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Kommentar
„Was, Ihr verbringt Weihnachten in der Türkei?“

Die moderne Türkei des Jahres 2017 heißt Menschen mit anderen Glaubensbekenntnissen sehr herzlich willkommen. Ich selber als ein protestantischer Christ habe mich nie ausgegliedert gefühlt, wurde selten gefragt wie mein Glauben denn eigentlich aussieht… ob in eher ländlichen Regionen oder den tollen Metropolen dieses immer faszinierenden Landes: was mir immer gesagt wurde war "Klaus, wie können wir Dir helfen Weihnachten so zu feiern wie Du es gewohnt bist?"

(Foto: Screenshot)
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Von Klaus Jurgens

„Was, ihr verbringt Weihnachten in der Türkei?“ So oder ähnlich waren die Kommentare, die mir erwidert wurden, wenn meine diesjährigen Pläne für die Jahresabschlussferien unter Bekannten und Kollegen, die nicht in der Türkei leben, diskutiert wurden – leider jedoch nicht mit der gebotenen freundlich gemeinten Zustimmung, sondern mit diesem gewissen herablassenden Augenzwinkern, so nach dem Motto: „Seid Ihr noch ganz beisammen?“

Es bringt mich auf die sprichwörtliche Palme, nicht auf die wirklichen Palmen, die zu jeder Jahreszeit wunderbar die Strandpromenaden in Aydıns Didim oder Kuşadası zieren, wo meine wunderbar große türkische Familie ihre kleinen, nunmehr abbezahlten Zweitwohnsitze hat. Renovierungsbedürftig hier und da, aber Geld wächst nirgendwo auf Bäumen – also investiert man ein Jahr in einen neuen Gartenzaun, und im nächsten kauft man schönere Terrassenfliesen. Und dann vielleicht ein Jahr eher nichts. Normalität eben.

Und genau darum geht es in diesem Artikel: Normalität! Plus etwas besonders Türkisches: ein Höchstmaß an Toleranz inklusive für Menschen mit anderem Glauben, obwohl wir ja eigentlich alle, Muslime und Christen, an denselben Gott glauben nur mit unterschiedlichen Interpretationen.

All die weiter oben angesprochenen Missverständnisse können nur von daher rühren, dass allzu viele westliche Medienmitarbeiter sich selten bis niemals die Mühe machten, über die Türkei als Land für vier Jahreszeiten zu berichten, und auch darüber, wie die vielen Zehntausenden von deutschen und anderen europäischen Mitbürgern, die die Türkei zu ihrer neuen Heimat erklärt haben, eigentlich Weihnachten verbringen. Sie denken wohl, dass Normalität in der Türkei ein Fremdwort ist… falsch gelegen!

Sie sollten einfach einmal verstehen, nachvollziehen wie ihr eigenes Land nach einem Militärputsch reagieren würde, nach einem Bombardement ihres eigenen Parlamentes. Und dennoch herrscht in der Türkei Normalität, da die Menschen intern mit den Terroristen aufgeräumt haben, aber alle ausländischen Gäste, Mitbewohner wie immer willkommen heißen. Wir sind alle Türken in diesem Sinne! Kein Terrorist kann jemals diese moderne Türkei aus den Angeln heben, seien Sie versichert.

Also Weihnachten, Neujahr feiern in der Türkei, wie geht das? Ganz einfach gesagt: genau wie früher zu Hause auch, nur vielleicht noch viel schöner, zumindest aber immer mit diesem besonderen Türkei-Touch!

Weihnachtszeit in der Türkei: Vorbild für friedvolles Miteinander, Toleranz

Erstens: Die moderne Türkei des Jahres 2017 heißt Menschen mit anderen Glaubensbekenntnissen sehr herzlich willkommen. Ich selber als ein protestantischer Christ habe mich nie ausgegliedert gefühlt, wurde selten gefragt wie mein Glauben denn eigentlich aussieht, ob in eher ländlichen Regionen oder den tollen Metropolen dieses immer faszinierenden Landes: Was mir immer gesagt wurde, war: „Klaus, wie können wir Dir helfen Weihnachten so zu feiern, wie Du es gewohnt bist?“

Das beinhaltet die grüne Oase Bolu, die einst unser zu Hause war, die Hauptstadt Ankara, wo die Familie lebt, wenn es keine Semesterferien gibt, dann eine meiner Lieblingsstädte Van, die ich bereits mehrmals besuchen durfte, und dann natürlich auch die Expat-Hochburgen von Antalya entlang der ganzen südwestlichen Küste bis nach Izmir.

Zweitens: Egal ob in einer rein „türkischen“ Nachbarschaft gemeint mit all meiner Liebe für unser Land, oder in eben einer unserer ebenso schönen Expat-Hochburgen, überall wird man Geschäfte mit Weihnachtsdekoration finden, überall gibt es dieselben Zutaten für das Weihnachtsmahl. Warum? Unsere türkischen Freunde feiern das Neue Jahr mit fast denselben festlichen Dekorationen wie wir unser Weihnachten feiern.

Drittens: Türkische Menschen feiern ohnehin sehr gerne, die Türkei ist ein Land mit Menschen, die gerne zusammen sitzen, reden, lachen, reden und noch mehr lachen. Na, da passen wir zu Weihnachten und zum Jahresanfang doch bestens mit hinein.

Viertens: Wenn wir alles dann zu ein hundert Prozent so wie früher zu Hause haben wollen, gibt es Weihnachtsmärkte, auch in führenden Hotels. Es gibt Weihnachtsmenüs in fast allen Restaurants an der südwestlichen Küste. Es gibt Supermärkte und Delikatessen, die all das offerieren, was wir benötigen, überall.

Und dann mein persönliches Nummer 5, obwohl eher eine Reihe von Punkten: Sonne, zwar etwas kalt, aber immerhin Sonne, und die Chance zur Mittagszeit im Hemd auf einer Hotel-Terrasse auf Weihnachten anzustoßen? Türkei! Festliches Ambiente mit toll dekorierten Restaurants, um uns einfach rundum zu verwöhnen, aber immer mit diesem Palmenblick, diesem Meerblick, oder eben diesem Skiresort-Flair irgendwo dabei? Türkei! Zurück zum letzten Punkt: Skiresort-Flair Türkei? Aber sicher, die Liste von Top-Pisten ist schier endlos.

„Was, Ihr verbringt Weihnachten in der Türkei?“ Wenn ich die glücklichen Gesichter meiner Familie, die genau dort zur Zeit weilt, als Gradmesser nehme – genauso wie seit 2004, genauso wie hoffentlich noch für viele, viele Jahre – na wo denn sonst?

Und keine Angst – im Neuen Jahr 2018 schreibe ich auch wieder über die Politik, die Wirtschaft und alles andere, aber ich dachte, zum Jahresausklang darf man auch einmal etwas persönlicher werden – Alles Gute für das Neue Jahr 2018 an Sie, unsere geschätzten Leserinnen und Leser!

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Klaus Jurgens

Klaus Jurgens – London School of Economics Postgraduate Degree Government. Vormals Uni-Dozent Ankara, Schwerpunkt BWL und KMU. Über zehn Jahre vor Ort Erfahrung Türkei. Zur Zeit wohnhaft in Wien. Politischer Analyst und freiberuflicher Journalist.