Singapur (nex) – Die Bedeutung der Zulieferindustrie ist Endverbrauchern meist nicht bewusst. Was in technischen Geräten verbaut wurde, bekommt der Konsument oft gar nicht zu Gesicht – es sei denn, er schraubt etwa sein Auto oder seine Digitalkamera auseinander. Ohne die spezialisierten, zumeist mittelständischen Hersteller in Bereichen wie Feinmechanik oder Präzisionsbearbeitung sind viele Produkte heute undenkbar. Entsprechend hoch ist der Beitrag dieser Unternehmen zur Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft – nicht nur in Deutschland.
Singapurs Wirtschaft ist von mittelständischen Unternehmen geprägt, von denen viele im Bereich der Präzisionstechnik tätig sind. Als Zulieferer für Branchen wie Elektronik, Medizintechnik oder Luftfahrt haben sie mit ihren Erzeugnissen, die im Endprodukt meist verborgen bleiben, einen großen Anteil an der Bruttowertschöpfung des Landes. Nicht umsonst gehört die verarbeitende Industrie zu den tragenden Säulen der Wirtschaft. Ihr Anteil am Bruttoinlandsprodukt liegt bei über 20 Prozent (siehe Grafik rechts). Dies entspricht ungefähr dem Niveau in Deutschland. Laut Singapore Statistics legte die verarbeitende Industrie Singapurs bis September 2011 binnen Jahresfrist beim Umsatz um rund 13 Prozent zu.
Optimale Rahmenbedingungen
Bei diesen Gemeinsamkeiten in der Wirtschaftsstruktur und angesichts solider Wachstumsraten verwundert es nicht, dass auch deutsche Mittelständler den Großkonzernen nach Asien folgten und sich in Singapur etablierten. „Singapur ist die wirtschaftliche Metropole Südostasiens und bietet als Standort viele Vorteile. Vor allem wenn man als Unternehmen neu in die Region kommt“, sagt Dr. Tim Philippi, Chef der Deutsch-Singapurischen Industrie- und Handelskammer. Dazu zählen neben der englischen Sprache das wirtschaftsfreundliche politische Umfeld sowie die gute Infrastruktur. Bei 2700 Unternehmen im Bereich der Präzisionstechnik gibt es eine Vielzahl potenzieller Kooperationspartner.
Hinzu kommt Singapurs starke Stellung als Standort für Forschung und Entwicklung, die deutsche Firmen dazu bewegt, in Singapur einen Standort für Feinmechanik aufzubauen. Die Zusammenarbeit zwischen örtlichen Forschungsinstituten und Wirtschaft ist eng. In diesem Umfeld können Unternehmen Innovationen schnell voranbringen und dadurch ihre Wettbewerbsfähigkeit sichern. Dies hat etwa Dorma aus Ennepetal überzeugt. Der Weltmarktführer für moderne Türsysteme wagte 1978 den Schritt nach Asien und gründete eine Tochtergesellschaft in Singapur. „Singapur hat für Dorma eine hohe strategische Bedeutung. Anfangs als unser erster internationaler Produktionsstandort und heute als Wachstumsmotor für unser gesamtes asiatisches Geschäft“, sagt Thomas P. Wagner, Geschäftsführer der Dorma Gruppe.
Ideales Wachstumsumfeld
Das deutsche Lager wird kontinuierlich größer. Rund zwei Drittel der deutschen Unternehmen in Singapur sind mittelständische Unternehmen, die von gut ausgebildeten Fachkräften vor Ort und idealen Wachstumsbedingungen profitieren. Zuletzt hat die Regierung ein Förderprogramm in Höhe von 43 Millionen Euro zur Ausbildung junger Menschen im Technikbereich aufgelegt sowie ein Konjunkturpaket aus Steuersenkungen und Liquiditätshilfen in Höhe von zehn Milliarden Euro bereitgestellt. „Als Hersteller innovativer Lösungen in der Materialprüfung partizipieren wir direkt von der Entwicklung der verarbeitenden Industrie in Singapur. Seit der Wirtschaftskrise 2009 ging es, unterstützt durch attraktive Fördermaßnahmen der Regierung, wieder schnell bergauf. Wir haben hier besonders in den Segmenten Kunststoff, Medizintechnik und Luftfahrt schöne Wachstumserfolge“, sagt Christian Wiese, Geschäftsführer von Zwick Asia. Das Unternehmen gehört zur Zwick Roell Gruppe aus Ulm, deren Maschinen und Systeme in der Material- und Bauteilprüfung zum Einsatz kommen.
Rückgrat der Wirtschaft
Zwicks Produkte sind unter anderem im Bereich der Feinmechanik gefragt. Die Branche bildet praktisch das Rückgrat der Produktion in Singapur. 2009 setzte sie 10,4 Milliarden Euro um – das entspricht neun Prozent des gesamten Produktionsausstoßes des Landes. Singapur hat sich zu einem globalen Zentrum für hochwertige Feinmechanik und zum Knotenpunkt für komplexe Fertigung entwickelt. Ein Beispiel: Mittlerweile kommen 70 Prozent der weltweiten Produktion an Drahtbondern für die Halbleiterindustrie aus Singapur. Eine Entwicklung, welche die in München beheimatete F&K Delvotec Bondtechnik GmbH hautnah miterlebt hat. Das Unternehmen war der erste Hersteller vollautomatischer Bonder in Europa.
Diese dienen zur Drahtkontaktierung von Mikrochips. F&K Delvotec errichtete in Singapur ein Zentrum für Applikation, Service und Vertrieb von Drahtbondern und ist dort inzwischen seit mehr als 20 Jahren aktiv. „Wichtig war für uns unter anderem die günstige Verkehrslage in der Nähe unserer wichtigsten Kunden in Malaysia, auf den Philippinen und in Thailand. Inzwischen haben wir auch in geringerem Maß eine Konstruktionsabteilung in Singapur eingerichtet, um kundenspezifische Anpassungen schneller und ohne die Zeitverschiebung zwischen Europa und Asien erledigen zu können“, sagt Dr. Farhad Farassat, geschäftsführender Gesellschafter von F&K Delvotec.
Als günstig bewertet auch Oliver Naucke, Head of Marketing der Uhlmann Group, die Marktbedingungen. Das Unternehmen entwickelt Verpackungsmaschinen für die Pharmaindustrie – vom Blister über die Faltschachtel bis zur Fläschchenabfüllung. Vor vier Jahren hat Uhlmann eine eigene Fertigung in Singapur aufgebaut und diesen Schritt nicht bereut. „Für Serienprodukte, gerade mit technologischem Anspruch, ist Singapur nach wie vor ein guter Standort.“