diaspora- und Genozidforschung an der Ruhr Universität, die sich in peinliches Schweigen hüllen, wenn es um die Verbrechen armenischer Milizen an der muslimischen Bevölkerung geht. Reduziert aus dieser Sichtweise der Westen die Geschehnisse nicht zu stark auf eine schwarz-weiß Malerei? Also anders ausgedrückt, waren Armenier wirklich nur Opfer und die Kurden und Türken die Täter?

Bénard: Ich erzähle in meinem Buch Geschichte verdreht von den Massakern, die von den armenischen Milizen der Daschnaken und Hintschaken begangen worden sind. Die fast 1 Million (oder vielleicht mehr) Opfer waren alte Leute, Frauen und Kinder, denn alle dienstfähigen Männer kämpften an verschiedenen Fronten. Die Türkei wurde von allen Seiten attackiert. In den Dörfern blieben nur die wehrlosen Frauen, Kinder und die alten Leute. Auf genau diesen Augenblick hatten die Armenier gewartet, um die restliche Bevölkerung zu töten und die Städte und Dörfer in Brand zu setzen.

Alle Massaker, alle Verbrechen, alle Vergewaltigungen, die von den Armeniern begangen wurden, sind vollkommen in Vergessenheit geraten. Sie werden nicht in der offiziellen türkisch-armenischen Geschichte von 1915 erwähnt. Es bleiben nur die von den Türken begangenen Verbrechen übrig, die sehr übertrieben dargestellt werden, manchmal auch nur erfunden. Mehr als ein Jahrhundert später bleiben die Armenier in der kollektiven Erinnerung trotz aller ihrer Verbrechen als die unschuldigen Opfer und die Türken und Kurden als die ewigen Schuldigen haften.

NEX24: Die Türkei hat ja vorgeschlagen eine internationale Historikerkommission zu diesem Thema einzuberufen. Warum geht die armenische Diaspora und Armenien darauf nicht ein?

Bénard: Am 10. April 2005 hat Präsident Erdoğan, damals noch erster Minister, dem Präsidenten der armenischen Republik einen Brief geschrieben. In diesem schlägt er ihm offiziell vor, eine Gruppe von Historikern aus den beiden Ländern zu bilden, damit sie gemeinsam die Ereignisse von 1915 aufarbeiten, nicht nur auf der Basis der nationalen Archive der Türkei oder der von Armenien, sondern auch die Archive von den betroffenen Drittländern. Am Ende sollen die Schlussfolgerungen diese Analyse der internationalen öffentlichen Meinung vorgestellt werden. Es ist schwer zu glauben, dass so ein Vorschlag aus einem Land kommen könnte, dass sich schuldig weiß. Auf die gleiche Art und Weise ist es unverständlich, dass die Armenier, die ihre Unschuld durch die Welt posaunen, diesen Vorschlag ablehnten. Warum haben die Armenier nicht darauf zurückgegriffen?
Warum haben sie das nicht vor Jahrzehnten gemacht? Was haben Sie zu befürchten?

Alle diese grundsätzlichen Fragen werden ohne Antwort bleiben so lange Experten, Historiker und Juristen nicht zu Wort kommen können. Ein Land des Völkermordes zu bezichtigen, um seine eigenen inneren Konflikte zu lösen, ist eine extrem schwere Anklage, die ernst genommen werden sollte und die Irrtümer ausschließen muss. Die einzige Abhilfe zu diesem bedeutungsvollen Problem kann nur, wie Recep Tayyip Erdoğan, Präsident der Türkei, vorgeschlagen hatte, gelöst werden. Nur durch die Intervention von Historikern, Juristen und Experten, aber dies wurde von den Armenien abgelehnt. Dieser Vorschlag sollte noch mal gemacht werden, aber Europa sollte als Zeuge dabei sein, sodass Armenien es unmöglich ablehnen könnte.

NEX24: Monsieur Bénard wir bedanken uns für das erkenntnisreiche Interview und hoffen auf eine angemessene Anerkennung der muslimischen Opfer und auf eine ausgewogenere Betrachtung der Ereignisse um das Jahr 1915.

Das Interview führten Ferhat Avşar und Kemal Bölge. 

Das Buch aus der Feder des französischen Historiker Yves Bénard “Geschichte verdreht – Die Wahrheit über das Schicksal der Armenier im Osmanischen Reich“ ist erhältlich über folgende Links:
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Der Siegener Politikwissenschaftler und Leiter des Forschungszentrums Südosteuropa und Kaukasus, Dr. Christian Johannes Henrich, hat bereits in seiner Doktorarbeit die westliche Einseitigkeit in der Bewertung der Ereignisse von 1915 in Ostanatolien kritisiert. Er ist 2015 aus Protest gegen die Armenien-Resolution des Deutschen Bundestages nach 21 Jahren aus der CDU ausgetreten.

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