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Kommentar
Repressalien gegen muslimische Uiguren: 5 Dinge die jeder dagegen tun kann

Seit die Vereinten Nationen den der CERD vorgelegten Bericht von Human Rights Watch über die exzessiven Menschenrechtsverletzungen und Verfolgung der muslimischen Uiguren durch die chinesischen Behörden in der autonomen Region Xinjiang anerkannt haben, ist nun auch endlich das Medienecho größer geworden.

(Archivfoto: Screenshot/Twitter)
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Von Prof. Dr. Hans-Christian GüntherSeit die Vereinten Nationen den der CERD vorgelegten Bericht von Human Rights Watch über die exzessiven Menschenrechtsverletzungen und Verfolgung der muslimischen Uiguren durch die chinesischen Behörden in der autonomen Region Xinjiang anerkannt haben, ist nun auch endlich das Medienecho größer geworden. Auch das Europäische Parlament hat China aufgefordert, seine Verbrechen zu beenden. In den USA gibt es Stimmen, die Sanktionen gegen an diesen Verbrechen Beteiligte fordern. Der alte und neue Premierminister Malaysias hat chinesischen Regierungsvertretern bei einem Besuch in Hongkong explizit widersprochen und festgestellt, die Verwandlung einer ganzen Provinz in ein Konzentrationslager sei keine interne Angelegenheit Chinas, sondern eine der internationalen Gemeinschaft. Muslime in Indien und Bangladesch sind inzwischen auf die Straße gegangen. Dennoch ist es bemerkenswert und schockierend, dass in der muslimische Welt weniger über den Versuch der chinesischen Regierung, den Islam in China auszulöschen, berichtet wird als im Westen, dass der Premier Malaysias der einzige Regierungschef eines muslimischen Landes ist, der sich bisher klar geäußert hat. Mit den Medien muslimischer Länder habe ich meine eigenen Erfahrungen gemacht, ich habe zahlreichen englischsprachigen im Internet präsenten Zeitungen Artikel angeboten, zumeist kam keine Antwort, obwohl ich darauf verwiesen habe, dass ich, was ich schreibe, selbst erlebt habe und Informationen biete, die über das hinausgehen, was man ansonsten hört. Die Jakarta Post hat mir immerhin geantwortet und meinen Artikel abgelehnt. Kurz darauf erschien in derselben Zeitschrift ein Artikel des chinesischen Botschafters unter dem Titel , Wonderful Xinjiang‘, wo jede Verfolgung der Uiguren geleugnet wird. Ich glaube ich muss dem Leser nicht erklären, was hier geschieht, auch nicht, dass dieser Vorgang das Schweigen anderer muslimischer Länder erklärt. Immerhin konnte ich auf der 18. AICIS-Tagung in Indonesien zur Lage der Uiguren sprechen: das Auditorium, das nichts von den Vorgängen wusste, war schockiert. Im Anschluss wurde ich zu einem Fernsehinterview gebeten. Ein Kollege hat mir versprochen, er werde eine Möglichkeit finden, wo ich das in Indonesien publizieren könne. Auch im Iran war meine Zuhörerschaft von den Vorgängen in China schockiert, eine Kollegin hat sich erboten, einen Beitrag von mir in Farsi zu übersetzen und publizieren zu lassen. Eine Kollegin in Ägypten hat ihn ins Arabische übersetzt: die Zeitung, der sie ihn anbot, sagte, im Moment sei das inopportun, es werde zu einem späteren Zeitpunkt veröffentlicht. Paradoxerweise: eine indische Tageszeitung, The Pioneer, hat meinen Beitrag veröffentlicht. Gewiss wurde, was den islamischen Raum anbelangt, etwa in Al Jazeera ab und an zu Xinjiang etwas veröffentlicht; am intensivsten geschah das wohl in der Internetseite DOAM. Umso verdienstlicher ist es, dass die große muslimische Internetplattform ,The Muslim Vibe‘ sich jetzt mit einem sehr informativen und besonnenen Artikel an Muslime gewendet hat und sie auffordert, ihren Brüdern und Schwestern in China aktiv beizustehen. Sie nennt fünf Punkte, wie jeder einzelne Muslim – ich würde hinzufügen, jeder anständige Mensch mit Sinn für Mitmenschlichkeit – einen kleinen, aber wichtigen Beitrag leisten kann, den Menschen in Xinjiang trotz der unangreifbaren Machtfülle einer Supermacht zu helfen.

  • fordert man dazu auf, wenn man die Möglichkeit hat, Regierungsvertreter anzusprechen,
  • in der eigenen Moschee, der eigenen Gemeinde andere Gemeindemitglieder zu informieren,
  • sich an NGOs zu wenden,
  • jede Gelegenheit zu nutzen in sozialen Medien über die Verbrechen Chinas zu schreiben,
  • für die Brüder und Schwestern zu beten.

