Ein Kommentar von Ernst Wolff
Der Leverkusener Bayer-Konzern zählt zu den härtesten und kompromisslosesten Playern im globalen Pharmageschäft. Seine sieben Vorstandsmitglieder verdienen im Jahr etwa 25 Millionen Euro, dürften trotz dieses beruhigenden finanziellen Polsters aber zurzeit nicht besonders gut schlafen, und das aus mehreren Gründen.
Nach der Übernahme des Saatgutriesen Monsanto für 56 Milliarden Euro im Juni dieses Jahres wurde schnell klar, dass Bayer sich ein Kuckucksei ins Nest geholt hatte: Gegen Monsanto stehen in den USA zahlreiche Gerichtsverfahren wegen der gesundheitlichen Folgen des Pflanzenschutzmittels Glyphosat an, die riesige Schadensersatzzahlungen nach sich ziehen könnten. Auf Grund der Übernahme verlor der Kurs der Bayer-Aktie zwischen Juni und Dezember etwa 40 Prozent.
Um diese Verluste auszugleichen und eine Reihe weiterer unternehmerischer Fehlentscheidungen zu bereinigen, verkündete der Bayer-Vorstand vor einem Monat, bis Ende 2021 weltweit 12.000 Stellen abbauen zu wollen – mit der Folge, dass es in der Belegschaft erheblich brodelt.
Nun gibt es eine neue Hiobsbotschaft: Wie in dieser Woche bekannt wurde, deuten diverse Anzeichen darauf hin, dass sich der US-Hedgefonds Elliott Management bei Bayer eingekauft hat. Elliott Management wird von dem berüchtigten Paul Singer geführt und gilt als einer der gefräßigsten weltweit agierenden Geierfonds.
Geierfonds sind dafür bekannt, dass sie immer dann auftauchen, wenn Unternehmen oder Staaten in Schwierigkeiten geraten, vorhandene Schwächen gnadenlos ausnutzen, sich hemmungslos bereichern und in vielen Fällen verbrannte Erde hinter sich zurücklassen.
Paul Singer hat Elliott Management 1977 mit einem großenteils ererbten Startkapital von 1,3 Millionen Dollar gegründet und verwaltet heute ein Vermögen von über 34 Milliarden Dollar. Dem US-Wirtschaftsmedium Bloomberg zufolge handelt es sich bei Singer um den „am meisten gefürchteten Investor der Welt“.
In der Tat stechen die Geschäftsmethoden des 73-jährigen Harvard-Absolventen selbst im Haifischbecken der internationalen Hochfinanz hervor. Nachdem Singer seinen Hedgefonds als eine Art Inkasso-Büro gestartet hatte – er kaufte damals Schulden für einen Bruchteil ihres Wertes auf und trieb sie mit allen juristischen Mitteln wieder ein – wählte er Mitte der Neunziger Jahre ein neues Betätigungsfeld: den Aufkauf von Staatsanleihen.
Singer interessierte sich allerdings nur für die Anleihen solcher Länder, die akut von der Zahlungsunfähigkeit bedroht waren, wie zum Beispiel Peru und Argentinien. Er kaufte deren Anleihen weit unter ihrem Ausgabepreis ein und ließ mehrere Jahre verstreichen. Während andere Investoren irgendwann Nerven zeigten und sie sich auf eine reduzierte Rückzahlung einließen, saß Singer sämtliche Probleme aus, um am Ende eine internationale juristische Maschinerie in Gang zu setzen und so den vollen Preis der Anleihen zuzüglich der anfallenden Zinsen einzutreiben.
Besonders berüchtigt machte ihn der Aufkauf von Staatsanleihen der afrikanischen Republik Kongo, die er kurz vor der Jahrtausendwende zu einem Bruchteil ihres Nennwertes erwarb. Als ihm der geforderte Preis nicht in voller Höhe ausgezahlt wurde, ließ Singer nach Informationen des US-Magazins The Nation 90 Millionen US-Dollar Entwicklungshilfe zur Bekämpfung einer Cholera-Epidemie juristisch blockieren und nahm so den Tod zahlreicher Menschen in einem der ärmsten Länder der Welt in Kauf, um die Auszahlung zu erzwingen.
