Osnabrück. In der Debatte um Ankerzentren fordert das Kinderhilfswerk Terre des Hommes Bund, Länder und Kommunen auf, die Rechte und das Wohl von Kindern zu achten. Der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ sagte TdH-Kinderrechtsexperte Thomas Berthold: „Auf Grundlage der bisher bekannten Pläne steht für uns fest: Ankerzentren werden keine geeigneten Orte für Kinder und Jugendliche sein.“
In einem offenen Brief an die Bundesregierung sowie Städte und Gemeinden übt das Kinderhilfswerk gemeinsam mit 23 Verbänden und Organisationen massive Kritik an den Plänen von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU): „Das Kindeswohl muss Vorrang vor flüchtlingspolitischen Erwägungen haben.“
In dem dreiseitigen Schreiben, das der NOZ vorliegt, heißt es, Ankerzentren böten weder eine bedarfsgerechte Versorgung von Heranwachsenden noch garantierten sie den Zugang zu Bildung, auch frühkindlicher. Spiel- und Freizeitmöglichkeiten seien ebensowenig gewährleistet. Schon heute müsse man in einigen existierenden Aufnahmeeinrichtungen aufgrund fehlender baulicher Standards von einer „sogar das Kindeswohl gefährdenden Umgebung sprechen“, monieren die Kritiker in dem Brief. Terre des Hommes mahnt deshalb: „Die bayerischen Einrichtungen taugen grundsätzlich nicht als Vorbild.“ Pädagogisch und rechtlich stehe es außer Frage, dass Kinder nicht nur besonderen Schutz benötigen, sondern ihnen elementare Rechte nicht vorenthalten werden dürften.
Mit Blick auf unbegleitete minderjährige Flüchtlinge mahnen die Unterzeichner des Briefs: „Kinder ohne Eltern oder Personensorgeberechtigte haben in Einrichtungen mit unzureichendem Schutz und fremden Erwachsenen nichts verloren.“ Die geplante Unterbringung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen in Ankerzentren widerspreche dem Vorrang der Kinder- und Jugendhilfe. Neben Terre des Hommes haben unter anderem das Deutsche Kinderhilfswerk sowie AWO und Paritätischer Gesamtverband den Brief unterschrieben.
Rund 45 Prozent der Geflüchteten in Deutschland sind minderjährig. Kinder und Jugendliche sind demnach die größte Einzelgruppe unter den aus ihrer Heimat vor Krieg und Terror geflüchteten Menschen.
SPD-Politiker fordert Gesetzesänderungen
Im Streit um Ankerzentren hat Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) Vorwürfe der Union zurückgewiesen, er halte sich nicht an die ausgehandelte Einigung im Koalitionsvertrag. Pistorius sagte der „Neuen Osnabrücker Zeitung“: „Im Koalitionsvertrag steht nur das Ziel, welches wir mit Ankerzentren verfolgen, also vor allem schnellere Verfahren.“
Er fügte hinzu: „Wie dies zu erreichen ist, muss der Bundesinnenminister jetzt sagen. Solange ich das nicht weiß, kann ich kaum zustimmen.“
Der Minister reagierte damit auf Kritik aus der Union. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) fordert von der SPD, sich an den Koalitionsvertrag zu halten. Diesen habe schließlich Pistorius für die SPD mitverhandelt.
Pistorius hält für die Ankerzentren Rechtsänderungen für nötig, „vielleicht sogar auf Ebene des Grundgesetzes, weil Aufgaben neu verteilt werden“. Das alles in ein Pilotprojekt zu packen, wie von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) vorgeschlagen, mache wenig Sinn, da damit ja wohl keine Änderungen verbunden wären.