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Aserbaidschan: „Auf dem Weg zu neuen, toleranzbereiten Generationen“

„I believe that the state, which will use these advantages more effectively, will gain more. Our world is more beautiful with ist cultural diversity. Let´s protect it together.“ Ravan Hasanov, 2020.

Flame Towers, Baku, Aserbaidschan. (Symbolfoto: Wikimedia)
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Ein Gastbeitrag von Asif Masimov – Doktorand an der Humboldt-Universität zu Berlin

Das kaukasische Modell: Multikulturalismus in Aserbaidschan

Jedes Land mit mindesten zwei Kulturen ist stets von Reibungspunkten als auch von Bereicherungen geprägt. Nicht immer ist es möglich zu wählen, sodass es oft ein Kampf ist, nur die Bereicherung der Kulturen zu einander zu haben.

Aserbaidschan als Vielvölkerstaat kennt diese Probleme und auch Vorteile, sodass der Multikulturalismus fest in der Politik verankert ist. Dabei gehört starkes Ein- und Durchgreifen politischer Instanzen u.a. zum Schutz von Minderheiten dazu.

Bei fast 700 verschiedenen, registrierten Religionsgemeinschaften und mindestens 40 verschiedenen Kulturen, darunter circa 16 ethnischen Minderheiten, ist es nur verständlich, dass der Staat eine Kontrollfunktion über das Engagement etwaiger Organisationen zum Völkeraustauch ausübt.

Dieser Ansatz der Bewahrung und Unterstützung der Multikulturalität ist nicht ausschließlich in Aserbaidschan üblich, jedoch wohl am ehesten gerade in diesem Staat präsent. Ob die Kontrolle über den interkulturellen Austausch im Land sinnvoll ist, beziehungsweise eventuell tatsächlich einen richtigen und unkomplizierten Weg darstellt, kann erst langfristig in einem Vergleich, aber auch im bereits erzielten Ergebnis heute betrachtet werden.

Man muss hierbei natürlich beachten, dass an anderer Stelle laut nach Akzeptanz und Schutz der Minderheiten gerufen wird. Hier wäre eine politische Unterstützung angebracht, um eventuell fatale Folgen zu umgehen.

So sehen wir das Ergebnis solcher ungelösten Konflikte oftmals als gewalttätige Ausartungen, denen durchaus politische Fehler zu Grunde liegen können. Solch eine Ausartung ist aktuell in den USA zu beobachten, die in der bereits weltweiten Kampagne „Black lives matter“ gemündet hat und nicht ausschließlich friedlich von Statten ging.

Ravan Hasanov, seit 2015 Leiter des Baku international Multiculturalism Centre, sagt dazu, dass es in Aserbaidschan keine zwischenethnischen Konflikte gäbe. Durch das Verständnis von einer Völker-Diversität als eine Art Schatz, also auch Ressource, sei der Schutz und die politische Einmischung eine logische Folge. Aserbaidschan unterstützt die kulturelle Pluralität nicht nur durch Gesetze, sondern ebenso durch finanzielle Hilfen.

Hasanov sieht die „Einheit durch Ungleichheit“ als ein fehlerhaftes Modell an und sieht die Relevanz des Multikulturalismus allein darin, dass sein Gegensatz, bestenfalls, so Hasanov, die Diskriminierung sei. Den interkulturellen Dialog sieht Hasanov als einen Schlüssel zur regionalen als auch globalen Sicherheit, gerade wenn man die fortschreitende Globalisierung und Migrationsprozesse in Betracht zieht.

Aserbaidschan habe in kürzester Zeit eine Politik begonnen, die jedoch fest verankert in moralischen Werten sei und bereits durch historische Auseinandersetzungen zwischen den Völkern nur ein rechtliches Ratifizieren von allgemeingeltenden Regeln darstelle. Somit scheint Aserbaidschan bereits erste Schritte auf dem Weg zu neuen, toleranzbereiten Generationen getan zu haben.

Durch Einführen von interkulturellen Kompetenzen in die Schulbildung, kann man einem friedlichen Miteinander und Fremdenverständnis beitragen. Hasanov stellt heraus, dass der Multikulturalismus als Schwerpunkt in Bachelor- sowie Masterstudiengängen behandelt wird und ein Novum darstellt. Möglich wurde dies durch die Initiative des Baku international Multiculturalism Centre.

„Different cultures within a state has no choice but to live together with tolerance. History has repeatedly proved this to us.“, sagt Hasanov in seinem Interview für die englische “The Prisma”. Gerade die Erziehung neuer Generationen ist offensichtlich auch in Zukunft relevant und auf heutigen Erfolgen sollte sich kein Staat und kein Volk ausruhen.

Für Hasanov liegen die Schwierigkeiten und Herausforderungen deutlich im Nationalismus, welcher –bisher regional- ein Aufleben zu finden scheint. Sollte dieser Nationalismus sich ausbreiten, muss ein solides Grundverständnis von Multikulturalismus und Toleranz dem entgegenstehen. Die Menschen würden die Relevanz dieses Systems und dieser Idee, so Hasanov, „neu“ verstehen und eine solche Politik neu bewerten müssen.

Offensichtlich ist für die aserbaidschanische Politik an dieser Stelle der interkulturelle Austausch und damit der von Hasanov erwähnte Dialog von hoher Bedeutung. Der Dialog als Methode wird des Öfteren genutzt und angewandt. In der Regel erfolgreich, also gewaltfrei. Es ist also nicht überraschend, dass Aserbaidschan ein politisch organisiertes, friedliches Miteinander der Vielzahl an Kulturen gelingt.

Nun kann man sich fragen, ob man die Kulturpolitik in Europa neu bewerten sollte. Ob es nicht möglich wäre, dieses kaukasische Modell zu übernehmen oder sich zumindest davon inspirieren zu lassen und Toleranzbewegungen in diesem Sinne zu organisieren.

Natürlich existieren eine Vielzahl an Hindernissen, dennoch muss beachtet werden, dass Aserbaidschan auf politischer Ebene Unterstützung und Hilfestellungen gibt, damit Dialoge möglich werden. Dieser Gedanke und die Wegbereitung zum Dialog sollte eine zentrale Rolle in jedem demokratischen Staat innehaben.


Asif MasimovHumboldt Universität zu Berlin, Institut für GeschichtswissenschaftenBorn 1987 in Ismayilli, Azerbaijan. Graduate of Baku State University (Bachelor of Arts in “International Relations”) and Georg-August University of Göttingen (Master of Arts in “Political Science”). Currently a PhD student in History at the Humboldt University of Berlin.


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