Start Politik Ausland Zvi Kogan-Mord Der tote Rabbi von Dubai – wer war Zvi Kogan?

Zvi Kogan-Mord
Der tote Rabbi von Dubai – wer war Zvi Kogan?

Thomas: "Die israelische Lesart, nach welcher grundsätzlich jeder Gewaltakt gegen einen jüdischen Menschen zwingend als „antisemitisch“ zu betrachten sei, ist mit größter Vorsicht zu betrachten."

Rabbiner Zvi Kogan (Foto: Chabad.org)
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Ein Gastkommentar von Michael Thomas

Der Fall scheint klar und niemand bezweifelt international ernsthaft, dass die Entführung des Rabbi Zvi Kogan aus Dubai und seine anschließende Tötung ein, wie der israelische Premier Benjamin Netanjahu es formuliert: „abscheuliches, antisemitisches Verbrechen“ darstellt. (1)

Die israelische Lesart, nach welcher grundsätzlich jeder Gewaltakt gegen einen jüdischen Menschen zwingend als „antisemitisch“ zu betrachten sei, ist mit größter Vorsicht zu betrachten. Die Ermordung des Rabbis wurde wie selbstverständlich ebenfalls als Akt des Terrors bezeichnet.

Seltsamerweise aber werden Ermordungen im Ausland durch Israel grundsätzlich niemals als „Terrorakt“ bezeichnet; im Gegenteil erfahren besonders gerissen durchgeführte Schläge wie der der zahllosen Pager-Explosionen gegen Hizbollah-Anführer sogar Lob und Anerkennung. Das geschieht natürlich, weil es international einen Konsens darüber gibt, dass die Hizbollah eine „Terrororganisation“ und somit jeder Schlag gegen sie ein begrüßenswerter Akt im Kampf gegen Terror sei.

Terror.

Um Zusammenhänge auch um die Ermordung des Rabbis Zvi Kogan korrekt zu verstehen, sollte eine treffende Definition von „Terror“ betrachtet werden:

„Terror (lateinisch terror „Schrecken“) bezeichnet das gezielte Auslösen von Angst und Schrecken von Menschenmassen oder Einzelpersonen durch kriminelle Taten, um ein individuelles oder politisches Ziel zu erreichen. (2)“

Und weiter:

„Terrorismus ist das Ausüben von Terror zur Erreichung politischer, religiöser, ideologischer oder wirtschaftlicher Ziele.“

Der Rabbi Zvi Kogan gehört der jüdischen, ultra-orthodoxen Sekte der Chabad an, zuweilen auch genauer als Chabad-Lubawitsch bezeichnet, die auch in Deutschland in allen großen Städten Gemeinden hat bzw. soeben aufbaut. Mitte des letzten Jahres erst errichtete Chabad in Berlin eine große Zentrale für etwa 40 Millionen Euro und bereitet damit anderen, jüdischen Gemeinden Grund zur Sorge. So schreibt die FAZ (4):

„Innerhalb des Judentums ist die Chabad-Bewegung umstritten. Juden anderer Glaubensrichtungen stören sich daran, dass Chabad sich aus ihrer Sicht im alleinigen Besitz der jüdischen Wahrheit dünkt und mancherorts den Versuch macht, in liberalen jüdischen Gemeinden zu missionieren und diese auch zu übernehmen.“

Richtig genug erfährt man bei näherer Recherche einiges über den wachsenden Einfluss der ultra-orthodoxen Sekte Chabad. Sie selbst vertreten vehement die Ansicht, dass das Land Israel in seinen heutigen Grenzen bei weitem nicht darstelle, was Gott den Juden zum Eigentum machte. In ihrer eigenen Publikation macht Chabad klar, dass sich der Eigentumsanspruch Israels auf weit mehr Land erstreckt, als dem modernen Israel jemals zuerkannt worden ist (5):

„Dass der Anspruch des jüdischen Volkes auf Israel sogar noch weiter zurückreicht als bis zum Sinai, wird durch Abrahams Kauf der Höhle von Machpela in Hebron von Ephron belegt, ein Geschäft, dessen Parameter in der Thora ausführlich beschrieben werden.“

Hier wird auf ein „Geschäft“, das vor mehreren tausend Jahren möglicherweise zum Abschluss gebracht worden ist, Bezug genommen, um heute daraus einen Eigentumsanspruch zu definieren. Vergessen wir hierbei nicht, dass das antike „Israel“ seit zweitausend Jahren vollständig untergegangen ist, was zusätzlich Zweifel an einer Werthaltigkeit eines solchen „Geschäfts“ aufkommen lässt. Das hat selbstverständlich mit dem heute gültigen Völkerrecht nicht das geringste zu tun, ist vollkommen unerheblich und irrelevant.

