Start Politik Ausland "Nicht-objektive Berichterstattung" Publikumskonferenz wirft ARD „falsche Tatsachenbehauptung“ vor

"Nicht-objektive Berichterstattung"
Publikumskonferenz wirft ARD „falsche Tatsachenbehauptung“ vor

Die ARD hat sich wieder einmal eine formale Programmbeschwerde eingehandelt. Die Publikumskonferenz der öffentlich-rechtlichen Medien wirft dem öffentlich-rechtlichen Sender „falsche Tatsachenbehauptung sowie undifferenzierte und nicht-objektive Berichterstattung“ vor.

(Foto: screenshot/tagesschau)
Teilen
Hamburg (nex) – Die ARD hat sich wieder einmal eine formale Programmbeschwerde eingehandelt. Die Publikumskonferenz der öffentlich-rechtlichen Medien wirft dem öffentlich-rechtlichen Sender „falsche Tatsachenbehauptung sowie undifferenzierte und nicht-objektive Berichterstattung“ vor.
Diesmal betrifft die Beschwerde die Berichterstattung zu den kürzlich abgehaltenen Wahlen in Weißrussland. Im Zusammenhang mit diesem Urnengang hat der Sender von „Wahlfälschung“ gesprochen und erklärt, dass diese Auffassung von „unabhängigen Wahlbeobachtern und Experten“ bestätigt.
Als solche seien jedoch nur Personen wie die Grünen-Politikerin Marieluise Beck aufgeführt, die offenbar am Wahltag nicht vor Ort waren und zudem bereits mehrfach durch einseitige und aggressive Agitation gegenüber der Russischen Föderation und deren politischen Verbündeten wie Weißrussland aufgefallen waren.
OSZE-Wahlbeobachter und das Auswärtige Amt konnten demnach diese Darstellung auch nicht bestätigen. Im Wortlaut äußern sich die Beschwerdeführer wie folgt:

Norddeutscher Rundfunk

Intendant
Herrn Marmor
Rothenbaumchaussee 132
20149 Hamburg

Programmbeschwerden

Tagesschau.de vom 12.10.2015

Tagesschau vom 11.10.2015, 20:00 Uhr (Minuten 9:31 – 11:56)

Sehr geehrter Herr Marmor,

hiermit erheben wir gegen oben genannte Beiträge zum Thema „Wahlen in Weißrussland“ vom 11.10.2015 formal Programmbeschwerde.

Der Reporter Sambale behauptete in seinem Audio:

„Die Wahl hatte kaum etwas mit einem demokratischen Verfahren zu tun, da sind sich unabhängige Wahlbeobachter und Experten einig.“

Diese Behauptung ist – soweit die diesjährige Wahl gemeint ist – nachweislich falsch und wurde auch in anderen Medien in dieser Form nicht erhoben.

So gab der unabhängige Wahlbeobachter Andrej Hunko (Linke) auf seiner Facebookseite bekannt:

„Grüße allerseits aus Baranawitschy, Belarus. Bin schon den ganzen Tag unterwegs, um die Wahlen hier in Weißrussland zu beobachten. Keinerlei Unregelmäßigkeiten oder komische Vorkommnisse in den Wahllokalen, alles transparent. Die anderen internationalen Wahlbeobachter bestätigen das. Woher die Tagesschau ‘ganz viele Fälschungen und Verstöße’ hernimmt, bleibt auch nach Lektüre des Artikels ihr Geheimnis.“

Natürlich weiß ich auch, dass es viel in Belarus zu kritisieren gibt, aber Aufforderungen zur Wahlteilnahme gibt es auch bei uns. Die Menschen hier sind nicht dumm, sie sehen auch was z.B. im Süden, in der Ukraine, passiert. Daher die Ablehnung zu gewaltbereiten Regime-Changern und die relativ hohe Zustimmung zu Lukaschenko. (…)

Die ganze undifferenzierte Berichterstattung zu Belarus ist heuchlerisch und hilft der Entwicklung von Demokratie und Pluralismus überhaupt nicht.

