Wie aus der PKK wieder eine Terrororganisation wurde
Ein Kommentar von Remzi Aru
Vor einigen Monaten hatte ich hier an dieser Stelle die Frage erörtert, woher die deutsche Liebe zur PKK kommt und wie es sein kann, dass eine blutdürstige Terrororganisation mit totalitärem ideologischem Hintergrund in Mainstreammedien und Teilen der Politik ein derartiges Maß an blauäugiger Sympathie erlangen könne.
Umso überraschter war ich gestern, als ich plötzlich in führenden Tageszeitungen Mutmaßungen und Spekulationen über einen PKK-Hintergrund des Bombenanschlags in der Nähe der Sultanahmet-Moschee lesen konnte, unter anderem sogar in Blättern, in denen ich dies bei bestem Willen nie für möglich gehalten hatte.
Sollte es Ferndiagnostikern aus der deutschen Qualitätspresse, die von der Türkei bestenfalls den Pool in der Hotelanlage oder den Raki aus der dazugehörigen Bar kennen, gedämmert haben, dass eine Organisation, die Kinder entführt, Schulen anzündet, Polizeibeamte ermordet und ihre terroristischen Umtriebe mit den Erlösen aus Drogenhandel und Schutzgelderpressung finanziert, weder die Heilsarmee noch die Synthese aus Robin Hood und den vier Musketieren ist?
Um ehrlich zu sein, auf die Idee, die PKK mit dem Anschlag in Verbindung zu bringen, wäre nicht einmal ich gekommen – und ich bin mit Sicherheit nicht dafür bekannt, die Skrupellosigkeit dieser Terrorbande zu unterschätzen. Die PKK ist im Westen der Türkei bislang vor allem mit Brandanschlägen in Erscheinung getreten, nicht mit Selbstmordattentaten. Den schnellen Weg ins Jenseits zu nehmen, ist bei atheistischen Terroristen tendenziell weniger beliebt – wobei bislang die DHKP/C diesbezüglich eine Ausnahme macht. Offenbar ist dort die Hoffnung, sich zeitnah danach in der Hölle mit verblichenen Geistesverwandten aus der sozialistischen Ahnengalerie wie Karl Marx, Charles Darwin, Mao Tse-Tung oder Adolf Hitler unterhalten zu können, doch ein Faktor.
Die DHKP/C würde das Umfeld der Sultanahmet-Moschee jedoch wahrscheinlich bis auf Weiteres als Anschlagsziel meiden, nachdem man sich vor einem Jahr bis auf die Knochen blamierte, nachdem man sich erst zu einem Anschlag auf eine Polizeistation bekannt hatte, dieser jedoch wenig später als der einer „Schwarzen Witwe“ aus Tschetschenien aufgeklärt werden konnte und man sich kleinlaut wegen „technischer Fehler“ vom eigenen Bekennerschreiben distanzieren musste.
Dass hinter dem Anschlag von gestern Vormittag die andere Mörderbande, nämlich IS/Daesh, stehen würde, war schnell herausgefunden, von Beginn an deuteten hinreichend gewichtige Indizien in diese Richtung, auch wenn die Angaben über die Herkunft des Täters zu Beginn uneinheitlich waren und zwischen Syrien und Saudi Arabien schwankten. Mit der PKK hatte die Tat aber augenscheinlich nichts zu tun.
Warum aber krochen dann trotzdem zeitnah 01/13-Truther wie der selbsternannte „Nahost-Experte“ Michael Lüders aus ihren Löchern, um uns ihre Theorien zu unterbreiten, wonach doch die PKK und nicht der IS das Blutbad angerichtet haben dürfte, das vor allem Touristen traf? Weil jeder Daesh-Anschlag gegen die Türkei das eigene Weltbild erschüttern würde, wonach die Türkei eine „Verbündete“ der Terrormiliz wäre?
Nun, nicht alle wollten ihre klammheimliche Freude über den Anschlag in einer so kaltschnäuzigen Art zum Ausdruck bringen wie die NZZ oder der Stern, der schon in seiner Schlagzeile den Klassenstandpunkt vorgab: „Die Türkei trägt eine Mitschuld daran, dass die Islamisten so stark wurden“. Was ein wenig klingt wie: „Irgendwie könnte es ja doch sein, dass die Röcke der Frauen in der Kölner Silvesternacht ein wenig zu kurz waren und ihr Alkoholpegel zu hoch…“
Aber die Story von wegen die verzweifelte „Arbeiterpartei“ wisse keinen Ausweg mehr als Touristen – darunter neun Deutsche – in die Luft zu jagen, weil der böse Erdoğan gegen „die Kurden“ vorgehen würde: Das kann man auch als Agitprop-Schmierfink noch dem gut konditionierten Publikum gerade noch verkaufen, ohne gleich pietätlos zu wirken.
Plötzlich will man nicht mehr wissen, warum der IS in der Türkei einen Terroranschlag verüben sollte. Fehlt nur noch, dass man die Terrorbande als unverstandene, zornige junge Männer, sozusagen James Deans mit Vollbart, präsentiert, die vielleicht schon bald als Deutschlands Verbündete bei der Bekämpfung der „Islamisierung“ in Betracht kommen könnten.
Bei Lüders, der sonst gerne das Liedchen von Assad als Friedensfürst und dem Iran als vermeintlich einziger benevolenter Macht des Nahen Ostens trällert, wäre das ja nicht einmal ein Stilbruch: Immerhin meinte er ja schon einmal, in einem Drohvideo des mittlerweile nicht mehr unter uns weilenden Terrorfürsten Osama Bin Laden ein getarntes „Friedensangebot“ ausmachen zu können – weil dieser während des Ausstoßens seiner Mord- und Terrordrohungen einmal keine Kalaschnikow in Händen hielt.
Was einen Lüders von einem der herkömmlichen Echsenmenschen-, Mondlandungs- oder 9/11-Verschwörungsideologen unterscheidet, ist, dass er genau abzuschätzen weiß, wo er im Nebulösen bleiben muss und was er in den ihm zugeneigten Segmenten der Öffentlichkeit bringen kann, ohne wegen offenkundiger Verwirrung unsanft in die Kopp- und Elsässer-Ecke verbannt zu werden. In einer Zeit, in der man schon dadurch „Experte“ auf einem bestimmten Gebiet werden kann, dass Facebook-Freunde einen bei Klout als solchen per Mausklick bestätigen, reicht das aus, um in den Deutschlandfunk und zur Adenauer-Stiftung eingeladen zu werden.
Es reicht jedoch nicht aus, um unanständige, an geistige Leichenschändung gemahnende Absonderungen aus den Niederungen plattester Propaganda zu seriösen Debattenbeiträgen zu machen. Leider hat sich dies in die „Stern“-Redaktion oder bis Herrn Lüders bis dato noch nicht durchgesprochen.
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