Von Klaus Jurgens
Ist es nicht schade: noch bevor die neue deutsche Regierung steht – die ja aller Voraussicht nach als Neuauflage der Großen Koalition in Kürze vereidigt wird sobald die Verhandlungsgespräche erfolgreich beendet sind – wurde aus dem ersten Positionspapier eine Passage bekannt die Befürworter einer normalen, fairen, auf beidseitigem Vertrauen und gegenseitigem freundschaftlichem Verständnis beruhendem Türkeipolitik mit großer Sorge die Stirn runzeln ließ.
Und ich persönlich bin mit Sicherheit ein Befürworter einer klar definierten GroKo anstelle von langfristig ohnehin eher unhaltbaren Vielfarbenkombinationen.
Wie Medien berichten schließen Union und SPD die Eröffnung weiterer Kapitel für die EU Mitgliedschaft der Türkei aus, einhergehend mit dem Vorwurf die Lage der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Menschenrechte habe sich dort verschlechtert.
Es solle auch keine Visa-Liberalisierung oder Erweiterung der Zollunion geben. In diesem Sinne – man wirft der Türkei doch immer vor es gibt hier keine Meinungsfreiheit – erlaube ich mir jetzt ganz frech mir meine ganz persönliche Meinungsfreiheit herauszunehmen und sage an Europa (darf man doch als EU Bürger?) gerichtet: die Türkei ist eine Demokratie, ein Rechtsstaat und beruht auf der Achtung von Menschenrechten.
Was sie nicht mag sind Terroristen, die entweder von zu Hause oder vom Ausland aus ihr Land zerstören wollen. Die britische Regierung versicherte gerade, sie stehe zur Türkei wenn es um die Sicherung ihrer territorialen Rechte geht (Operation Olivenzweig).
Interessant also, dass ein anderes – ebenso führendes – europäische Land in diesem aber auch anderen Belangen voll hinter Ankara steht. Könnte es also sein das meine o.a. Meinungsfreiheit darauf basiert das Stück für Stück Europa wieder Richtung Ankara schaut, als Freund? Vor allem Rat und Kommission sind wichtig.
Kurz-Rückblick Jamaika: nachdem die Vertreter der grünen Bewegung unter Herrn Cem Özdemir ihre 180 Grad Kehrtwende von einer vormals die moderne Türkei unterstützenden Partei (sogar der Europa-Kongress der Grünen fand einst in İstanbul statt…) in eine Anti-Türkei Hassparolen-Gruppierung vollzogen hatten und somit als ernstzunehmender Türkei-Gesprächspartner weg vom Fenster waren, gab es jüngeren Datums natürlich noch eine weitere Entwicklung: Herr Özdemir könnte unter Jamaika sogar Außenminister werden.
Letzteres nun zu den Akten gelegt, dachte man eigentlich eine GroKo – Wiederauflage würde auch bezüglich der deutschen Position zur Türkei eine eher positive Blickrichtung mit sich bringen, vor allem nach den inoffiziellen Gesprächen zwischen Außenminister Mevlüt Çavusoğlu und seinem deutschen Amtskollegen, Sigmar Gabriel, in dessen Heimatstadt Goslar am Harz.
Im Wahlkampf bereits als Thema missbraucht, sieht es nun ganz danach aus als ob die Türkei als eine Art ‚Politik-Uhu‘ verwendet wird um sicherzustellen dass Hardliner in welcher der beteiligten Parteien auch immer (Türkei-)Ruhe geben. Hätte man da nicht einhundert andere innenpolitische und außenpolitische Fragen auswählen können anstatt wieder einmal ein ganzes Land und seine stolzen 80 Millionen Menschen ins Abseits zu rücken?
Oder ist es in der Tat so schlecht um die deutsche Politik bestellt, dass man die Türkei als permanentes Feindbild deklariert hat und quasi in die Fußstapfen der Grünen-Partei tritt; alles was die moderne demokratische Türkei macht als falsch und mies darstellt und als den gemeinsamen ‚Negativ-Nenner‘ definiert?
Ich möchte diese Negativität aber nicht kopieren und versuche von daher in die Zukunft zu blicken, oder eher gesagt, über die Zukunft zu schreiben. Mit anderen Worten: es gibt da drei Themenbereiche (neben vielen anderen aber ich möchte meinen journalistischen Punkt so deutlich wie möglich machen und habe von daher ‚hot picks‘ ausgewählt) wo ich hoffe die erneute GroKo und ihre doch welterfahrenen und diplomatisch exponierten Politikerinnen und Politiker drehen das Anti-Türkei Ruder herum und steuern wieder in sichere Häfen, basierend auf Gemeinsamkeiten.
Da wäre erstens das fehlende Verständnis für den Juli 2016 – Putschversuch; ich bitte um vollste Unterstützung für die Bemühungen in der Türkei die kriminellen Putschisten zur Verantwortung zu ziehen und das muss auch Hilfestellung bei der Suche nach flüchtigen Putschisten,f die sich ins Ausland abgesetzt haben beinhalten. Anders formuliert: wie hätten Sie in Berlin reagiert wenn ein Parallelstaat mit Hilfe von Teilen des Militärs den Bundestag gestürmt und dabei weit über 200 Menschen getötet hätte um sodann eine Diktatur auszurufen?
Zweitens, das ebenso fehlende klare Bekenntnis darüber, dass die Türkei nach Europa gehört anstatt die Tür komplett zuzuschlagen wie jetzt angedeutet – das sollte als klare Ansage kommen. Das heißt auch: Visa-Liberalisierung für 6-monatige Schengen – Visa jetzt, und nicht mal wieder 54 Jahre später.
Und drittens, die größtenteils immer noch fehlende Bereitschaft im Kampf gegen die PKK auf deutschem Boden endlich Härte zu zeigen; damit die Gärtner des Terrorismus auszuschalten, natürlich immer im Rahmen des Rechtsstaates.
Die letzte Bemerkung bzw. den Ausspruch ‚Gärtner des Terrorismus‘ entnahm und übernahm ich dankenswerterweise von einem Kommentar des türkischen Präsidenten auf eine vor-fabrizierte Frage eines französischen Journalisten der die Türkei beschuldigte falsch vorzugehen im Kampf gegen FETÖ u.a.; gehört während der Pressekonferenz von Präsident Emmanuel Macron und Präsident Recep Tayyip Erdoğan kürzlich in Paris.
Aller guten Dinge sind drei – dann kann man ja eine Null hinten anfügen wenn die Zeit für die nächsten 27 ‚hot picks‘ gekommen ist. Aber die drei hier, das wäre doch einmal ein guter Anfang vor allem für die neue Große Koalition der ich wirklich alles Gute und viel Erfolg wünsche vor allem mit all der diplomatischen und auch Türkei-Erfahrung die wir in ihren Reihen mit Sicherheit wiederfinden werden.
Dieser Kommentar gibt die Meinung des Autors wieder und stellt nicht zwingenderweise den Standpunkt von nex24 dar.
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Klaus Jurgens
Klaus Jurgens – London School of Economics Postgraduate Degree Government. Vormals Uni-Dozent Ankara, Schwerpunkt BWL und KMU. Über zehn Jahre vor Ort Erfahrung Türkei. Zur Zeit wohnhaft in Wien. Politischer Analyst und freiberuflicher Journalist.