Brüssel (nex) – Nachdem sich Belgien und Frankreich lange geweigert hatten, eigene Versäumnisse bezüglich zu lange unbeachteter Warnungen vor möglichen IS-Terroristen einzuräumen, die mit Warnhinweis aus der Türkei abgeschoben worden waren, forderte Belgiens Innenminister Jan Jambon nun, dem Ansinnen Ankaras zu entsprechen, eine Vereinbarung zwischen der EU und der Türkei zu schaffen, die eine effiziente Kooperation durch Teilen geheimdienstlicher Erkenntnisse bezüglich der Bewegungsprofile ausländischer Kämpfer ermöglichen soll.
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Der Minister regte am Donnerstag im Anschluss an ein Treffen des Europäischen Rates der Justiz- und Innenminister ein Abkommen zwischen der Türkei und der EU an, das helfen soll, die Bewegungen mutmaßlicher Dschihadisten im Auge zu behalten. Jambon erklärte auch, dass, wer abgeschoben werde, immer in sein Heimatland verfrachtet werden solle.
Einer der mutmaßlichen Beteiligten an den Attentaten von Brüssel am 22. März, Ibrahim el-Bakraoui, war im Vorjahr nahe der türkisch-syrischen Grenze unter Terrorverdacht aufgegriffen und über die Niederlande nach Belgien abgeschoben worden. Die Türkei hatte beide Länder über den bestehenden Verdacht in Kenntnis gesetzt. Am 23. März, einen Tag nach dem Anschlag, hatte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan darauf hingewiesen.
Bei den Anschlägen auf den Flughafen Zaventem und eine U-Bahn-Station in Brüssel kamen 32 Menschen ums Leben, mehr als 100 weitere wurden verletzt. Die Terrormiliz IS (Daesh) hat sich zu der Tat bekannt. Nach Erdogans Enthüllungen hatten Jambon und sein Ministerkollege Koen Geens (Justiz) ihre Rücktritte angeboten, die Premierminister Charles Michel jedoch ablehnte.
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Die belgische Regierung hat am Ende jedoch Fehler im Vorfeld des Anschlags eingeräumt. Man hätte bezüglich des späteren Attentäters „genauer hinsehen müssen mit Blick auf den Ort, an dem eine Person festgenommen wurde“, so Geens. „Wenn einer in einer Stadt festgenommen wird, die nur wenige Menschen kennen, sollte es Insidern klar sein, dass diese Person ein Terrorist sein könnte.“ Der Anschlag hatte Schockwellen durch das Land gehen lassen und zu großer Geschäftigkeit bezüglich der Verstärkung umfassender Sicherheitsmaßnahmen beigetragen.
In Belgien wurde auch über die Integrationspolitik und den Umgang mit im Land geborenen Jugendlichen aus muslimischen Einwanderercommunitys diskutiert. Perspektivlosigkeit, desolate Wohnverhältnisse und eine Jugendarbeitslosigkeit von bis zu 40 Prozent in vielen Ecken Belgiens hätten zu Radikalisierung beigetragen.
In Elendsvierteln und sozialen Brennpunkten wie dem Brüsseler Stadtteil Molenbeek hätten die Jugendlichen in einem feindseligen Umfeld ihre eigenen Netzwerke gebildet, die rasch zum Operationsgebiet für extremistische Prediger wurden. Nicht wenige von diesen kamen aus Saudi-Arabien, von dem Belgien bereits in den 1970er Jahren begonnen hatte, billiges Öl zu beziehen. Im Gegenzug wurde den Saudis die Möglichkeit eröffnet, in belgischen Einwanderervierteln Moscheen zu errichten und diese mit Predigern auszustatten. Nicht wenige von diesen erwiesen sich als politisch extrem.