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Türkischunterricht aus der „leider nicht sonderlich demokratischen Türkei“

Eine SPD-Politikerin aus Baden-Württemberg fordert tapfer “Tücherfreie Köpfe” bis zum Erwachsenenalter, während die Kippa heruntergerissen und alsbald geächtet wird. Ein vergeblicher Versuch, das Wählerpotenzial halbwegs zu halten. Ein Kommentar.

(Beispielfoto: pixa)
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Von Nabi Yücel

Eine SPD-Politikerin aus Baden-Württemberg fordert tapfer “Tücherfreie Köpfe” bis zum Erwachsenenalter, während die Kippa heruntergerissen und alsbald geächtet wird. Ein vergeblicher Versuch, das Wählerpotenzial halbwegs zu halten.

In Nordrhein-Westfalen fordert eine Stadt von einem Moscheeverein die Loslösung von der DITIB. Erst danach soll ihr der Moschee-Neubau mit Gemeindezentrum gestattet werden, während in anderen Landesteilen manch ein DITIB-Bauvorhaben komplett versagt wird. Wohl auch eine unbeholfene Geste gegenüber dem Fußvolk, das sie wieder wählen soll. In Dortmund brüllen Rechtsextreme von frühmorgens bis spätabends antisemitische Parolen und die Polizei spricht von “Vorkommnissen”, während die Landespolitiker um die Clan-Kriminalität besorgt sind.

Auch ein netter Gimmick, um von den tatsächlichen Problemen abzulenken. Und zu guter Letzt wird die Eröffnungsfeier der DITIB-Zentralmoschee in Köln wohl nur noch vom türkischen Präsidenten begangen, weil man Stärke zeigen will und sich abwendet – auch so eine Geste, um das Bild zu erhalten, das man jahrelang aufgebaut hat, während man das Bild über al-Sisi zurechtrückt und den arabischen Frühling verteufelt. Die unendlichen Widersprüchlichkeiten, moralischen Abgründe und Luftschlösser, die von Medien und der Politik aufgebaut wurden, sind von Angst, Arroganz oder Hochmut geprägt – oder wie kann man das sonst noch erklären?

Im Zusammenhang mit der Religionsfreiheit und dem persönlichen Freiheitsrecht, die beide im Grundgesetz verbrieft sind, kann es sich ja eigentlich jeder Muslim erlauben, seine persönliche Glaubensüberzeugung innerhalb der vier Wände oder öffentlich auszuüben bzw. auch zu zeigen. Stattdessen gibt es in der Parteienlandschaft Deutschlands querbeet Politiker, die immer vehementer ihre Geistesverwandtschaft mit den Mullahs des Islamischen Staates offenbaren.

Während die Mullahs die Freiheit anderer massiv einschränken, fordern immer mehr Politiker – neben der NRW-Staatssekretärin Serap Güler nun auch noch die SPD-Vorsitzende in Baden-Württemberg, Leni Breymaier – unverblümt “tuchfreie Köpfe” für unter 18-jährige und wähnen sich im Recht, die Freiheit schützen zu wollen.

Seit Jahrzehnten wird das Thema immer wieder angeschnitten mit dem Ergebnis, dass inzwischen die Kippa heruntergerissen wird. In Bergneustadt – eine nordrhein-westfälische Kleinstadt – verknüpft der Stadtrat mit den Ausschüssen den Neubau einer Moschee samt Gemeindezentrum an die Bedingung, sich von der DITIB loszusagen.

Dies verstößt zwar gegen das Vereinigungsrecht und die Vereinigungsfreiheit, aber für die Lokalpolitiker ist dies unbedeutend, weil sich die Menschen gefälligst an die Mehrheitsmeinung zu halten haben. In einem Gymnasium in Neuenburg am Rhein, hält man es für wichtig und richtig, die türkischstämmigen Schüler darüber zu informieren, dass der konsularische Unterricht aus der „leider nicht sonderlich demokratischen Türkei“ jetzt angeboten wird.

Damit greift die Schule zwar vorab in das Neutralitätsgebot ein und findet daran wohl noch Gefallen. Dennoch ist es eine Indoktrination von Schülern bzw. Schutzbefohlenen, so wie die angebliche Indoktrination von Kindern durch manche DITIB-Moscheegemeinde, in denen Theater-Vorführungen während eines türkischen nationalen Jahrestages stattfanden. Bei dem Religions-, Vereinigungs- oder persönlichen Freiheitsrecht schießt die Bundesrepublik Deutschland inzwischen schon im Sekundentakt einen Vogel nach dem anderen ab, erklärt sich aber paradoxerweise zur erstinstanzlichen Seelsorge, wenn es um die Belange anderer Staaten geht.

In dieser Atmosphäre und Lage im Land, möchte Volker Kauder (CDU) mit Erdogan während seines Deutschlandbesuches über die Religionsfreiheit in der Türkei sprechen. Was wünscht sich Kauder von der Türkei? Die Anerkennung mancher christlichen Gemeinden als Religionsgemeinschaft? Vielleicht sollte man erst einmal bei sich im Haus für Recht und Ordnung sorgen, bevor man von anderen dasselbe verlangt.

Während man über Medien weiterhin die unnachgiebige Haltung gegenüber der Türkei bzw. „Handlanger“ DITIB exportiert, hebt man kleinlaut das Wirtschaftsembargo gegen das Land auf, um das Wirtschaftssystem Deutschland, das auf den Export angewiesen ist, auf Trab zu halten und den transatlantischen Verlust aufgrund des Handelskriegs zu kompensieren. Dennoch bringt Andrea Nahles (Vorsitzende der SPD) das Thema Finanzhilfen ins Spiel.

Dies wurde jedoch von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) im Kleingedruckten dementiert. “Solche Anfragen seitens der Türkei habe es nicht gegeben”. Widersprüchliche, moralische Abgründe tun sich da auf… Man macht offenkundig und dabei wohlüberlegt die Rechnung ohne den Wirt und täuscht damit alle anderen, nur nicht die türkische Community…


Dieser Kommentar gibt die Meinung des Autors wieder und stellt nicht zwingenderweise den Standpunkt von nex24 dar.


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