Von Enzio Resseguier
Heute ist der 37. Jahrestag des Oktoberfestattentates und ich bin unserem Oberbürgermeister (Dieter Reiter, SPD /Anm. Red.) sehr dankbar, dass er fordert, dass die juristische Aufarbeitung weiter gehen solle. Die Aufarbeitung ist ja eigentlich erfolgt, nur halt nicht juristisch und viel zu sehr an der Öffentlichkeit vorbei. Aber ich komme zum eigentlichen Thema, das mit dem Oktoberfestattentat und dem NSU-Prozess in direktem Zusammenhang steht.
Die Frage in die Runde, die sich auch jeder selbst beantworten kann: Wer bekommt eigentlich etwas vom OEZ-Prozess mit? Der Anschlag vom 22.07 letzten Jahres hat doch das ganze Land bewegt und vor allem uns Münchner, fristet jetzt aber in der öffentlichen Wahrnehmung ein absolutes Schattendasein. Dies mag daran liegen, dass die Leute denken, der Sonboly sei tot, der Waffenhändler sei geständig und es handle sich um die verzweifelte Tat eines Einzelnen, der ein Mobbingopfer war. Um es vorwegzunehmen: Dieses Narrativ, welches rechten Terror klein halten will, ist ziemlich weit gefehlt.
Freitag im Landgericht gab es einen Paukenschlag – und kaum eine Zeitung berichtet? Mir bekannt nur der SZ-Bericht (siehe Foto) von Susi Wimmer, aber mitnichten an prominenter Stelle, sondern irgendwo hinten im Münchner Teil versteckt. Zudem berichtet Andreas Bachner von der „Bild“ immer wieder, aber ich finde, dass auch das nicht die öffentliche Wahrnehmung prägt. Einen Tag vor der Wahl hätte man der AfD sicherlich den ein oder anderen Prozentpunkt nehmen können, wenn zentral berichtet worden wäre, was es eigentlich war: (neu-)rechter Terrorismus!
Und wenn die Presse es schon als unwichtig erachtet, dann berichte ich das eben, der ich seit kurzem von meinen hoch geschätzten, lieben Rechtsanwaltskollegen Seda Başay-Yıldız, Onur Özata und Yavuz Narin als weiterer Nebenklägervertreter dazugerufen wurde. Denn Öffentlichkeit ist meines Erachtens das, was der Fall braucht und deshalb stelle ich das Posting auch auf global, damit es gern geteilt werden kann.
Was ist passiert? Die Zeugin von Freitag, eine Ärztin bei der Bundeswehr, hat in der Hauptverhandlung mehr als glaubhaft und detailliert in ihren Aussagen bekundet, dass ihre damalige Schwägerin, eine neurechte Waffennärrin, am Tatabend des 22.07.16 im Beisein ihrer Familie freudigst erzählte, dass der angeklagte Waffenhändler, der im Darknet „Rico“ hieß, dem Attentäter von München eine Glock über das Darknet verkauft habe.
Dies zu dem Zweck, dass dieser reihenweise „Musels“ bzw. „Kamelficker“ in München töten könne. Er habe es „endlich durchgezogen“ am Jahrestag von Breivik, man habe es ihm schon gar nicht mehr zugetraut. Diese Information habe die Schwägerin der Zeugin von dem Darknet-Nutzer „blab“ erfahren, welcher seinerseits mit „Rico“ in Kontakt gestanden habe. Die wahre Identität von „blab“ ist (noch) unbekannt. Es handelt sich offenbar um die wichtigste Person auf der Plattform „Deutschland im Deep Web“; wenn ich das richtig verstanden habe, soll er auch Kontakt zu dem Attentäter auf Henriette Rieker gehabt haben.
