Ein Gastbeitrag von Nabi Yücel
Assyrische Christen und Aramäer sind frustriert über die Berichterstattung westlicher Medien zur Terrororganisation PKK und ihrem syrischen Ableger YPG. Die Berichte entsprächen nicht der Realität und wer Fragen stelle oder Einwände habe, werde in Europa nicht erhört.
Am vergangenen Freitag veröffentlichte Dikran Ego, Chefredakteur der Assyria TV auf Hujådå-Online einen Artikel über die Problematik der öffentlichen schwedischen Wahrnehmung über die kurdischen Volksverteidigungseinheiten YPG in Nordsyrien.
Wer Fragen stellt, Einwände hat, wird in Europa nicht erhört, gehört. Freie Berichterstattung ist in Europa zwar erlaubt, aber man kommt bei kritischen Fragen, Einwänden oder Vorwürfen gegenüber der kurdischen Volksverteidigungseinheiten YPG bzw. ihrer Demokratischen Kräfte Syriens SDF fast gar nicht mehr durch. Selbst indirekte Fragen über die YPG an europäische Experten, Politiker oder Medien werden geflissentlich übergangen. Ein gefährlicher Zustand, der einem Präventivschlag gleichkommt.
Der in Schweden lebende assyrischstämmige Journalist Dikran Ego hat diese Problematik in Hujådå-Online durchleuchtet. Hujådå-Online wird von der Assyrischen Föderation in Schweden betrieben. Anfang Oktober hatte die Präsidentin der Assyrischen Föderation, Kara Hermez, mit einer Streitschrift in der schwedischen Boulevardzeitung Aftonbladet eine Debatte ausgelöst, die seither für heftige Diskussionen in schwedischen TV-Talkshows und Zeitungen sorgt.
Hier die freie Übersetzung des Artikels von Dikran Ego, die er zuerst den an den Diskussionen beteiligten Journalisten übermittelt habe, die sich aber dazu entschieden hätten, ihn nicht zu veröffentlichen:
Schweden, Kurden, Assyrer und Syrien
Journalisten in Schweden haben das Bild, dass die Kurden in Syrien zeichnet, ohne die Assyrer zu befragen oder ihre Stimmen zu hören, unkritisch reflektiert. Das zweifellos positive Image, das mehrere schwedische Meinungsmacher von den kurdischen Gruppen in Syrien haben, ist das Ergebnis einer erfolgreichen kurdischen Öffentlichkeitsarbeit.
In diesen Tagen haben sich viele schwedische Meinungsmacher und Politiker zur Lage im Nordosten Syriens geäußert. Während die Befürchtungen vor dem Einmarsch der Türkei durchaus berechtigt sind, ist das Bild über die kurdischen Gruppen zu unreflektiert und naiv. Die kurdische Milizen YPG, die in jeder Hinsicht als der syrische Ableger der PKK zu betrachten ist, wurden als Helden, Kämpfer für die Rechte der Frauen und demokratischen Humanistinnen gefeiert. Journalisten in Schweden haben das Bild des Konflikts, den die Kurden in Syrien mitausgelöst haben, unkritisch festgehalten, während die Stimmen unter Assyrern und anderen so gut wie nie gehört werden.
Unser Wissen über Konflikte an entfernten Orten wird um ein Vielfaches reduziert. In der heutigen digitalen Welt, in der Ereignisse in sozialen Medien ein Eigenleben entwickeln, ist die Hemmschwelle für diejenigen niedrig, die das Bild eines Ereignisses beeinflussen möchten. Dies gilt insbesondere für die heutige Kriegsführung, in der es für die Akteure immer wichtiger wird, die Meinung in der Welt zu beeinflussen. Als Journalist mit Ursprung in der unmittelbaren Konfliktregion und als Beobachter der Ereignisse seit Ausbruch des Krieges kann ich feststellen, dass das zweifellos positive Image mehrerer schwedischer Meinungsmacher über die kurdische Gruppe in Syrien das Ergebnis einer erfolgreichen Öffentlichkeitsarbeit ist. Die kurdische Gruppe, die seit 2012 das im Nordosten des Landes entstandene Machtvakuum füllte, erkannte schon früh, wie wichtig es ist, sich nach außen bestens zu vermarkten. Die Führung der Gruppe wollte, dass sie als demokratisch dargestellt werden.
