Start Panorama Terrorismus US-Wissenschaftler: „Ausländische Besatzung ist der Auslöser für Selbstmordterrorismus“

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US-Wissenschaftler: „Ausländische Besatzung ist der Auslöser für Selbstmordterrorismus“

In seinem Buch, Cutting the Fuse: The Explosion of Global Suicide Terrorism and How to Stop It (University of Chicago Press, 2010), argumentiert der US-Politikwissenschaftler Robert A. Pape und sein Co-Autor James K. Feldman, dass die ausländische militärische Übernahme einen Anstieg der Selbstmordattentate im Irak geschürt habe und nicht religiöser Extremismus.

(Screenshot: Youtube)
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In seinem Buch, Cutting the Fuse: The Explosion of Global Suicide Terrorism and How to Stop It (University of Chicago Press, 2010), argumentiert der US-Politikwissenschaftler Robert A. Pape und sein Co-Autor James K. Feldman, dass die ausländische militärische Übernahme einen Anstieg der Selbstmordattentate im Irak geschürt habe und nicht religiöser Extremismus.

Bis zur Invasion im Irak im Jahre 2003, habe es nicht einen terroristischen Selbstmordanschlag im Land gegeben. Der Erste habe sich Tage nach der Ankunft der amerikanischen Truppen zugetragen und sei vor dem Rückgang auf 256 im Jahr 2007 angestiegen.

Auf einer Konferenz im Oktober 2012 in Washington referierte Pape über seine dreißigjährige Forschung weltweiter Selbstmordattacken. „Was 95 Prozent aller Selbstmordattacken seit 1980 gemeinsam haben ist nicht Religion, sondern ein spezifischer strategischer Zug: einen Staat dazu zu zwingen Kampftruppen aus jenen Gebieten abzuziehen, die die Terroristen als Ihre Heimat ansehen oder als sehr wertvoll empfinden.“

Als Direktor des Chicago Projekts über Sicherheit und Terrorismus (CPOST) hat Pape eine Datenbank mit mehr als 2000 Fällen zusammengetragen. Um die gemeinsamen Ursachen festzustellen untersuchte er Aufzeichnungen, die Bombenleger zurückgelassen haben, wie beispielsweise Informationen über ihre Religionszugehörigkeit, deren sozioökonomischer Status und andere persönliche Daten.

Von 1980 bis zum Jahr 2003 waren terroristische Selbstmordanschläge relativ selten und die Gefahr für amerikanische Bürger war minimal: weniger als 15 Prozent dieser 343 Attacken auf der ganzen Welt waren gegen die Interessen der USA gerichtet. Und dennoch waren von 2004 bis 2009 1.833 Selbstmordanschläge – 92 Prozent an amerikanische Ziele gerichtet.

Vor diesem Anstieg ereigneten sich die Anschläge am 11. September 2001, welche die Auswirkungen des Selbstmordterrorismus in den Vereinigten Staaten deutlich hervorhob. Weniger als ein Jahrzehnt zuvor hatten Terroristen sechs Menschen in einem Bombenanschlag im World Trade Center getötet. Diese Attacke vom 26. Februar 1993 „hat jedoch die amerikanische Regierung, unser Militär und das meiste unseres Landes nicht auf den Kopf gestellt um eine Wiederholung zu vermeiden“, schreiben Pape und Feldman in Cutting the Fuse.

Der Unterschied, argumentieren die Autoren, war der Selbstmordterrorismus, der unverhältnismäßigen Horror bereitet – 19 Täter töteten tausende Zivilisten was zum Großteil nur dadurch möglich war, dass sie bereit dazu waren auch ihr eigenes Leben zu opfern. Wie Pape sagt sind „Selbstmordterroristen die ultimative intelligente Bombe.“ Solche Attacken belaufen sich auf nur drei Prozent des globalen Terrorismus zwischen 1980 und 2001, waren jedoch für 70 Prozent aller Todesfälle verantwortlich.