Wem das naiv erscheint und wer glaubt, das habe keine Wirkung, dem sei Folgendes gesagt: dass die Regierungen muslimischer Staaten schweigen, hat offenkundige Gründe: man fühlt sich – aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten, durch westliche Feindschaft bedingt – von China abhängig (Türkei, Iran), man hat eine traditionelle strategische Allianz mit China (Pakistan), China hat immer mehr Länder – muslimisch oder nicht – still und leise in die wirtschaftliche Abhängigkeit gelockt, China hat systematisch Staaten mit seinen Handlangern durchsetzt: was in Australien schon seit langem an die Öffentlichkeit kam und jetzt auch in den USA gilt weltweit. China hat selbst die internationale Wissenschaftsgemeinschaft, zumal die Sinologie gekauft. Wenige Wissenschaftler haben genug Rückgrat, sich der Drohung entgegenzustellen, in ihrer Arbeit in China behindert zu werden, auf nette Einladungen zu Vorträgen mit gutem Essen und netter touristischer Begleitung zu verzichten, um wissenschaftlich und menschlich integer zu bleiben. Viele Staaten der islamischen Kultursphäre werden von Regierungen geführt, die von einer Politik im Sinne muslimischer Werte weit entfernt sind oder sie sogar eklatant ignorieren, ja sogar alles tun, Muslime zu töten oder zu inhaftieren. D.h. worauf es vor allem ankommt, ist, die muslimische Öffentlichkeit zu informieren und zu mobilisieren. Es muss zu einem Druck der Straße kommen, dem sich Regierungen, um ihr Gesicht zu wahren, nicht entziehen können. Denjenigen Regierungen, die nur aufgrund von wirtschaftlicher Abhängigkeit von China nichts sagen können, könnte der Druck der Straße sogar willkommen sein, um China mit dem Argument begegnen zu können, der Druck der Straße zwinge sie, nicht völlig zu schweigen. China ist wirtschaftlich verwundbarer als man denkt – ich werde dazu noch schreiben -, und außerdem: China ist die öffentliche Meinung keineswegs gleichgültig. China bekennt sich zu den Menschenrechten. Es setzt etwas andere Akzente als der Westen, verweist aber immer wieder darauf, China respektiere die Menschenrechte, ja der Standard der Menschenrechte in China sei besonders gut!Seit der Druck der immer weiter sich verbreitenden Kenntnis von den Vorgängen in Xinjiang wächst, hat China systematisch, nicht nur in Indonesien, auch anderswo seine Botschafter mobilisiert, sich in der Presse ihrer Gastländer zu äußern und China zu verteidigen. Diesen Auslassungen entgegenzutreten ist so wichtig wie leicht: die Argumente, die die Chinesen vorbringen, sind so offenkundig lächerlich, dass es leicht ist Ihnen zu begegnen. Man muss sie gar nicht erst ins Lächerliche ziehen. Wenn man ihnen begegnet, muss man nur eines über chinesische Mentalität wissen. Chinesen sind geborene Hypokriten; man versucht, so lange es geht, mit ausgesuchter Höflichkeit um den Kernpunkt herumzureden und zu vermeiden, dass man überhaupt darüber redet. Zunächst muss man dies durch rücksichtslose Hartnäckigkeit ohne Komplimente vereiteln. Kommt man zur unangenehmen Wahrheit, sind chinesische Regierungsvertreter unschlagbar, dem Gegenüber mit der selbstverständlichsten Nonchalance ins Gesicht zu lügen. In China kommt man damit durch, da die Gegenseite nie unhöflich reagieren wird. Das führt nach chinesischen Verhaltensregeln dazu, dass beide Seiten – wie man sagt – das Gesicht verlieren. Aber nach meiner Erfahrung erreicht man am ehesten etwas, wenn man dann, wenn es wirklich erforderlich ist, bewusst grob, unhöflich, kompromisslos hart reagiert. Damit können Chinesen nicht umgehen. Und deshalb muss man diejenigen, die es verdienen, genau damit konfrontieren. Dann stecken sie zurück!


Dieser Kommentar gibt die Meinung des Autors wieder und stellt nicht zwingenderweise den Standpunkt von nex24 dar.


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– Menschenrechtsverletzungen in China –
Bericht: China verstärkt Repressalien gegen muslimische Uiguren

Eine Untersuchung des Wall Street Journal enthüllt, was in Chinas wachsendem Netzwerk von Internierungslagern, wo Hunderttausende von ethnischen Uiguren festgehalten werden, vorgeht. Wie WSJ berichtet, habe China sein Internierungsprogramm, das ursprünglich auf ethnische uigurische Extremisten zielte, scharf erweitert.

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Prof. Dr. Hans-Christian Günther

Lebenslauf

Geb. am 28.4.1957 in Müllheim / Baden

Professor für klassische Philologie an der Albert-Ludwigs-Universität. Zahlreiche Publikationen und Gastprofessoren. Lange Aufenthalte in der VR China. Im Bereich der Altertumswissenschaft besonderer Schwerpunkt auf der politischen Dichtung der Augusteer und allgemein der Reflexion antiker Autoren auf ihre gesellschaftliche Stellung und Verantwortung

Seit 2004 Tätigkeit im Bereich des Dialogs der Religionen und Kulturen mit zahlreichen Veröffentlichungen.