Kauder gegen Abschiebung für zum Christentum konvertierte Muslime
Von Yasin Baş
Angesichts der Tatsache, dass Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) eine Gruppe von etwa 30 zum Christentum konvertierte Geflüchtete abschieben möchte, setzt sich nun der ehemalige Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) für einen Abschiebestopp der ehemaligen Muslime und deren Verbleib in Deutschland ein.
Kauder sagte, er werde in dieser für viele Christen existenziellen Frage nicht lockerlassen und nach der Sommerpause den Bundesinnenminister Horst Seehofer auffordern, sich dafür einzusetzen. „Wir wollen erreichen, dass ähnlich wie etwa im Hinblick auf Afghanistan und Syrien die Bewertung der Lage vor Ort korrigiert wird und konvertierte Christen bis auf Weiteres nicht mehr in den Iran zurückgeschickt werden”, sagte Kauder im Gespräch mit der „Bild”.
Gegenstand der Diskussion ist eine Gruppe von Ex-Muslimen, vorwiegend aus dem Iran, aber auch aus dem Irak, Syrien und Afghanistan. „Wir dürfen keine Christen in Länder abschieben”, sagte Kauder, „die dort bedroht und verfolgt werden.” Der ehemalige Chef der CDU/CSU-Bundestagsfraktion bemängelte ferner, dass Gespräche mit dem Bundesinnenministerium nicht erfolgreich verlaufen seien und man bisher keine temporäre Aussetzung von Abschiebungen erreicht habe. Überdies wirft die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGMR) einigen Staaten im Nahen- und Mittleren Osten vor, Menschen aus religiösen Gründen zunehmend zu verfolgen und zu foltern.
Mehrheitlich Geflüchtete
Schon seit längerer Zeit ist die Bekehrung von Menschen, insbesondere aus dem Iran und Afghanistan, zum Christentum ein Thema. Bei den Konvertiten handelt es sich dem Vernehmen nach mehrheitlich um Geflüchtete. So berichtet die katholische Wochenzeitung „Die Tagespost“, dass die „Zahl der Muslime, die in Deutschland und Österreich zum Christentum konvertieren, ist im Zuge der Flüchtlingsbewegung leicht angestiegen“ sei.
Im Jahr 2017 seien in Österreich ca. 550 Muslime zum katholischen Glauben konvertiert. Für Deutschland liege keine konkrete Zahl vor, da die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) bei Neueintritten die vorherige Religionszugehörigkeit statistisch nicht erfasse. So hätte das Erzbistum Köln auf Anfrage der Zeitung mitgeteilt, dass sie „von etwa 40 bis 60 muslimischen Taufbewerbern pro Jahr“ ausgehe. Das Erzbistum Hamburg beziffere die Taufen von Muslimen in den letzten Jahren auf konstant fünf bis zehn jährlich.
Das Bistum Fulda spreche von 20 Taufen von Muslimen im Jahr 2017. Auch die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) erfasst die Zahl der zum Christentum übergetretenen Muslime nicht zentral. Die Tagespost berichtet: „Auf Anfrage teilte eine Sprecherin der EKD jedoch mit, dass protestantische Gemeinden immer wieder davon berichteten, dass auch Asylsuchende ihnen gegenüber den Wunsch äußern, getauft zu werden“.
„Steter, kleiner Fluss, der zunimmt“
Wie die „Berliner Zeitung“ berichtet, sollen sich allein in Berlin Hunderte Afghanen und Iraner taufen lassen haben. Zudem wird oft angemerkt, dass ein Wechsel der Religion die Chancen erhöhe, ein Bleiberecht in Deutschland zu bekommen. Bei einer Konversion drohen den Flüchtlingen in ihrer Heimat harte Strafen, Verfolgung oder Enteignungen. So stehe im Iran und in Afghanistan auf den Übertritt vom Islam zum Christentum die Todesstrafe. Mit diesem Argument verringert sich die Wahrscheinlichkeit, dass Konvertiten aus dem Iran oder Afghanistan aus Deutschland abgeschoben werden.
Der Leiter der Iranerseelsorge bei der Evangelischen Landeskirche in Hannover, Pastor Günther Oborski, äußert sich in der österreichischen Tageszeitung „Die Presse“, dass seit 2003 bereits 2.000 Iraner in seinem Seelsorgebereich konvertiert seien und das Interesse auch bei den Afghanen deutlich steige. Statistiken über Konvertiten würden weder von den christlichen Kirchen noch vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) erhoben. Die Deutsche Bischofskonferenz spreche für das Jahr 2009 von allgemein 300 Taufen von Nichtchristen.
