Sechs Jahre nach dem Unglück in der Textilfabrik Rana Plaza unternehmen die großen westlichen Handelsketten trotz anderweitiger Versprechungen zu wenig gegen schlechte Arbeitsbedingungen und dramatische Umweltzerstörungen in Bangladesch.
Diese Kritik äußern gegenüber der ARD sowohl Textilhersteller und Wissenschaftler in Bangladesch als auch deutsche Mode- und Handelsexperten (Exclusiv im Ersten: Unsere Kleidung, Montag, 21. Oktober 2019, 21:45 Uhr, im Ersten). Bangladesch ist nach China der weltweit zweitgrößte Produzent. Während die großen Kleidungsmarken auf verpflichtende Vereinbarungen zu Mindestlöhnen, Sicherheitsmaßnahmen und Umweltschutz hinweisen, kritisieren unabhängige Experten wie Dr. Khondaker Golam Moazzem vom renommierten Think Tank Research Gate Bangladesh einen enormen Preisdruck, der es in der Praxis unmöglich ma-che, durchgängig diese Standards einzuhalten.
Besonders deutlich werde dies beim Umweltschutz: Nach wie vor würden viele Färbereien ihre giftigen Abwässer ungeklärt in die Flüsse leiten. Dies betrifft insbesondere den Fluss Dhaleshwari im Großraum der Hauptstadt Dhaka. Seitdem sich vor drei Jahren auch dort Textilfabriken angesiedelt haben, nimmt die Verschmutzung kontinuierlich zu. Reporter des WDR haben Wasserproben genommen und vom WWF auswerten lassen.
Demnach überschreitet der Verschmutzungsgrad des Daleshwari den europäischen Grenzwert um das Dreißigfache. Damit drohe dem Fluss dasselbe Schicksal wie dem Nachbarfluss Buriganga, an dem schon länger produziert wird und der bereits biologisch tot sei. Aus Sicht des Wissenschaftlers Dr. Abdul Matin von Water Kee-pers Bangladesh treibt das Land unaufhaltsam einem ökologischen Kollaps entgegen: „Das Leben aller Menschen hier hängt vom Wasser ab. Doch die Gesundheit, die Ernte – alles ist gefährdet.“
Die WDR Reporter, die sich gegenüber örtlichen Fabrikanten als westliche Einkäufer aus-gegeben haben, deckten dabei am Beispiel eines Lieferanten, der auch für große Marken produziert, eine entscheidende Schwachstelle auf. Zwar war offiziell nur ein Vertrag mit die-ser Firma möglich, da sie zertifiziert und damit zur Einhaltung der Umweltstandards der Marken verpflichtet ist. Doch die Reportage zeigt, dass der Lieferant das kritische Färben in eine Firma auslagern würde, die aufgrund von Umweltverstößen von den Behörden geschlossen wurde, aber trotzdem illegal und ohne funktionierende Kläranlage weiter färbt.
Jochen Straehle, Professor für internationales Modemanagement an der Hochschule Reutlingen, der zuvor in der Modebranche gearbeitet hat, sieht als entscheidende Ursache den Preisdruck der westlichen Marken, der die Produzenten in die Illegalität treibe: „Nicht jedes Unternehmen kann dem Druck standhalten und so sind Schattenbuchhaltung, Lügerei, Vertuschung an der Tagesordnung, um als Produzent weiter gelistet zu sein.“
Tatsächlich ist nach Angaben von Eurostat, Statistisches Amt der Europäischen Union, in den letzten vier Jahren der Importpreis für Kleidung aus Bangladesch gesunken, um 57 US-Dollar pro Kilo auf 1516 Dollar. Der Wirtschaftsforscher Dr. Khondaker Golam Moazzem kritisiert, dass eine solche Entwicklung geradezu zwangsläufig zu Umweltverstößen in den Fabriken verleite: „Der laufende Betrieb von Kläranlagen ist kostspielig. Und Firmen, die diese nutzen, haben einen Nachteil gegenüber anderen, die sie abschalten.“
Die ARD hat acht große Marken zu der Entwicklung ihrer Einkaufspreise in Bangladesch befragt. C&A bestätigt „geringfügig gesunkene“ Einkaufspreise, verweist aber auf Effizienzsteigerungen in den Betrieben unter anderem aufgrund größerer Bestellmengen. H&M und Otto erklären, nicht weniger zu zahlen. Die Mehrheit, darunter auch Aldi, Lidl, Zara, Kik und Primark, geben dazu keine Auskunft. Alle angefragten Marken sehen keine Zusammenhang zwischen ihrer Einkaufspolitik und den Umweltschäden.
Exclusiv im Ersten: Unsere Kleidung, Grün gewaschen oder wirklich nachhaltig? Montag, 21.10.2019, 21.45 Uhr, Das Erste