Empörung über Falschmeldung zu Weihnachtsverboten
Germersheim (nex) – Eine dpa-Meldung über ein Weihnachtsverbot am deutsch-türkischen Elite-Gymnasium Istanbul Lisesi, die erwartungsgemäß von sämtlichen deutschsprachigen Medien ohne weitere Überprüfung übernommen und veröffentlicht wurde, erweist sich offenbar als Falschmeldung. Die türkische Community in Deutschland und Politiker reagieren empört.
Mitten in der von der Bundesregierung angestoßenen Diskussion über die Verschärfung der Strafen bei sogenannten Fake-News erhitzt jetzt dieser Fall die Gemüter. Deutsche Medien wie etwa die Tageszeitung »Die Welt« oder auch seriösere Medien wie »Süddeutsche Zeitung« hatten ohne die Angabe von Quellen getitelt, dass »Weihnachten an deutscher Schule in Istanbul verboten« worden sei.
Unter Verweis auf »Millionenbeträge«, mit denen die Schule durch deutsche Steuergelder gefördert worden sei, meldete die Tageszeitung, dass Weihnachten »ganz von dem Gymnasium verbannt« worden sei.
Zum Abend hin wurde dann erst in den Medien die Stellungnahme der Schule veröffentlicht. In der Erklärung, die NEX24 vorliegt, betont die Schulleitung, dass sich die Einrichtung, in die ausschließlich türkische Schüler gehen, entgegen den Pressemeldungen der allgemeinen Glaubensfreiheit verpflichtet fühle.
Kein Verbot
»Es existiert kein Verbot und es kann kein Verbot existieren, das das natürlichste Recht der deutschen und türkischen Lehrkräfte, Schüler und des Personals, nämlich die Glaubensfreiheit, einschränkt«, heißt es in der Stellungnahme.
Es stelle sich die Frage, wem derartige Provokationen dienlich seien. »Den deutsch-türkischen Beziehungen dienen sie jedenfalls nicht«, so die Einschätzung. Türkische Politiker und die türkische Community reagierten empört auf den Fall und forderten Sanktionen gegen die verantwortlichen Medien.
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Mustafa Yeneroglu, Vorsitzender des Menschenrechtsausschusses der Großen Nationalversammlung der Türkei, äußerte etwa Verständnis für die Aufregung, die die Nachricht verursacht habe. Er stellte aber gleichzeitig klar, dass es weder ein Verbot der Behandlung von Weihnachten im Unterricht noch eine Unterbindung der Teilnahme des Schulchors am traditionellen Weihnachtskonzert im deutschen Generalkonsulat gegeben habe.
Doppelte Standards
Ebenso handele es sich um ein staatliches türkisches Gymnasium und keine deutsche Auslandsschule. Eine Anordnung von offizieller Seite, so der AKP-Politiker, habe es trotzdem nicht gegeben. Vielmehr sei die Weihnachtsfeier laut Schulleiter von der deutschen Leitung der Schule selbst abgesagt worden.
In den sozialen Netzwerken wurde der Fall intensiv diskutiert. So machte etwa die Bloggerin Merve Gül darauf aufmerksam, dass die zuständigen türkischen Behörden bereits am 15. Dezember um »Rücksichtnahme« gebeten hätten, »dass Schüler nicht dazu gezwungen werden dürfen etwas zu tun, das gegen ihre Werte oder Weltanschauung verstößt«.
Eine Pflicht für Weihnachtenfeiern sei auf Protest gestoßen. In zahlreichen Kommentaren bei Facebook und Twitter wurde auf doppelte Standards hingewiesen, die offenbar gelten würden, wenn es um Fake-News gehe. Konsequenterweise müsse dann nämlich auch dieser Fall als Fake-News behandelt und bestraft werden, so der Tenor.
Gerade vor dem Hintergrund, dass in denselben Leitmedien immer wieder behauptet werde, deutsche Schüler dürften in Deutschland keine Weihnachtsbräuche pflegen, sei diese Behauptung besonders absurd.