Ein Beispiel für diese Marketingidee war die Gründung des sogenannten Frauendorfs Jinwar durch die YPG (Jinwar, was auf kurdisch »Ort der Frauen« heißt). Einen Journalisten nach dem anderen luden Marketingstrategen der YPG in das einzigartige Dorf ein, um zu erzählen, wie den Frauen in diesem Teil Syriens nun endlich erlaubt sei, Freiheit unter der demokratischen, frauenfreundlichen Herrschaft der YPG, zu erfahren. Für diejenigen, die aus Syrien kommen oder das Land kennen, erscheint die Geschichte lachhaft oder sogar lächerlich.
Die Gleichstellung der Geschlechter in Syrien ist seit Jahrzehnten weit fortgeschritten und Frauen sind auf allen Ebenen der Gesellschaft anzutreffen, von Lehrern und Schulleitern über Beamte bis hin zu Politikern. Als Cecilia Uddén, Nahost-Korrespondentin des schwedischen Rundfunks, im Dezember 2018 in die Gegend kam, war das Ergebnis dieselbe unkritische Reportage aus dem Dorf Jinwar, das bereits Dutzende westliche Journalisten abgegeben hatten. Die Journalisten verliebten sich in diesen sorgfältig ausgearbeiteten Hintergrund, der von der YPG inszeniert wurde und damit zu nützlichen Idioten eines PR-Plans, der dazu beitrug, das von der YPG gewünschte Bild ihrer Behörde zu projizieren, was ich bereits in journalisten.se vermerkt hatte.
Ein weiteres Beispiel sind die Verweise westlicher Journalisten auf die christlichen oder assyrischen Verbündeten der Kurden. Tatsächlich haben viele westliche Journalisten Assyrer in der Region getroffen oder interviewt, die die kurdische Gruppe und ihre selbsternannte Autonomiehörde lobten. Genau wie im Dorf Jinwar war es das Ziel der YPG, die Behörde als demokratisch zu vermarkten, um Sympathien im Westen zu gewinnen. Keiner der westlichen Journalisten widmete die Zeit dafür Nachforschungen anzustellen, als diese sogenannten christlichen Opfer Interviews abgaben. Hätten sie dies getan, würden sie bald feststellen, dass diese kleine Gruppe der Assyrer, einer sektenähnlichen Gruppe angehört, die seit den 1980er Jahren unter dem Einfluss und der Kontrolle der PKK steht und deren einzige Aufgabe es ist, der kurdischen Gruppe ein Alibi und einen guten Ruf zu verleihen.
Dies, während die YPG tötet, droht und die überwältigende Mehrheit der Assyrer in der Umgebung unterdrückt, die sich nicht in ihren Reihen aufhalten; wie es u.a. die Assyrische Konföderation in Europa dokumentiert hat. Diese systematischen Missbrauchsfälle, von denen nur wenige westliche Journalisten Kenntnis haben, haben ich und meine Redaktion ausführlich dokumentiert.
Die kurdische Gruppe erkannte früh die Bedeutung einer guten Öffentlichkeitsarbeit und unternahm alle Anstrengungen, um das Image ihrer selbst als demokratische, tolerante und frauenfördernde Heldenhaftigkeit zu unterstreichen. Es ist erschreckend mit anzusehen, inwieweit ihre Strategie bei westlichen Journalisten, Meinungsmachern und Politikern die beabsichtigte Wirkung entfaltet hat. Angesichts der Tatsache, dass die gleichen Journalisten und Meinungsmacher auf die Bedeutung der Wachsamkeit gegen ausländische Einflussnahme hinweisen, haben wir alle Grund zur Sorge und sind beim Einschalten von Radio oder Fernsehen wesentlich kritischer.
Quelle: hujada.nu
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