Nur selten wurde mit solchen Attacken der religiöse Märtyrertod gesucht. In den 24 Jahren vor dem Einmarsch im Irak hatten die nichtmuslimischen Tamil Tigers die meisten Selbstmordattacken aller terroristischer Organisationen weltweit begangen – von denen 78 gegen Sri Lanka, zwischen 1987 und 2001, gerichtet waren. Der „Time“ zufolge hatte diese Terrorgruppe den Bombengürtel erfunden und zum ersten Mal eingesetzt.

Sogar unter fundamentalistischen Gruppen war die Abstoßung der ausländischen militärischen Besatzung die zugrundeliegende Motivation. Vom Libanon in den 1980ern – den ersten Selbstmordattacken seit den Kamikaze aus dem Zweiten Weltkrieg – bis hin zum heutigen Irak und Afghanistan, ging die Anwesenheit fremder Truppen aus demokratischen Ländern, die als „verletzlich gegenüber Zwangsbestrafung“ angesehen werden, mit einem Anstieg des Selbstmordterrorismus einher.

Selbst im Irak, wo sich ein Rückgang der Attacken im Jahr 2008 mit einem Anstieg der US-Truppen überlagerte halten Papes Erkenntnisse noch immer daran fest: trotz des „Anstiegs“ stellt er heraus, dass das Ergebnis unter der Bilanz eine geringere Präsenz des ausländischen Militärs war, da vereinigte Truppen in größerem Maße abgezogen wurden, als das neue Streitkräfte aus der USA ankamen.

Pape und Feldman sind auf ähnliche Umstände in Afghanistan gestoßen. Dort gab es im Land von 2003 bis 2005 weniger als 15 Selbstmordattacken, doch die Zahl schoss nach oben auf 87 im Jahre 2006 und auf 128 im kommenden Jahr. „Sie bleibt hoch“, sagt Pape. „Warum?“ Von 2001 an trafen internationale Streitkräfte in unglaublich hohen Zahlen in Kabul ein und dann im Norden und Westen des Landes. Bis Oktober 2006 haben sie sich jedoch nicht bis zur Heimat der Paschtunen in Südafghanistan ausgebreitet. Danach fing der Suizidterrorismus der Paschtunen Feuer.

Es ist ein vorhersehbares Muster: Pape und Feldmann erkennen diese Korrelationen in den acht Haupt-Suizidterrorfeldzügen in den frühen 1980ern. Einschließlich einer Selbstmord-Lastwagenbombe die am 23 Oktober 1983 241 US Marinesoldaten tötete, gab es 30 Attacken im besetzten Libanon zwischen 1982 und 1986.

Zu dieser Zeit ließen schiitische Muslime der Hisbollah viele Menschen glauben, dass religiöser Fundamentalismus die treibende Motivation der Organisation sei. Cutting the Fuse erklärt, dass die Hisbollah vor der Invasion Israels im Juni 1982 nicht existiert hatte. In diesem Juli wurde sie gebildet.

In den vier folgenden Jahren waren diese 30 Attacken „alle direkt oder stillschweigend von der Hisbollah koordiniert worden“. Mit dem Abzug der ausländischen Truppen aus dem Land – erst die Vereinigten Staaten, dann Frankreich, danach Israel – nahm die Anzahl der Selbstmordattacken ab. „Seit dem Abzug des israelitischen Militärs im Jahr 2000“, sagt Pape, „gab es kein einziges libanesisches Selbstmordattentat mehr.

Also stellte er eine rhetorische Frage, mit der er eine Frage des ehemaligen US-Verteidigungsministers Donald Rumsfeld umschrieb: Wurden mehr Terroristen erzeugt als die Vereinigten Staaten gefangen genommen oder getötet hat? Pape präsentiert seine Forschungen als ein eindringliches Ja: „Ausländische Besatzung ist der Auslöser für Selbstmordterrorismus“, sagt er, „so wie Rauchen der Auslöser für Lungenkrebs ist.“

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