In anderen Worten: Die Schwägerin hatte Täterwissen! Aber nicht nur das: Sie hat mitgeteilt, dass sie über den „blab“ Hilfestellungen und Tipps an „Rico“ weitergeleitet habe, damit dieser den Attentäter im Umgang mit Waffen einweisen könne. Tipps, die sie Büchern zum taktischen Schusswaffengebrauch entnommen habe. Auch solle sie Ratschläge erteilt haben, wie der Täter bei Ausführung der Tat am besten vorgehe. Denn sowohl „Rico“ als auch der Attentäter in München seien „dummes Fußvolk“, die Hitler verehrten, aber nützlich seien für die Sache. Zudem verfüge „Maurächer“ (Sonboly) über keine Erfahrung im Umgang mit Waffen. Da sie damit drohte, ihre gesamte Familie samt Kindern in den erweiterten Suizid mitzunehmen, traute sich die Zeugin zum Schutz der Kinder erst nicht, dies alles preiszugeben.
Bestätigt werden die Zeugenaussagen durch Folgendes: In einer Nachricht an den Darknet-Nutzer „Klaus-Jonas“ vom 29.08.16 teilt „blab“ folgendes mit: “ Bei einem Treffen Ende Mai sollte mein Strohmann eine Glock und eine CZ82 von Rico erhalten, er bekam aber nur die CZ. Hierzu sagte Rico meinem Strohmann, dass er eine Glock bereits an jemanden verkauft habe, der einen Amoklauf durchführen werde. Rico war davon sehr begeistert und er freute sich sehr darüber, dass es endlich mal jemand durchziehe und die Waffe auch benutzen werde. Rico habe ihm sogar Tipps gegeben, wie er den Amoklauf am besten planen solle. Er sagte allerdings, dass er von Maurächer mehr Geld bekommen hatte, als von meinem Strohmann. Aber offensichtlich ging es Rico um den Amoklauf selber, wobei er sogar wusste, welche Bevölkerungsgruppe das Ziel sein sollte. Auch davon war Rico sehr begeistert, was nicht verwundert, wenn Du den Gruß in seinem PGP-Key ansiehst.“ (Anmerkung: gemeint ist der Hitlergruß des Angeklagten, der in allen Meldungen enthalten war)
In einer weiteren Nachricht des „blab“ vom 04.09.16 an einen weiteren Nutzer des Darknets, dessen Account von Ermittlern übernommen wurde, wovon „blab“ auch Kenntnis hatte, heißt es: „Als zweites zu meinem Strohmann: Ich setze als bekannt voraus, dass Ihr wisst, was er bezeugen kann und wiederhole mich daher nicht. Ich habe über eine Anosim Kontakt zu ihm und weiß, an welchem Ort er sich derzeit versteckt. Er ist bereit, belastendes Material gegen Rico vorzulegen und gegen Rico auszusagen, dass er wegen Mitwirkung an einem Massenmord belangt werden kann.“
Nun muss man wissen, dass der Angeklagte lediglich der fahrlässigen Tötung sowie Verstoßes gegen das KriegswaffenkontrollG und WaffenG angeklagt worden ist. Um ihn der Beihilfe zum Mord zu verurteilen, bedarf es eines richterlichen Hinweises gem. § 265 StPO (bitte selbst nachlesen). Dass dieser Hinweis trotz mehrfacher Anträge der Nebenklägervertreter noch nicht erteilt worden ist – und im Übrigen auch von der StA die Anklage nicht erweitert worden ist -, ist mir persönlich unerklärlich.
Ich hoffe aber darauf, dass dies am morgigen Hauptverhandlungstag noch erfolgt. Denn laut der Ankündigung des Vorsitzenden steht zu befürchten, dass bald die Plädoyers erfolgen sollen ohne den Vorwurf der Beihilfe zum Mord. Die Mormerkmale sind für mich klar erfüllt: Rassenhass sind sog. niedrige Beweggründe. Nach Angaben der Zeugin habe der Angeklagte von den Anschlagsplänen auf muslimische Mitbürger des David Sonboly von Anfang an Kenntnis gehabt. Der Angeklagte sei nicht nicht nur eingeweiht gewesen, er habe David Sonboly sogar Tipps zum Schusswaffengebrauch und zur Durchführung der Tat erteilt. Der Angeklagte habe die Tat vom 22.07.16 unterstützt und gefördert. Er hatte (für die Rechtskundigen) den sog. doppelten Gehilfenvoratz.