Würde man dieser Logik folgen, so gäbe es letztlich heute verbriefte Ansprüche Portugals auf die gesamten USA, denn bekanntlich teilte der Papst im Mittelalter zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen Portugal und Spanien die Welt in zwei Hälften auf und sprach sie als Eigentum den Parteien zu.

Der Rabbi Zvi Kogan gehört infolgedessen einer Sekte an, die die Enteignung des palästinensischen Volkes fordert, wie auch die „Israelnationalnews“ schreibt (6):

„Führende Chabad-Rabbiner in Israel schickten einen Brief an die Mitglieder des Kriegskabinetts, in dem sie forderten, dass die während des Abzugs an den Feind übergebenen Gebiete im Gazastreifen bewohnt werden müssten.“

Das stellt selbstverständlich einen offen geforderten Bruch des Völkerrechts dar; Land, das Israel von niemandem zuerkannt wurde, soll mit Gewalt genommen und mit „Siedlungen“ bestückt werden, was mit den Vorgängen im Westjordanland in direktem Zusammenhang steht. Es bleibt kein anderer Schluss übrig als festzustellen, dass Chabad die gewaltsame Besitzergreifung von Gebieten durch die israelische Armee einfordert, was ohne die Vertreibung oder Tötung der Eigentümer des Landes nicht möglich ist – das erfüllt die Definition von „Terror“.

Im Vergleich zum Vorgehen Israels ist die Frage, inwiefern der Rabbi Zvi Kogan persönlich jemals in diese Bestrebungen involviert war, völlig unerheblich, da Israel jedes Mitglied der Hamas und der Hizbollah als „Terroristen“ bezeichnet und unterschiedslos tötet. Es betrachtet sogar Angehörige von Hamas- bzw. Hizbollahmitgliedern als legitime Ziele, einschließlich Kindern und Babies.

Solange wir verdeckte, tödliche Angriffe durch Israel irgendwo im Ausland auf angebliche „Terroristen“ akzeptieren, werden wir folgerichtig differenziert auf Hinrichtungen schauen müssen, die mit der gleichen, falschen Idee an Israelis vorgenommen werden. Die Liste solcher Exekutionen durch Israel im Ausland ist lang und hat bisher in keinem einzigen Fall Vorwürfe des verbündeten Westens gegen Israel ausgelöst (7).

Beinahe ist es völlig unnötig zu erwähnen, dass die Ermordung des Rabbis keinen „Antisemitismus“ darstellte. Er war Mitglied einer Gruppe, die offenen Staatsterror spirituell begründet und unterstützt, der von Tausenden von Juden auf der Welt empört abgelehnt wird. Es wäre ebenso unsinnig, die Hinrichtung des iranischen Physikers Massoud Ali-Mohammadi im Jahr 2010 als „Islamophobie“ zu bezeichnen.

  1. https://edition.cnn.com/2024/11/23/middleeast/israeli-missing-uae-dead-intl-latam/index.html
  2. https://de.m.wikipedia.org/wiki/Terror
  3. https://www.chabad.org/library/article_cdo/aid/804034/jewish/How-Do-I-Explain-Israels-Actions.htm
  4. https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/umstrittene-chabad-gemeinde-eroeffnet-juedischen-campus-in-berlin-18989230.html
  5. https://www.chabad.org/library/article_cdo/aid/6148232/jewish/It-Is-Time-to-Declare-the-Truth-About-the-Jews-and-Israel.htm
  6. https://www.israelnationalnews.com/news/382209
  7. https://www.tagesschau.de/ausland/asien/israel-toetungen-iran-100.html

Gastbeiträge geben die Meinung der Autoren wieder und stellen nicht zwingenderweise den Standpunkt von NEX24 dar.


Zum Autor 

Michael Thomas ist Privatier, Fotograf, leidenschaftlich an Ägyptologie und Literatur interessiert, mit der er vor vielen Jahren als Autor regional einige Beachtung fand. Er verfolgt interessiert das Weltgeschehen durch Beobachtung internationaler Presse. Seinen Fokus legt er insbesondere auf die Palästinafrage und auf die islamische Welt.