Ankara (nex) – Der türkische Oppositionsführer und Vorsitzende der Republikanischen Volkspartei (CHP), Kemal Kilicdaroglu, dem bereits im Wahlkampf von Kritikern eine flüchtlingsfeindliche Position vorgeworfen worden war, kritisierte das Rücknahmeabkommen zwischen der EU und der Türkei und schlug vor, Ankara solle stattdessen selbst sechs Milliarden Euro an die EU bezahlen, damit diese ihrerseits alle Flüchtlinge aufnehme.
Das Rücknahmeabkommen verstoße gegen die Europäische Menschenrechtskonvention, meinte Kilicdaroglu, da es eine Ungleichbehandlung zwischen Flüchtlingen schaffe und die Türkei zu einem „Pufferstaat“ zwischen Europa und dem Nahen Osten mache.
„Lasst uns ihnen – der EU – sechs Milliarden Euro geben, damit sie alle Syrer, Afghanen und Pakistaner aufnehmen können“, erklärte Kilicdaroglu, und fügte hinzu, die EU nehme nur Flüchtlinge mit einem gewissen Mindestbildungsstandard auf. Er sagte, die EU nehme auch keinen „ethischen Standpunkt“ in dieser Sache ein und das Problem könne nicht allein durch Geld gelöst werden. „Flüchtlinge sind Menschen und haben auch Rechte, die durch das Völkerrecht geschützt sind.“
Ein noch nicht in allen Details vereinbartes Rücknahmeabkommen zwischen der Türkei und der Europäischen Union soll im Juni in Kraft treten. Sollte es zu dem Deal kommen, wäre die EU in der Lage, illegal über die Grenze zur Türkei gekommene Einwanderer dorthin zurückzuschieben, damit sie dort ein Asylverfahren in Anspruch nehmen können, bevor sie in ihre Heimatländer zurückgeschoben werden können. Iraker und Syrer, die den Großteil der illegalen Grenzgänger ausmachen, sind von der Vereinbarung jedoch nicht umfasst.
Im Wahlkampf zu den Parlamentswahlen 2015 hatte Kilicdaroglu Kritik dafür geerntet, dass er versprochen hatte, fast zwei Millionen Syrer im Falle eines Wahlsieges der CHP in ihr Heimatland zurückzuschicken. In einem Liveinterview hatte Kilicdaroglu 2014 erklärt, es sei „Verrat“, 1,5 Millionen Flüchtlinge aufzunehmen. In den letzten fünf Jahren hatten Syrer aller Altersgruppen seit Beginn des Bürgerkrieges Zuflucht in der Türkei gesucht. Einige von ihnen haben die Grenze im Rollstuhl oder kriechend unter Mitnahme all ihrer Habseligkeiten überschritten. Nicht zuletzt das Auftreten terroristischer Organisationen wie des IS (Daesh) oder der YPG hat Menschen dazu veranlasst, in der Türkei Schutz zu suchen.
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