Es kann also überhaupt nicht die Rede davon sein, dass sich „unabhängige Wahlbeobachter und Experten einig“ darüber seien, dass es mit den Wahlen in Weißrussland nicht mir rechten Dingen zugegangen sei.

Die Behauptung, die Wahl sei kein demokratisches Verfahren gewesen, wird auch nicht vom deutschen Außenministerium erhoben. Die Wahlen am Sonntag hätten laut Steinmeier zwar „nicht den internationalen Standards“ entsprochen, „die wir uns selbst setzen“, jedoch habe es im Vergleich zu den letzten beiden Wahlen Veränderungen zum Positiven gegeben. Nachdem die diesjährigen Wahlen als Testfall für den möglichen Ausbau der Kooperation mit Weißrussland galten, wurde das

Aussetzen der Sanktionen gegen Weißrussland seitens der EU-Außenminister definitiv in Aussicht gestellt.

Auch die Polemik „der letzte Diktator“ wird innerhalb einer seriösen Nachrichtengebung zur irreführenden Behauptung und suggeriert eine undemokratische Prozedur, ein unrechtmäßig erworbenes Amt und negiert die – für deutsche Verhältnisse – hohe Unterstützung, die ein Staatsoberhaupt seitens der Bevölkerung genießt.

Bemerkungen seitens des Korrespondenten Sambale wie: „Lukaschenko ging es aber nicht nur darum, als Sieger dazustehen, er versuchte auch, die Abstimmung als rechtmäßig darzustellen.“ sind blanke Vermutung und agitatorische Interpretation im Gewand einer Tatsachenbehauptung und haben keinerlei Nachrichtenwert.

Wenn Beobachter, laut Sambale, von massiven Wahlfälschungen sprechen, dann wäre es durchaus im Sinne des Publikums, wenn der Korrespondent konkreter werden würde.

Welche Beobachter haben wann von welchen Wahlfälschungen gesprochen?

Waren die Wahlfälschungen „massiv“ in Bezug auf Quantität oder auf Qualität?

Die Wahlbeobachter und internationale akkreditierte Beobachter haben laut OSZE am Wahltag 95% des Wahlprozesses positiv beurteilt. Vielleicht könnte diese Verbesserung nachträglich ausdrücklich gewürdigt und mit Hilfe einer ins deutsche übersetzten Version des Statements of Preliminary Findings and Conclusions auf Tagesschau.de veröffentlich werden?

Unverhältnismäßigkeit, sowie eine Verschwendung von Sendezeit und Mitteln aus Beitragsaufkommen sind zu vermuten, wenn die halbe Sendezeit des Berichts über die Wahl den Statements von Frau Virnich und Frau Beck gewidmet werden. Beide berichteten letztlich nicht über die Wahl selbst, sondern über ihr persönliches Verständnis von Demokratie und über die Eindrücke, die sie über die vorletzte Wahl in Weißrussland gewonnen hatten.

Die in ihrer Haltung und Feindseligkeit einschlägig bekannte Marieluise Beck als Kronzeugin für ein Ereignis wie eine Präsidentenwahl in Weißrussland in den Expertenstatus zu heben, ist schon für die Entsendeorganisation ein gewagtes Unterfangen. Für große Teile des Publikums einer Rundfunkanstalt, die Objektivität und Unparteilichkeit zu garantieren hat, ist eine derart vorhersehbare Expertise eine Zumutung.

Um Objektivität bemühte und dem Informationsauftrag verpflichtete Berichterstattung, die gemäß NDR-Staatsvertrag zur Völkerverständigung beizutragen hat, sieht anders aus.

Wir fordern eine umfassende Prüfung der genannten Sendebeiträge.

Zum Zwecke der Transparenz werden diese Beschwerde und weiterführender Schriftverkehr auf der Webseite des Vereins veröffentlicht.

Mit freundlichen Grüßen

A. Maren Müller