Der Angeklagte hat Sonboly unendlich viel Munition verkauft, allein deshalb musste ihm klar gewesen sein, dass es sich nur um die Planung eines Gemetzels handeln könne. Und er wusste genau gegen wen sich seine Gewalt richten würde.
Was ich mit meinem Posting auch sagen will: Neurechtes Gedankengut, teils auch verbreitet in der AfD ist nicht harmlos. Nazis im herkömmlichen Sinne sind in der AfD die wenigsten. Wie sehr aber unter anderem durch diese Partei, vor allem aber neurechte Medien und Facebookgruppen die Menschen mit Ängsten und Hass vergiftet werden, zeigt sich ganz exemplarisch an dieser Schwägerin.
Nach den Angaben der Zeugin ergab sich das folgende Bild: Es handelt sich um eine hochintelligente und -gebildete Frau, die aber schwerste soziale Störungen hat, die sich u.a. in ständigen Wutausbrüchen zeigten. Sie hatte schon seit jeher ein mehr als getrübtes Verhältnis zu Muslimen, hält alle „Musels“ für „Kinderficker“, weil der Prophet schon einer gewesen sei. Diese Frau lebt seit Jahren nur im Internet (bspw. PI-News) und Darknet, selbst an Festtagen war sie kaum vom PC wegzubewegen, hat zwar ein Kind nach dem anderen bekommen, sich aber kein bißchen um sie gekümmert.
Auch sie hat sich seit der Flüchtlingswelle, in besonderem aber durch Silvester in Köln derart radikalisiert, dass sie ihren Gemetzelphantasien auch in der eigenen Familie freien Lauf ließ. Seit 2016 lief sie nur noch mit einer geladenen Waffe im Halfter herum und wollte jeden Moslem töten, der ihr zu Nahe komme. Sie äußerte ihre Fantasien, dass man Flüchtlinge töte und mit deren Blut „Refugees welcome“ schreibe. Hitler und den Nationalsozialismus lehnte wie gewöhnlich in der neurechten Szene ab und sie war auch keine Antisemitin.
Alle Beteiligten eint im Übrigen eine extreme Verehrung von Anders Breivik. Daher war ja auch der Tattag so ausgewählt, was die Schwägerin zum Tatzeitpunkt wusste, vielleicht sogar angeregt hat. Zu dem Bruder direkt wollte sich die Zeugin nicht äußern, sie hat damit von ihrem Recht Gebrauch gemacht, Angehörige nicht belasten zu müssen. (Hätte sie auch bei der Ex-Schwägerin so machen können, wollte es aber nunmehr nicht mehr) Vom Bruder ist bekannt, dass er Rechtsanwalt ist, der im Darknet als Waffennarr als „mike-bravo“ ebenfalls umtriebig war, bis das SEK ihn mitten in der Nacht hochgenommen hat, weil er neben seinen legalen Waffen auch illegale hatte.
Das Geständnis des Angeklagten ist allem Anschein nach lediglich ein Teilgeständnis, persönlich erklärt er ohnehin nichts und von Reue keine Spur. Die Staatsanwaltschaft erscheint mir bisher als komplett passiv, in den Ermittlungen wurden Standardmaßnahmen nicht ergriffen. Anträge der Nebenkläger auf Beiziehung von Aktenteilen wurden aus mir unerfindlichen Gründen abgelehnt. So u.a. sei die Ermittlungsakte „blab“ nicht relevant, weil man nicht wisse, wer er sei. Ob die Akte aber wichtig ist kann man nach meinem Dafürhalten erst erfahren, wenn man sie sieht. Die zweimaligen konspirativen Bus-Fahrten von Sonboly zum Waffenhändler mit Begleitung wurden nicht richtig aufgeklärt.
Auch interessant
NSU-Opferanwalt wirft Bundesanwälten „Ausblendung“ von Geheimdienstverstrickungen vor
Dieser Kommentar gibt die Meinung des Autors wieder und stellt nicht zwingenderweise den Standpunkt von nex24 dar.