London (nex) – Starke Fundamentaldaten, umfassende Reformen des türkischen Fiskalsystems und eine „sorgfältige“ Finanzpolitik haben die Folgen des Putschversuches in der Türkei vom 15. Juli abgeschwächt.
Dies geht aus den Aussagen von Experten hervor. Timothy Ash, Stratege der in London ansässigen Consultingfirma Nomura International, erklärte gegenüber der Nachrichtenagentur Anadolu, dass die makroökonomischen Fundamentaldaten in der Türkei stark blieben:
„Es lässt sich erkennen, wo die grundlegenden Stärken sind, die der türkischen Kreditwürdigkeit nützen, darunter ein eindrucksvolles Profil der öffentlichen Finanzen, ein niedriger Staatsschuldenanteil von 35 Prozent des BIP und ein moderates Budgetdefizit von zwei Prozent des BIP.“
Im ersten Quartal des Jahres 2016 stieg das türkische BIP um 4,8 Prozent an, gemessen am Vergleichszeitraum des Vorjahres. Damit ist die Türkei nach wie vor eine der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften Europas und des OECD-Raums. Ein starker Bankensektor, eine positive Bevölkerungsentwicklung und dauerhaftes Wachstum bleiben demnach die Säulen der türkischen Wirtschaft.
„Was die Kreditwirtschaft anbelangt, hat die Türkei bereits ihre Stresstests in Form der Krisen von 1999, 2001 und 2008 bestanden und ihre starke Bereitschaft gezeigt, ihre Verbindlichkeiten zu begleichen“, erklärte Ash. Der Analyst wies zudem darauf hin, dass sich die Regierung und die bedeutsamsten Oppositionsparteien einhellig gegen den Putschversuch in der Türkei gestellt hatten.
„Die westliche Reaktion war, als hätte es sich bei dem Putsch um eine Art Tea Party gehandelt“, zeigte sich Ash über die Reaktionen verwundert. „Zudem scheinen die westlichen Medien komplett das Thema verfehlt zu haben, indem sie das Ganze wieder als Angelegenheit von Islamismus und Säkularismus dargestellt hatten.“
Christian Maggio, der Chef des Marktforschungsinstituts für Emerging Markets, TD Securities, in London, erklärte, der Putschversuch sei eine sehr ernste Sache gewesen, eine massive Verletzung demokratischer Prinzipien.„Wäre der Putsch erfolgreich gewesen, wäre die Türkei in eine Phase großer Unsicherheit abgeglitten; die Situation wäre ungleich schlimmer geworden als sie heute ist“, so Maggio.
Der Analyst Ipek Ozkardeskaya von der London Capital Group erklärte, die Türkei sei „einer Katastrophe von der Schippe gesprungen“. Ozkardeskaya machte deutlich: „Hätten die Putschisten Erfolg gehabt, wäre ein massiver Verkaufsdruck auf die Staatsanleihen entstanden, auf die Börse und auf die türkische Lira. Krisenszenarien bezüglich der Zahlungsbilanz hätten sich bewahrheitet.
Das Land ist gerade einer Katastrophe von der Schippe gesprungen.“ Als eine der besten Performer bezüglich der Reduzierung des Schuldenstandes gehört die Türkei zu jenen Ländern, die seit 2004 durchgehend das Maastricht-Kriterium von 60 Prozent erfüllen.
Der Anteil der Staatsschulden am BIP sank von 74 Prozent im Jahr 2002 auf 33,5 Prozent im Vorjahr. In Deutschland beträgt der Anteil laut Eurostat 74,5 Prozent, in Frankreich 95 Prozent.