Halle (ots) – Der in den USA lebende Literaturwissenschaftler und Vizepräsident der Kurt Weill Foundation, Guy Stern, warnt in einem Interview mit der „Mitteldeutschen Zeitung“ vor Gefahren populistischer Politik in den USA, aber auch in Europa und Deutschland.
Stern, der am 14. Januar 95 Jahre alt wird, nennt den kommenden US-Präsidenten Donald Trump „vollkommen unberechenbar … Was er heute sagt, kann morgen dementiert werden. Und umgekehrt. Deshalb sind die Sorgen berechtigt – sowohl, was unsere Innenpolitik betrifft, als auch die auswärtigen Beziehungen“.
Wenn Trump am 20. Januar ins Weiße Haus einzieht, werde ihm, Stern, übel werden. Über die Verhältnisse in Deutschland, wo er mehrfach als Gastprofessor an Universitäten Vorlesungen hielt, sagt er, dort hätten sich „alle möglichen Leute um die Fahne der AfD geschart. Da weiß man nicht, wer morgen die Führung übernehmen wird“.
Guy Stern, 1922 in Hildesheim geboren, gelang es 1937 als einzigem Mitglied seiner Familie, das nationalsozialistische Deutschland zu verlassen, seine Eltern und Geschwister kamen im Holocaust um.
Über die Wahlerfolge der rechten Parteien sagt er, sie sprächen dafür, „dass viele nicht mehr wissen, dass sie gebrannte Kinder sind – nur eben drei Generationen entfernt. Und sie erinnern sich nicht mehr daran, was damals über das Land und die Menschen gekommen ist“.
Wie er trotz der Trauer um seine ermordeten Angehörigen die Kraft fand, nach Kriegsende auf Deutsche zuzugehen? „Man kann keine Pauschalurteile fällen. Es gab ja Anständige unter den Deutschen … Diese alle in einen Topf zu werfen, wäre falsch gewesen. Und es kam eine neue Generation nach dem Krieg; viele … wollten in Kontakt treten mit mir. Das habe ich als ein Zeichen gesehen für ein nationales Lernen aus der Vergangenheit. Ich hoffe, dass dieses Bild jetzt nicht in den Schatten tritt.“
Anlässlich seines Geburtstages wird Guy Stern von der französischen Republik mit dem Orden „Ritter der Ehrenlegion“, der höchsten Auszeichnung des Landes, geehrt. Stern war 1944 mit den sogenannten Ritchie Boys, einer militärischen Nachrichteneinheit, unmittelbar nach den kämpfenden Truppen in der Normandie gelandet. Die Truppe verhörte deutsche Kriegsgefangene und Überläufer.
Das Geheimnis seines langen Lebens und seiner hohen Präsenz beschreibt Stern in dem Interview so: „Ich halte Diät. Ich treibe Gymnastik, jeden Morgen. Mentales Training kommt hinzu. Und eine junge Frau.“