Zur Anzahl der Konversionen vom Islam zum Christentum äußert sich der Islamwissenschaftler Jörn Thielmann vom Erlanger Zentrum für Islam und Recht in Europa in einem Gespräch mit der Katholischen Nachrichtenagentur (KNA) wie folgt:
„Einige Hundert werden es pro Jahr schon sein. Das sind natürlich deutlich weniger als bei der Konversion vom Christentum zum Islam. Hier geht man von einer mittleren bis hohen vierstelligen Zahl aus. Aber es ist ein steter, kleiner Fluss, der meines Erachtens zunimmt.“
AEM: Missionare als „unschätzbare Brückenbauer“
Darüber hinaus meldet die unabhängige evangelische Nachrichtenagentur „idea“, dass die Arbeitsgemeinschaft Evangelikaler Missionen (AEM), seine Mitgliedswerke und deren Mitarbeiter dazu aufgerufen habe, sich für Flüchtlinge zu engagieren. Missionare seien „unschätzbare Brückenbauer zwischen den Kulturen und helfen Gemeinden, ihre Möglichkeiten zu nutzen und zu entwickeln“, ist in einer Erklärung des AEM-Vorstandes zu lesen. Laut AEM müssten staatliche Organe, um Ursachen für Flucht und Vertreibung zu bekämpfen, weltweit aber auch in Deutschland, konvertierte Christen schützen.
Primäre Aufgabe der großen Kirchen ist die Binnenmission
Der Islamwissenschaftler Jörn Thielmann spricht davon, dass besonders evangelikale Gemeinden und Freikirchen bei der Außenmission engagiert seien. Bekannt dürften überdies sektenähnliche und radikale Gruppierungen wie die Zeugen Jehovas oder die Christliche Mitte und Evangelische Allianz sein. Laut Thielmann halten sich die beiden großen Kirchen in Deutschland, die Katholische Kirche und die evangelischen Landeskirchen mit der offensiven Missionierung von Muslimen eher zurück. Man befürchte, so der Islamwissenschaftler, „den Dialog mit dem Islam zu belasten“.
Ziel bei der Katholischen und Evangelischen Kirche sei vielmehr die Binnenmission. Für die Evangelische Kirche scheint die Einschätzung des Islamwissenschaftlers eher zuzutreffen als bei den Katholiken. Denn vor einiger Zeit hat die Evangelische Kirche im Rheinland eine Broschüre mit dem Titel: „Weggemeinschaft und Zeugnis im Dialog mit Muslimen“ herausgebracht. In dem Dokument spricht sich die zweitgrößte evangelische Landeskirche Deutschlands gegen die Missionierungs- und Bekehrungsversuche von Muslimen aus. In der Handreichung wird folgendes betont: „Eine Begegnung mit Muslimen in Konversionsabsicht widerspricht dem Geist und Auftrag Jesu Christi und ist entschieden abzulehnen.“ Die Verfasser des Positionspapiers sind davon überzeugt, dass Missionierung dem interreligiösen Dialog und innergesellschaftlichen Frieden mit den Muslimen schade.
Katholische Kirche beim Thema Mission offensiver
Die Katholische Kirche geht das Thema Mission dagegen offensiver an. Mit Mission und aktiver Missionstätigkeit ist sie historisch verwurzelt. Die teilweise gewalttätige Latinisierung Südamerikas, Christianisierung Afrikas oder die Reconquista der iberischen Halbinsel gehören gewissermaßen zur Tradition des Katholizismus. Offiziell hält sich die Kirche nach wie vor an die Anweisungen von Papst Johannes Paul II. Mit Mission ist demnach auch gemeint, die gesamte Menschheit unter der Einheit der Kirche zu sammeln und aktiv für den Glauben zu werben. Zudem ist die Zahl derer in der Katholischen Kirche, die Dialog mit Mission gleichsetzen, nicht gerade gering.
Yasin Baş
Yasin Baş ist Politologe, Historiker, Autor und freier Journalist. Zuletzt erschienen seine Bücher: „Islam in Deutschland – Deutscher Islam?” sowie „nach-richten: Muslime in den Medien”.
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– Publikation –
Yasin Baş: Muslime in deutschen Medien 2018
Der Journalist und Autor Yasin Baş hat eine neue Publikation mit dem Titel „Presseschau 2018: Muslime in den Medien” herausgebracht. In dem als Jahrbuch konzipierten Werk werden nahezu alle im Jahr 2018 veröffentlichten Nachrichtenmeldungen, die die Muslime und den Islam in Deutschland betreffen, in fünf verschiedenen Kategorien untergliedert.