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Gastkommentar
Tengri – Der Gott, der das „türkische Volk rettete“

Wenn von den Ursprüngen der türkischen Kultur die Rede ist, führt kein Weg an den alten Inschriften im Orchon-Tal der Mongolei vorbei.

Sibirischer Schamane aus dem 17. Jahrhundert, (Bild: N.Witsen/CC BY 3.0/Wikimedia)
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Ein Gastbeitrag von Çağıl Çayır

Wenn von den Ursprüngen der türkischen Kultur die Rede ist, führt kein Weg an den alten Inschriften im Orchon-Tal der Mongolei vorbei. Dort, im 8. Jahrhundert in Stein gemeißelt, sprechen die Herrscher Bilge Kağan und Kül Tigin von der Macht eines Gottes, der über Himmel und Erde herrscht: Tengri.

Ein Gott des Himmels und der Geschichte

Tengri, das alttürkische Wort für „Himmel“, ist weit mehr als nur eine Naturerscheinung. Für die alten Türken war er das höchste Wesen, das Schicksal und Ordnung bestimmte. Er verlieh Königen ihre Legitimität und griff in entscheidenden Momenten in die Geschichte ein.

In den Inschriften heißt es: „Damit das türkische Volk nicht zugrunde gehe, hat der Tengri den Staat erhoben.“ Dieses Bekenntnis zeigt: Das Überleben der Türken wurde nicht als Zufall verstanden, sondern als Ergebnis göttlichen Eingreifens.

Rettung in der Not

Die Texte berichten von Zeiten der Unterwerfung, als das türkische Volk fast ausgelöscht war. Doch Tengri „gab Kraft“ und „hob den Kağan empor“. Damit ist er nicht nur ein kosmisches Prinzip, sondern ein Gott, der das Volk konkret rettet – ähnlich wie der Gott Israels im Alten Testament.

Religion und Identität

Tengri-Glaube war eng mit politischer Ordnung verbunden. Solange die Herrscher im Einklang mit Tengri handelten, blühte das Volk. Wurde das Gesetz verletzt, drohten Niederlagen und Untergang. So verband sich Religion mit Staatsräson, Geschichte mit Kosmologie.

Ein Erbe bis heute

Auch wenn die Türken später zum Islam fanden, blieb Tengri ein Teil ihrer Erinnerungskultur. Der „ewige Himmel“ wurde zum Sinnbild der Freiheit, der Unabhängigkeit und des göttlichen Schutzes – und prägt bis heute das Selbstverständnis vieler Turkvölker.


Gastbeiträge geben die Meinung der Autoren wieder und stellen nicht zwingenderweise den Standpunkt von NEX24 dar.


Zum Autor

Çağıl Çayır studierte Geschichte und Philosophie an der Universität zu Köln und ist als freier Forscher tätig. Çayır ist Autor von „Runen in Eurasien. Über die apokalyptische Spirale zum Vergleich der alttürkischen und ‚germanischen‘ Schrift‘“ und ist Gründer der Kultur-Akademie Çayır auf YouTube. Seine Arbeiten wurden international in verschiedenen Fach- und Massenmedien veröffentlicht.


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