Genug ist genug
Tatsächlich heizt der Fall die Stimmung an. In den sozialen Netzwerken häufen sich empörte Kommentare. „Genug ist genug!“, schreibt ein User etwa, „Wenn sich die dpa-Meldung über das Verbot der Weihnachtsfeier an der deutschen Schule in Istanbul nachweislich als Fake erweist, so sollte dieser halbstaatlichen Presseagentur die Akkreditierung in der Türkei entzogen und die Arbeitserlaubnis der Korrespondenten widerrufen werden. Ich würde dann den Tatbestand der Volksverhetzung geltend machen.“
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Pressemitteilung der Schule:
Erklärung zu den Vorwürfen bzgl Weihnachtsfest Die Nachrichten in der deutschen Presse über ein vermeintliches Weihnachtsverbot für deutsche Lehrer am Istanbuler Jungengymnasium entsprechen nicht der Wahrheit und sind Ausfluss von Bestrebungen, der Öffentlichkeit ein verzerrtes Meinungsbild zu vermitteln und mehr als 100 Jahre türkisch-deutsche Beziehungen und ein halbes Jahrhundert fruchtbare Kooperation im Bereich der Bildung zu überschatten.
In den vergangenen Wochen haben uns vermehrt Informationen darüber erreicht, dass einige deutsche Lehrer – ohne dass dies Teil des Curriculums ist – Texte über Weihnachten und das Christentum im Unterricht behandeln. Uns kam zudem zu Ohren, dass die diesbezüglichen Fragen der Schüler von den Lehrern nicht hinreichend beantwortet wurden und Gerüchte aufkamen.
Ohne viel Zeit zu verlieren hat die Schulverwaltung die Deutsche Abteilung der Schule um Informationen und eine sensible Behandlung des Themas gebeten, damit keine weiteren Spekulationen aufkommen und die Bildungspartnerschaft zwischen den beiden Ländern nicht gefährdet wird. Das Weihnachtskonzert des deutschen Generalkonsulats in Istanbul wurde vom ehemaligen Leiter der Deutschen Abteilung Michael Schopp, selbst studierter Theologe, ins Leben gerufen.
Seit 7-8 Jahren singt dort ein Chor aus Schülern des Deutschen Gymnasiums, des Österreichischen Gymnasiums und des Istanbuler Jugendgymnasiums. Der amtierende Leiter der Deutschen Abteilung hat bei unserem Verwaltungstreffen deutlich gemacht, dass er ein solches religiöses Konzert nicht unterstützt und eine laizistische Bildung befürwortet. Es wurde darauf hingewiesen, dass jeder Schüler mit Erlaubnis seiner Eltern an dem Konzert teilnehmen darf und das Konzert unter Berücksichtigung der Urlaubsund Zeitenregelungen des Bildungsministeriums stattfinden kann.
Jedoch wurde das Konzert seitens der deutschen Lehrer aus uns unverständlichen Gründen abgesagt. Ein Verbot seitens der Schule gab es nicht, allein deshalb schon nicht, weil das Konzert außerhalb der Schule und am Abend stattfinden sollte. Unsere Nation hat eine 1000 Jahre zurückreichende Geschichte. Ihr Respekt vor anderen Religionen und Meinungen sind sowohl in Europa als auch in der übrigen Welt bekannt.
Das Edikt des Eroberers Istanbuls, in dem den Christen Istanbuls Gewissens- und Religionsfreiheit zugesichert wurde, hat seinen verdienten Platz in der Geschichte eingenommen. Religionsfreiheit ist ein Recht aller in der Schule, ob deutscher oder türkischer Lehrer, Schüler oder sonstiger Angesteller. Von einer Einschränkung ist und kann nicht die Rede sein.
Unsere Schule, die schon wenige Stunden nach dem Gespräch mit dem Leiter der Deutschen Abteilung von der deutschen Presse kontaktiert wurde, verfolgt die Entwicklungen mit großer Aufmerksamkeit. Es muss aber schon hinterfragt werden, wem diese Provokationen nützen. Dass sie den türkisch-deutschen Beziehungen nicht dienen, ist gewiss.