Die Rechnung ging auf: Die britische Justiz gab Singer 2006 Recht und verurteilte den Schweizer Rohstoffkonzern Glencore dazu, eine Zahlung für zwei Öllieferungen nicht an die Republik Kongo, sondern an Singers Firma auf den Cayman Islands zu überweisen – wodurch Singer nicht nur den vollen Preis von 30 Millionen Dollar, sondern auch noch die anfallenden Zinsen in Höhe von 9 Millionen Dollar für seine Anleihen erhielt.
In den vergangenen Jahren hat sich Singers Hedgefonds – auch in Deutschland – dadurch hervorgetan, in zahlreiche Firmen einzusteigen, „überflüssiges“ Personal zu entlassen und die Firmenleitungen auf Kurs zu bringen, d.h.: sie zu zwingen, bis zum Weiterverkauf so viel Profit wie möglich zu machen, auch wenn dadurch langfristige – also erst nach dem Ausstieg Singers zu erwartende – Schäden entstehen.
Ein prominentes Beispiel für Singers Machenschaften liefert momentan der AC Mailand. Der weltbekannte Fußballclub war im April 2017 vom ehemaligen italienischen Premierminister und Medienmogul Berlusconi für 740 Millionen Euro an den chinesischen Geschäftsmann Li Yonghong verkauft worden. Da Li nicht über die volle Summe verfügte, lieh er sich von Singer 300 Millionen Euro.
Dass Singer Li einen Kredit gewährte, ließ Insider aufhorchen, denn ihnen war bekannt, dass Li in Schwierigkeiten steckte. Doch vor wenigen Wochen zeigte sich, wie Singer kalkuliert hatte: Als Li mit einer Rückzahlungsrate in Verzug geriet, trat eine Klausel des Vertrages in Kraft, die Singer über Nacht zum Mehrheitseigentümer des AC Mailand machte.
Eine Woche später wurde auf Singers Geheiß ein neuer Verwaltungsrat bestellt, der den Verein nun mit allen Mitteln profitabel genug machen soll, damit er mit Gewinn an einen von zwei bereits im Hintergrund lauernden US-Investoren verkauft werden kann.
Dass die Bayer AG und der AC Mailand nichts miteinander gemein haben, zeigt, dass es Singer bei seinen Einsätzen nicht etwa um irgendeine Sache, sondern ausschließlich darum geht, die Schieflage von Unternehmen jeglicher Art auszunutzen, um aus ihnen in kürzest möglicher Zeit den höchstmöglichen Profit zu schlagen.
Da die Bayer AG mit unterschiedlichem Erfolg auf diversen Geschäftsfeldern tätig ist, ist es gut möglich, dass Singer anstrebt, den Konzern in seine Einzelteile zu zerschlagen und die profitabelsten davon zu verkaufen. Das verheißt weder für die Belegschaft noch für den Vorstand Gutes, denn für viele von ihnen wird in diesem Konzept kein Platz sein.
Unter schlaflosen Nächten sollten allerdings nicht nur die Betroffenen, sondern wir alle leiden, denn wir leben in einer Gesellschaft, die die entfesselte und absolut hemmungslose Gier von Geschäftsleuten wie Paul Singer nicht nur widerspruchslos hinnimmt, sondern durch ihre Gesetze begünstigt und im Zweifelsfall sogar juristisch absegnet.
Dieser Kommentar gibt die Meinung des Autors wieder und stellt nicht zwingenderweise den Standpunkt von nex24 dar.
Ernst Wolff
Ernst Wolff ist freier Journalist und Autor des Buches “Finanz-Tsunami: Wie das globale Finanzsystem uns alle bedroht“.
Wolff, geboren 1950, aufgewachsen in Südostasien, Schulzeit in Deutschland, Studium in den USA. Der Journalist und Spiegel-Bestseller-Autor (»Weltmacht IWF«) beschäftigt sich seit vierzig Jahren mit der Wechselbeziehung von Politik und Wirtschaft. Sein Ziel ist es, die Mechanismen aufzudecken, mit denen die internationale Finanzelite die Kontrolle über entscheidende Bereiche unseres Lebens an sich gerissen hat: »Nur wer diese Mechanismen versteht und durchschaut, kann sich erfolgreich dagegen zur Wehr setzen.«