Berlin (nex) – Zehn Tage war eine Schüler-AG mit mehrheitlich muslimischen Jugendlichen in Polen unterwegs, um sich über die Vernichtung der Juden während der Nazizeit zu informieren und über das Leid, das der polnischen Bevölkerung in dieser Zeit angetan wurde. Am Ende wurden sie selbst beschimpft, bespuckt und bedroht. Das berichtet „Deutschlandfunk“ (DLF).
Seit zwei Jahren beschäftigten sich die Oberstufenschüler in der Arbeitsgemeinschaft AG Erinnern an der Theodor-Heuss-Gemeinschaftsschule in Berlin-Moabit neben ihrem Unterricht mit der Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden. Sie seien mit ihrer Lehrerin Sabeth Schmidthals schon in Israel, im Jahr danach auf den Spuren jüdischer Exilanten in Spanien und Frankreich unterwegs gewesen.
„Also man kann sagen, dass es Schüler sind, die sehr aktiv sind, und gerade entgegen der normalen Meinung, Jugendliche interessieren sich nicht für das Thema, und muslimische sowieso nicht, kann ich genau das Gegenteil sagen, die Motivation ist hoch“, so Sabeth Schmidthals gegenüber DLF.
Die 20 Schülerinnen und Schülern – mehrheitlich Muslime – hätten in Polen die Vernichtungslager Treblinka und Majdanek besucht.
„Ich wurde auf der Straße einfach von einem Mann angespuckt, und dann ist der Mann weggerannt, und die Polizisten haben nicht geholfen“, zitiert DLF die Schülerin Seydanur.
Seydanur trage Kopftuch. Auf sie und die anderen drei Mädchen in der Gruppe, die ebenfalls Kopftuch trügen und so als Muslime kenntlich seien, habe sich der Hass in erster Linie entladen. Es sei aber nicht bei einem Vorfall geblieben. Die Schülerinnen Laethicia, Isra und Bukra seien von einem Sicherheitsdienst eines Kaufhauses verwiesen worden, weil sie am Telefon Persisch gesprochen hätten.
„Und danach sind sie dann zu mir gekommen und haben gesagt, können Sie rausgehen, Sie stören unsere Mitmenschen. Und ich meinte dann, warum denn? Nur weil ich persisch spreche und eine Ausländerin bin? Ja“, sagte die Schülerin gegenüber DLF.
Eine Frau habe gerufen „geht weg!“ und „verschwindet!“ und habe daraufhin über die Berlinerin und ihre Kamera ihr Getränk geschüttet.
„Das war echt schade, weil wir sind für die gekommen, um uns nach ihrer Geschichte zu erkundigen, mit so etwas habe ich nicht gerechnet.“
Weil sie keine Polen sind, sei den Schülerinnen und Schülern auf einem Markt in Lublin der Kauf von Wasser verweigert worden. Schülerin Bukra sei sogar auf der Straße von einem Mann mit einem Messer bedroht worden. Er sei schnell auf sie zugekommen, und sie habe gedacht, dass er sie bloß etwas fragen wollte. Er sei dann aber losgerannt und habe ein Messer oder etwas Ähnliches gezogen. Die Schülerin sei daraufhin schnell zum Hotel zurückgerannt.
„Der Schock saß sehr tief, dadurch, dass wir so etwas gar nicht erwartet haben, vor allem nicht von einem Mitglied der EU“, ergänzt Mert gegenüber DLF.
„Ich bin besonders geschockt, dass das den Jugendlichen passiert ist, die uns ja auch anvertraut sind für diese Reise und gerade auf einer Reise, wo sie sich mit diesem Thema beschäftigen. Das ist natürlich besonders traurig“, so Hans-Christian Jasch, Direktor der NS-Gedenkstätte „Haus der Wannseekonferenz“, gegenüber DLF. Die NS-Gedenkstätte unterstütze die „Arbeitsgemeinschaft Erinnern“.
Die Gedenkstätte werde sich sofort mit seinen polnischen Partnern zusammensetzen und die Vorfälle auswerten. Direktor Jasch wolle ebenfalls einen Brief an den polnischen Botschafter in Berlin schreiben. Ihn ärgere besonders, dass die Polizei den Jugendlichen in mindestens einem Fall offensichtlich nicht geholfen habe.
Auch interessant
Ankara: Erdogan kündigt weltweiten Kampf gegen Islamophobie und Rassismus an