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Festgenommene nur Bruchteil der radikalen Reichsbürgerszene

Extremismus-Experten warnen nach der Reichsbürger-Razzia vergangene Woche vor weiteren radikalen Gruppen mit Umsturzplänen.

Querdenker Demo. (Symbolfoto: pixabay)
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Hamburg – Extremismus-Experten warnen nach der Reichsbürger-Razzia vergangene Woche vor weiteren radikalen Gruppen mit Umsturzplänen.

„Da draußen gibt es weitere, ähnliche Terrorzellen“, sagt Andrea Röpke im Interview mit dem stern. „Die Festgenommenen stellen einen ganz kleinen Bruchteil der radikalen Reichsbürgerszene dar.“ Die Journalistin und Autorin beobachtet die rechtsextreme Szene seit Jahrzehnten.

Früher sei es den Reichsbürgern um die Verteidigung ihrer Ländereien gegangen, so Röpke. Heute würden sie mit Umsturz-Gedanken Sympathisanten über unzählige Telegram-Kanäle anlocken.

„Jetzt geht es um Angriff“

Unter den Augen der Behörden habe sich die Reichsbürgerszene seit Beginn der Corona-Pandemie „unheimlich radikalisiert“. Das liege zum großen Teil an der Vernetzung mit der Querdenkerszene. Die Reichsbürger hätten sich nicht mehr als Einzelkämpfer gefühlt. „Das scheint zu einem Gefühl der Ermächtigung geführt zu haben“, sagt Röpke. Durch die Vernetzung mit Querdenkern und der AfD sei ein „riesiges, radikales Netzwerk“ entstanden.

Das Bundesinnenministerium schätzt die Zahl von Reichsbürgern in Deutschland derzeit auf etwa 23.000. Andreas Speit, Journalist und renommierter Rechtsextremismus-Experte, vermutet im selben stern-Interview jedoch ein Dunkelfeld – weil die Reichsbürger heute als gefährlich eingestuft werden, würden sich viele nicht mehr zu erkennen geben. Auch die Struktur der Szene hat sich dem Experten zufolge verändert.

„Im klassischen Reichsbürgermilieu hatten wir bislang vor allem ältere Männer. Durch die Öffnung zur Querdenkerbewegung werden es immer mehr Frauen. Das Durchschnittsalter sinkt.“

Eine bewaffnete Gruppe aus Reichsbürgern und Querdenkern soll  einen Staatsstreich geplant haben. Unter den 52 Beschuldigten sind Ex-Elitesoldaten und eine frühere AfD-Bundestagsabgeordnete. In der vergangenen Woche haben die Ermittler zugeschlagen: Spezialkräfte der Polizei stürmten Wohnungen der Beschuldigten. Die Bundesanwaltschaft wirft den rund 50 Frauen und Männern vor, eine terroristische Vereinigung gebildet zu haben.

Unter anderem soll die Gruppe geplant haben, das Reichstagsgebäude zu stürmen, durch Anschläge auf die Stromversorgung bürgerkriegsähnliche Zustände herbeizuführen, sowie die Bundesregierung abzusetzen, um dann die Macht zu übernehmen. Ein Staat nach Vorbild des Deutschen Reichs von 1871 sollte errichtet werden.